Deutsche Herzchirurgen im internationalen Spitzenfeld: Flächendeckende Versorgung vom Baby bis zum Greis

Eine beeindruckende Leistungsschau ihrer Disziplin präsentieren Deutschlands Herzchirurgen bei ihrer Jahrstagung in Hamburg. Die rasanten Fortschritte machen Herzoperationen immer schonender und eröffnen völlig neue Perspektiven für Patienten und ihre Behandler.

Die Qualität der Herzchirurgie in Deutschland nimmt im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein. Darauf wiesen führende Herzchirurgen bei der 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) in Hamburg hin. Die Patienten sind hierzulande durch 78 herzchirurgische Kliniken gut versorgt: „Alle erforderlichen Herz-Operationen können flächendeckend in hoher Zahl angeboten werden“, sagte der Tagungspräsident Prof. Dr. Emmeram Gams aus Düsseldorf. „Die Versorgungsqualität hat sich auf hohem Niveau konsolidiert.“

Zunehmend Off-pump-Operationen: Therapien werden immer schonender

Insgesamt verzeichneten einer aktuellen Auswertung zufolge Deutschlands Herzchirurgen im Vorjahr mit 146.100 Operationen etwas weniger Eingriffe als 2003 (147.477). „Damit liegen wir im internationalen Trend, seit etwa 2000 gibt es in der westlichen Welt einen gewissen Rückgang bei herzchirurgischen Eingriffen“, sagt Prof. Dr. Arno Krian vom Herzzentrum Duisburg, künftiger Präsident der DGTHG. Die abnehmende Zahl betreffe besonders die Bypass-Chirurgie, also die operative Überbrückung verengter Gefäßstellen, die tendenziell leicht rückläufig seien. „Zum einen sind die Prävention und die Früherkennung von Verkalkungen an den Herzgefäßen deutlich besser geworden. Zum anderen können heute andere, weniger eingreifende Techniken eingesetzt werden, etwa die Ballon-Dilatation oder Stents, mit deren Hilfe verengte Herzkranzgefäße ohne Operation geöffnet werden können.“ Wurden 2003 in Deutschland 71.855 koronarchirurgische Eingriffe (Bypass-Operationen) durchgeführt, waren es 2004 noch 71.166.

Im Steigen begriffen ist die Zahl der „Off-pump“-Operationen, also von herzchirurgischen Eingriffen ohne den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine – diese ersetzt während der konventionellen Operation die Funktion des Herzens und der Lunge, allerdings ist dabei trotz aller Fortschritte eine gewisse Schädigung des Blutes und in der Folge von Organen nicht immer vermeidbar. Der Anteil von Operationen ohne Herz-Lungen-Maschine an den koronarchirurgischen Eingriffen stieg zwischen 2003 und 2004 von 5,1 Prozent auf 6,2 Prozent (4.169). „Das ist eine für Patienten, für die sich diese Technik eignet, sehr günstige Entwicklung“, erklärt Prof. Krian, „der Anstieg ist also zu begrüßen.“

Immer mehr Herzklappen-Eingriffe: Operationen auch im hohen Alter möglich

Bei den Herzklappen-Operationen verzeichnen die Herzchirurgen „eine deutliche Zunahme“, so Prof. Krian. 2004 gab es Deutschland-weit bereits 18.569 derartiger Eingriffe, 2003 waren es noch 16.800. „Dass sich dieser Trend seit vielen Jahren fortsetzt, hat auch mit der Alterspyramide zu tun, denn mit höherem Alter steigt auch das Risiko einer Verkalkung“, sagt Prof. Krian. „Und im Gegensatz zu früher kann man heute auch im höheren Lebensalter eine solche Operation mit akzeptablem Risiko durchführen. Zusätzlich wurden Techniken mit dem Ziel der Erhaltung der körpereigenen Herzklappe sicherer und standardisiert.“

Generell werden die Patienten der Herzchirurgen immer älter: Von den 96.000 Patienten, die im Vorjahr in Deutschland mit Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine operiert wurden, waren rund 40.000 älter als 70 Jahre, 7.000 sogar älter als 80 Jahre. Prof. Krian „Das spiegelt zum einen die demographische Entwicklung wider, zum anderen aber auch die beeindruckende Leistungsfähigkeit der Herzchirurgie.“

Angeborene Herzfehler: Optimale Versorgung für die Kleinsten

Auch im Bereich der Operationen bei angeborenen Herzfehlern, die operationstechnisch als besonders schwierig gelten und eine hohe Spezialisierung erfordern, stieg die Zahl der Eingriffe leicht an: 2003 wurden 4.415 derartige Operationen mit Herz-Lungen-Maschine durchgeführt, 2004 waren es 4.455. Dazu kommen noch 1.300 Fälle ohne Herz-Lungen-Maschine. Prof. Krian: „Fast alle angeborenen Herzfehler können heute bereits im ersten Lebensjahr korrigiert werden, was einen enormen Fortschritt darstellt. Im Vorjahr war das 1789 Mal der Fall. Diese Möglichkeit wird in ganz Deutschland flächendeckend in hoher Qualität angeboten.“

Aus Sicht der DGTHG, so Prof. Krian, müsse auch im Rahmen der aktuellen Bestrebungen, die Zahl der kinderherzchirurgischen Zentren in Deutschland zu reduzieren, eine erstklassige flächendeckende Versorgung unbedingt gewährleistet bleiben.

Erfolgreiche Notfall-Herzchirurgie

Etwa 10 Prozent aller Operationen mit Herz-Lungen-Maschine sind Notfalloperationen, also Eingriffe, die aufgrund eines lebensbedrohlichen Zustandes innerhalb von vier Stunden nach Diagnosestellung durchgeführt werden müssen. „Vor wenigen Jahren war eine so hohe Zahl und eine so rasche Reaktionszeit auf Notfälle noch unmöglich“, sagt Prof. Krian. „Heute kann von einer flächendeckenden Versorgung ausgegangen werden. In Deutschland kann jeder, der akut am Herzen operiert werden muss, auch akut operiert werden.“

Sorge um Rückgang bei Herz-Transplantationen

Sorgen bereitet den Herzchirurgen allerdings der Negativtrend bei Herztransplantationen. Prof. Gams: „Gab es in Spitzenjahren in Deutschland noch mehr als 500 Herztransplantationen, waren es 2002 noch 395 und 2004 nur mehr 376.“ Das wesentliche Problem sei, dass die Bereitschaft zu einer Organspende immer stärker hinter dem Bedarf zurückbleibe. Allerdings, so Prof. Gams, werde der Spendermangel in Zukunft bis zu einem gewissen Grad durch andere Maßnahmen kompensiert werden können, etwa durch „Assist-Devices“, also regelrechte künstliche Herzen.

Neue Herausforderungen für Chirurgen, neue Hoffnungen für Patienten

Die Fortschritte in der modernen Forschung bieten den Herzchirurgen und ihren Patienten immer neue Möglichkeiten. „Tissue Engineering etwa eröffnet neue Möglichkeiten bei den Herzklappen und beim Gefäß-Ersatz“, so Prof. Gams. „Wir werden in der Lage sein, verbesserte Prothesen zu entwickeln, die mit patienteneigenem Gewebe beschichtet sind.“ Was in Deutschland bereits mit der Stammzellentherapie erreicht werden konnte, sei viel versprechend. Prof. Gams: „Wir sind heute in der Lage, während der Operation Stammzellen-Therapie zu betreiben. Es ist möglich, bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung bei einer Bypass-Operation Stammzellen aus dem Knochenmark zu entnehmen. Innerhalb kurzer Zeit wird das Knochenmark aufbereitet und eine große Anzahl von Stammzellen hergestellt. In dem gleichen Eingriff werden dann die Stammzellen ins Herz gebracht. Bisherige Versuche mit dieser Methode haben gute Ergebnisse gebracht.“

Ein anderes viel versprechendes Programm, das in Deutschland allerdings noch nicht am Patienten eingesetzt werden kann, ist die Entwicklung eines Netzes für Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie, einer Erkrankung des Herzmuskels, bei der die Herzkammern und die Herzvorhöfe vergrößert sind, und die Pumpfähigkeit des Herzens eingeschränkt ist. Prof. Gams: „Das Netz aus einem speziellen Kunststoff wird um das Herz geschlagen und im Tiermodell hat sich gezeigt, dass die Funktionsbeeinträchtigung des Herzens günstig beeinflusst werden kann. In den USA gibt es auch erste Ergebnisse am Menschen.“

Immer weniger Risiken für Patienten

Die Herzchirurgie, so der Tagungspräsident, habe insgesamt in den vergangenen 50 Jahren eine großartige Entwicklung gehabt: „Und sie hat eine große Zukunft vor sich. Aber das Spektrum hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Wir werden auch in Zukunft nicht die Chirurgen sein, die nur die Koronararterien operieren, sondern wir werden weitere neue Aufgaben vor uns haben, wozu etwa auch die Herzchirurgie ohne Verwendung der Herz-Lungen-Maschine oder die Verbreitung der Herzklappen-erhaltenden Herzoperationen gehören. Da wird man sehr viel Gutes für die Patienten tun können, und die Risiken werden signifikant verringert werden.“

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