Dünndarm untersuchen und gleichzeitg behandeln

Das Doppelballonenteroskop ermöglicht den Blick in den gesamten Dünndarm

Bis vor kurzem galt der Dünndarm als „black box“ des Verdauungskanals. Wegen seiner Länge von etwa fünf Metern und seiner schweren Zugänglichkeit stießen herkömmliche Untersuchungsverfahren wie Magen- und Darmspiegelung hier bislang an ihre Grenzen. Eine deutliche Verbesserung hat zwar seit einigen Jahren die so genannte Kapsel-Endoskopie gebracht, bei der mit Hilfe einer Videokapsel kontinuierlich Bilder aus dem Dünndarm aufgezeichnet werden. Allerdings nur im Hinblick auf die Diagnostik. Eine Gewebeentnahme und eine Behandlung sind mit dieser Methode nicht möglich. Die Medizinische Klinik B des Universitätsklinikums Münster (UKM), die international zu den Vorreitern bei der Entwicklung und Anwendung neuer endoskopischer Techniken zählt, ist auf diesem Gebiet jetzt einen weiteren entscheidenden Schritt weiter: Als eine von bislang erst ganz wenigen Kliniken in Europa kommt hier jetzt ein in Japan entwickeltes Verfahren zum Einsatz, mit dem erstmals nicht nur der gesamte Dünndarm eingesehen werden kann, sondern vor Ort auch Gewebeproben entnommen und Schadstellen behandelt werden können.

Um den gesamten Dünndarm einsehen zu können, wurde ein besonders dünner und langer Untersuchungsschlauch (Endoskop) entwickelt. Das Prinzip dieses als Doppelballon-Enteroskopie bezeichneten Verfahrens ist einfach: Mit zwei von außen aufblasbaren Doppelballons, die sich an der Spitze des Endoskops und eines so genannten Übertubus befinden, stülpt das System den Dünndarm wie den Arm eines Pullovers ziehharmonikaartig übereinander, um auf diese Weise sozusagen in ihn „hineinzukriechen“. Dabei werden die Ballons abwechselnd aufgeblasen und die Luft wieder herausgelassen. Nach und nach wird so der gesamte Dünndarm quasi „aufgefädelt“.

„Mit der Doppelballon-Enteroskopie ergeben sich im Dünndarm nun ganz neue diagnostische und vor allem auch therapeutische Möglichkeiten“, schildert Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfram Domschke, Direktor der Medizinischen Klinik B des UKM, die großen Vorteile des neuen Verfahrens im Hinblick auf eine optimale Patientenversorgung. Die Technik biete grundsätzlich alle therapeutischen Möglichkeiten der Endoskopie. Sie reichen von der Entnahme von Gewebeproben bis zur Blutstillung, von der Beseitigung von Engstellen bis zur Entfernung von Polypen. Vor der etwa einstündigen Untersuchung erhält der Patient
Beruhigungsmittel, so dass er keinerlei Schmerzen verspürt, wie Domschke versichert.

Zum Einsatz kommt die Doppelballon-Enteroskopie bei unklaren chronischen Blutungen aus dem Verdauungstrakt, deren Ursachen mit anderen Methoden wie der Magen-Darm-Spiegelung nicht geklärt werden können. „Der Vorteil der Methode besteht vor allem darin, dass bei der Entdeckung einer Blutungsquelle im Dünndarm diese sofort behandelt werden kann“, betont der Leiter der Endoskopie-Abteilung der Klinik, Prof. Dr. Torsten Kucharzik. Dem Patienten könne daher häufig eine lebensgefährliche Operation erspart bleiben. Neben der Abklärung unklarer Blutungen wird das junge Verfahren auch bei Patienten mit chronischem Durchfall eingesetzt. Zur Anwendung kommt es darüber hinaus auch bei Bauchschmerzen mit Verdacht auf eine Ursache im Dünndarm, wie es bei der chronischen entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn, bei Dünndarmtumoren oder auch bei einer Zöliakie, das heißt einer Weizeneiweiß-Unverträglichkeit, vorkommen kann.

Nach den ersten Erfahrungen aus Japan und nun auch aus dem Universitätsklinikum Münster bezeichnen Experten die diagnostischen und therapeutischen Ergebnisse dieses jungen Verfahrens als ausgezeichnet. „Wenn es von erfahrenen Medizinern durchgeführt wird“, so Prof. Domschke, „sind Komplikationen so gut wie ausgeschlossen.“

Ansprechpartner für die Doppelballon-Enteroskopie am UKM ist Prof. Kucharzik, Tel. 0251/83 47574.

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Jutta Reising idw

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