Orakel im Mikrosatellit

Dr. Peter J. Wild von der Universität Regensburg sucht Wege, um die Therapieplanung von Brustkrebspatientinnen besser zu gestalten. Nun wird er mit einem Stipendium der Novartis-Stiftung ausgezeichnet


Für die Patientinnen wäre es ein Segen: Wenn Mediziner wüssten, welche Frauen mit Brustkrebs auf eine Chemotherapie oder ein anderes Verfahren erfolgreich ansprechen, könnte man die Behandlung sinnvoller einsetzen – und umgekehrt vielen Betroffenen die belastende Therapie ersparen. Tatsächlich hat Dr. Peter J. Wild vom Universitätsklinikum Regensburg in den Tumorzellen der Patientinnen bestimmte Erbgut-Sequenzen entdeckt, die sich als das gesuchte molekulare Orakel erweisen könnten. Für seine Arbeiten bekommt der angehende Pathologe ein Graduierten-Stipendium der Nürnberger Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung.

Brustkrebs ist in den westlichen Industrieländern der häufigste bösartige Tumor unter der weiblichen Bevölkerung. Allein in Deutschland erkrankt alle elf Minuten eine Frau. Derzeit fordert der Tumor jährlich rund 20.000 Todesopfer – trotz Operationen und „adjuvanter“ Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie. Wie sich ein Tumor nach der Diagnose und der Behandlung entwickeln wird, „können wir bis heute nicht einwandfrei vorhersagen“, sagt Wild. Dank der Fortschritte in der molekularen Biologe verfolgen Forscher allerdings neue Konzepte. So sind inzwischen viele Gene und andere Sequenzen im Erbgut bekannt, die sich bei der Krebsentstehung und beim Fortschreiten eines Tumors verändern. Manche werden überaktiv, andere ausgeschaltet, bei wieder anderen ist die Art der Veränderung noch weitgehend unbekannt.

Wild und seine Kollegen haben die Gewebeproben von fast 40 jungen Frauen mit weit fortgeschrittenem Brustkrebs auf genetische Unregelmäßigkeiten hin untersucht. Alle diese Patientinnen wiesen bereits Tochtergeschwülste in Lymphknoten oder im restlichen Körper auf und unterzogen sich einer so genannten Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Übertragung von Blutstammzellen („Knochenmark-Transplantation“). Diese härteste Form der Chemotherapie gilt in der Brustkrebs-Behandlung als umstritten. Dabei behandeln die Ärzte die Patientinnen zuerst mit extrem hoch dosierten Zellgiften – in der Hoffnung, wirklich alle Krebszellen zu vernichten. Weil danach auch das Knochenmark und somit die Blutbildung der Frauen zerstört ist, bekommen sie zuvor isolierte, körpereigene Blutstammzellen gespritzt, die das Knochenmark neu aufbauen. Aber die Ergebnisse enttäuschen: Die dramatische Prozedur verheißt den meisten Frauen keine verbesserten Überlebenschancen. „Einigen Patientinnen“, erklärt Wild, „könnte die Behandlung allerdings zu einem langen krankheitsfreien Leben verhelfen.“ Nur welchen? Und welchen nicht?

Tatsächlich zeigte sich in den bislang untersuchten Gewebeproben, „dass die Therapie vor allem dann sinnlos ist, wenn die Erbsubstanz in den Tumorzellen ganz bestimmte instabile „Mikrosatelliten“ aufweisen.“ Derlei Abschnitte finden sich im Erbmolekül DNA mehr oder weniger regelmäßig. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie an der Regulation unter anderem von Genen beteiligt sind, die das Krebswachstum steuern. Die instabilen Mikrosatelliten könnten vorhersagen, welchen Frauen man auch eine normal dosierte Chemotherapie „lieber erspart, weil sie nichts bringen würde“, sagt Wild. In den untersuchten Gewebeproben war das bei knapp einem Drittel der Fall. Den betreffenden Patientinnen könnten die Ärzte dann andere neue Optionen anbieten – beispielsweise die so genannte Therapie mit Antikörpern

Doch erst muss das Regensburger Team den Wert der Mikrosatelliten als Orakel in größeren Untersuchungen mit mehr Patientinnen und Gewebeproben beleuchten – um den Frauen auch wirklich sichere Prognosen bieten zu können. Sollten sich die ersten Resultate bestätigen, erklärt der angehende Pathologe, „hätte die Brustkrebsmedizin einen großen Schritt nach vorne gemacht.“

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Philipp Kressirer idw

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