Zertifizierung antibakterieller Berufskleidung

Sicherheit in der Anwendung durch biologische Prüfungen und Nachweise der Wirksamkeit

Dr. Dirk Höfer, Kompetenzzentrum Medizintextilien an den Hohensteiner Instituten in Bönnigheim

Immer mehr Hersteller von Berufskleidung ergänzen ihre Kollektionen um antibakterielle Textilien. Sie sprechen damit vor allem Kunden aus hygienesensiblen Bereichen wie dem Gesundheitswesen und der Lebensmittelbranche an.

Dass die Kleidung von Ärzten und Pflegekräften, ebenso wie die von Mitarbeitern in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben, bei der Übertragung gefährlicher Krankheitserreger eine entscheidende Rolle spielen kann, ist unbestritten. Antibakterielle Ausrüstungen sind deshalb bei der Vermarktung hochwertiger Berufskleidung ein schlagkräftiges Verkaufsargument. Das gilt besonders dann, wenn die Wirksamkeit belegt ist, d. h. anhand praxisnaher Untersuchungen von neutraler Stelle zweifelsfrei bewiesen wurde. Andererseits wirft der Begriff „antibakteriell“ insbesondere beim Träger zwangsläufig Fragen nach der Hautverträglichkeit solcherart ausgerüsteter Textilien auf.

Auch handfeste rechtliche Gründe, u. a. der § 30 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, zwingen zum Ausschluss gesundheitlicher Risiken innovativer Textilien. Demnach dürfen Nutzer textiler Produkte die Sicherheit in der Anwendung erwarten, so dass eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann. Verlangt der Arbeitgeber das Tragen definierter Berufskleidung oder stellt diese sogar zur Verfügung, muss er im Rahmen der Sorgfaltspflicht gegenüber seinem Arbeitnehmer die Unbedenklichkeit sicherstellen.

Aus diesem Grund werden an den Hohensteiner Instituten validierte Testmethoden entwickelt und angeboten, um die biologische Sicherheit und Wirksamkeit von antimikrobiell ausgerüsteten Textilien wissenschaftlich objektiv zu bewerten. Kernfrage dieser Tests ist die Risikoabschätzung, d. h. ob und wie eine Beurteilung der biologischen Effekte derartiger Textilausrüstungen am Menschen getroffen werden kann, welchen Nutzen die Materialien dem Träger bieten und ob dieser Nutzen ohne zusätzliche Risiken für den Träger erreicht wird.

Wirksamkeitstests als Qualitätsnachweis

Zur quantitativen Erfassung der Reduktion von Keimen durch antimikrobielle Textilien haben sich Testsysteme etabliert, welche diesen Vorgang spezifisch erfassen. Mit Hilfe von Suspensionstests wie dem JIS 1902:2002 kann der in vitro maximal erreichbare „Wirkungsgrad“ der ausgerüsteten Textilien als Wachstumshemmung von Testkeimen erfasst werden. Auf diesem Weg kann bei der Produktentwicklung die antimikrobielle Wirkung verschiedener Materialien miteinander verglichen, und vom Hersteller im Hinblick auf die Marktreife eine Selektion vorgenommen werden. Die nachgewiesene antimikrobielle Wirkung von Textilien dokumentieren die Hohensteiner Wissenschaftler mit einem Zertifikat, das sich als neutraler Qualitätsnachweis etabliert hat und bei Entscheidern und Einkäufern einen hohen Stellenwert genießt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, auch die antimikrobielle Wirkung des textilen Materials nach 50 Aufbereitungszyklen von den Hohensteiner Spezialisten überprüfen und zertifizieren zu lassen. Der neutrale Beleg, dass ein Produkt über die gesamte Nutzungsdauer hinweg die zugesicherte Funktion erfüllt, ist ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Anschaffung antimikrobieller Textilien.

Biologische Sicherheitsprüfungen an Haut-Testsystemen

Basis für die biologischen Sicherheitsprüfungen von Textilien bildet die EN ISO 10993 zur biologischen Beurteilung von Medizinprodukten. In ihr sind, abhängig von der Art des Körperkontaktes und der Kontaktdauer, festgelegt, welche Risikoanalysen durchgeführt werden müssen und welche Testmethoden dabei herangezogen werden dürfen. Im einzelnen werden die Zytotoxizität (Gewebeverträglichkeit) sowie das Sensibilisierungs- und Irritationspotenzial untersucht.

Zytotoxizität

Im Hinblick auf die Gewebeverträglichkeit von antimikrobiell ausgerüsteten Textilien muss insbesondere untersucht werden, ob sich durch das übliche Trageverhalten potenziell zellgiftige Substanzen aus dem Material herauslösen lassen. Beim Zytotoxizitätstest nach EN ISO 10993 wird dazu mit Hilfe künstlicher Schweißlösung ein Extrakt aus dem Textil erstellt. Dessen Wirkung auf aus der menschlichen Oberhaut stammenden L 929 Fibroblasten und HaCaT Keratinozyten gibt Aufschluss über möglicherweise zellgiftige Inhaltsstoffe. An den Hohensteiner Instituten wurde so u. a. auch die biologische Unbedenklichkeit von Textilien untersucht, die mit Silber ausgerüstet sind und bei der Behandlung von Neurodermitiskranken eingesetzt werden.

Irritation

Ein klassischer Test zur Ermittlung des Entzündungspotenzials einer Substanz ist der Draize-Test, bei dem einem Versuchstier die zu überprüfende Substanz auf die Bindehaut des Auges getröpfelt wird, um mögliche Irritationen feststellen zu können. Als Alternative zu diesem Tierversuch bietet sich der wissenschaftlich anerkannte Hühnerei-Test an der Chorioallantois-Membran (HET-CAM) an. Dieser ist u. a. vom European Centre for the Validation of Alternative Methods (ECVAM) validiert. Genauso zuverlässig wie beim Tierversuch lässt sich durch die Beobachtung der Blutgefäße des behandelten Eis das irritierende Potenzial von Substanzen, die aus dem textilen Material herausgelöst werden können, feststellen. Neben dem Zytotoxizitätstest bietet auch der HET-CAM Test daher ein entscheidendes Sicherheitsplus für die Anwendung antimikrobieller Textilen.

Fazit

Mit neuen biologischen Testsystemen lassen sich Wechselwirkungen zwischen Textil und Haut wissenschaftlich exakt erfassen und Nutzungs- und Gefahrenpotenziale erkennen und beurteilen. Die Methoden können als Sicherheitsprüfungen für antimikrobiell ausgerüstete Textilien herangezogen werden.

Kontakt:
Hohensteiner Institute
Kompetenzzentrum Medizintextilien
Dr. Dirk Höfer
Schloss Hohenstein
D-74357 Bönnigheim
Telefon: 07143 271-432
E-Mail: d.hoefer@hohenstein.de

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Weitere Informationen:

http://www.hohenstein.de

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