Erhöhtes Fehlbildungsrisiko

Kinder, die mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Techniken zur Welt kommen, haben im Vergleich zu anderen Kindern ein leicht erhöhtes Fehlbildungsrisiko. „Vermutlich ist die Unfruchtbarkeit selbst ein Risikofaktor“, mutmaßt Dr. Michael Ludwig vom Endokrinologikum Hamburg auf dem 55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg.


Bei jeder 15. Schwangerschaft müssen die Eltern mit einer Fehlbildung rechnen. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter. Bei Kindern, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin geboren werden, ist dieses Risiko darüber hinaus leicht erhöht. „Nach einer Kinderwunschbehandlung finden wir bei etwa jeder 12. Schwangerschaft eine Fehlbildung“, erklärt Dr. Michael Ludwig vom Endokrinologikum Hamburg. Darüber hinaus kommen die Babys etwas früher zur Welt und wiegen etwa 200 Gramm weniger.

Gering erhöhtes Risiko nach ICSI

Besonders erforscht wird derzeit die sogenannte Intracytoplasmatische Spermieninjection (ICSI). Diese Methode, bei der im Labor ein einzelnes Spermium in die Eizelle gespritzt wird, entwickelten Forscher in den frühen 90er Jahren speziell für unfruchtbare Männer. Eine große deutsche Multicenterstudie unter der Federführung der Universitäts-Frauenklinik Lübeck ergab vor vier Jahren eine um zwei Prozent erhöhte Fehlbildungsrate nach ICSI. Die Forscher erfassten schwere Fehlbildungen wie Herzfehler, Fehlentwicklungen des Gehirns, des Verdauungstrakts, der Nieren und Harnwege und Auffälligkeiten bei den Chromosomen. Doch definitive Erklärungen für die erhöhte Rate gibt es nicht. „Wir können zwar nicht ausschließen, dass die ICSI-Technik selbst ein geringfügig erhöhtes Fehlbildungsrisiko mit sich bringt“, räumt Ludwig ein. „Doch wir vermuten, dass die schlechteren Ergebnisse vor allem mit den Ursachen der elterlichen Unfruchtbarkeit zusammenhängen“. Dafür sprechen Untersuchungen, die ein erhöhtes Schwangerschaftsrisiko nicht nur nach einer Kinderwunschbehandlung beschreiben, sondern auch bei Paaren, die ohne Behandlung erst nach mehr als zwei Jahren ein Kind erwarteten. Es laufen bereits weitere Studien, um diese Frage zu kären.

ICSI und IVF: vergleichbares Risiko

Dr. Wolfgang Paulus vom Ulmer Christian-Lauritzen-Institut wies in einer Studie nach, dass das Fehlbildungsrisiko nach ICSI nur geringfügig höher ist als nach einer Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas (In-Vitro-Fertilisation oder IVF). Er verglich 434 ICSI-Kinder und 356 IVF-Kinder miteinander. 12 Monate nach der Geburt stellten die Ärzte bei drei von hundert IVF-Kindern und bei vier von hundert ICSI-Kindern schwere Fehlbildungen fest. „ICSI- und IVF-Kinder unterschieden sich nicht wesentlich“, stellt Paulus auf dem Hamburger Kongress fest. „Doch im Vergleich zu Kindern, die nicht im Reagenzglas gezeugt worden waren, waren sie bei der Geburt deutlich leichter.“

Entwicklung nach der Geburt normal

Nach einer Befruchtung im Reagenzglas oder einer Spermieninjektion müssen Eltern mit leicht erhöhten Schwangerschaftskomplikationen und Fehlbildungsraten rechnen. Ludwig warnt indes vor übertriebenem Pessimismus: „Man muss diese Studien sehr kritisch betrachten. Unter den Langzeitstudien ergibt nur eine australische Untersuchung einen deutlichen Nachteil für Jungen, die nach ICSI geboren wurden. Doch da gab es methodische Mängel. Nach fünf Jahren konnten die Autoren selbst keine Unterschiede mehr zwischen den beiden untersuchten Gruppen feststellen.“ Wie sich die Jugendlichen nach der Pubertät entwickeln, bleibt abzuwarten. Erst dann wird man sehen, ob ICSI-Väter das Fruchtbarkeitspotential ihrer Söhne beeinträchtigen. Schon jetzt halten viele Experten die Untersuchung der Spermien vor einer ICSI-Behandlung für sinnvoll.

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Barbara Ritzert idw

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