Polkörperdiagnostik: Check up der Eizelle

Ist die – gesetzlich erlaubte – Polkörperdiagnostik, eine Prüfung des Erbguts der Eizelle, eine Alternative zur – gesetzlich verbotenen – Präimplantationsdiagnostik, bei der embryonale Zellen untersucht werden? Unter der Leitung des Universitätsklinikums Bonn wollen fünf deutsche Zentren für Fortpflanzungsmedizin diese Frage beantworten, berichten Experten auf dem 55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg.

Etwa 1,2 bis 1,6 Millionen Paare sind in Deutschland ungewollt kinderlos. Viele erhoffen sich darum Hilfe von den Methoden der Reproduktionsmediziner. Nach einem Behandlungszyklus werden jedoch nur 20 von 100 Frauen schwanger. Die Fehlschläge können verschiedene Ursachen haben. Zu ihnen gehören beispielsweise Störungen der Chromosomenverteilung („Aneuploidie“). Diese treten bei 50 bis 70 Prozent der Frauen über 35 Jahre auf, bei Frauen unter 35 Jahre sind bei 30 Prozent solche Fehlverteilungen nachweisbar.

Solche Veränderungen im Erbgut können Ärzte prinzipiell durch eine Präimplantationsdiagnostik feststellen: Dem heranwachsenden Embryo wird eine einzige Zelle entnommen und deren Erbgut auf Chromosomenschäden und Gendefekte untersucht. Allerdings verbietet hier zu Lande das Embryonenschutzgesetz diese Untersuchung. Darum greifen Fortpflanzungsmediziner zu einer erlaubten Notlösung: Sie untersuchen die so genannten Polkörperchen der Eizelle. In diese „entsorgt“, salopp gesprochen, die Eizelle bei ihrer Reifeteilung die eine Hälfte ihres zunächst noch doppelten Chromosomensatzes. (Dies ist nötig, da sich bei der Befruchtung väterliches und mütterliches Erbgut verbinden. Darum wird in Ei- und Samenzellen der in allen Körperzellen übliche doppelte Chromosomensatz auf einen einfachen Satz reduziert.)

Der erste Polkörper kann bereits vor der Befruchtung einer Eizelle entnommen werden, der zweite kurz danach, bevor die Kerne von Ei- und Samenzelle miteinander verschmelzen und der eigentliche Embryo entstanden ist. Damit liegt aber auch gleich ein wesentlicher Nachteil dieser Untersuchung auf der Hand: Mit ihrer Hilfe können die Reproduktionsmediziner nur genetische oder chromosomale Veränderungen der Eizelle identifizieren. Das väterliche Erbgut wird nicht erfasst.

Qualitätskontrolle der Eizelle

Bislang gibt es keine kontrollierten Studien über den tatsächlichen Nutzen des Verfahrens. Prinzipiell kann es zur Diagnose bestimmter genetisch bedingter Krankheiten eingesetzt werden, die von der Mutter vererbt werden. Nachweisbar sind auch so genannte Translokationen – wenn Teile von Chromosomen auf andere Chromosomen „umgelagert“ werden. Doch am häufigsten wird die Methode eingesetzt, um Fehlverteilungen der Chromosomen zu diagnostizieren. Ist beispielsweise im Polkörperchen ein bestimmtes Chromosom nicht zu finden, muss bei der Zellteilung ein Fehler unterlaufen sein. Vermutlich ist dann in der befruchteten Eizelle dieser Erbträger drei und nicht zwei Mal vorhanden. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Trisomie 21, die Ursache des Down-Syndroms. In diesem Fall liegt in der Eizelle das Chromosom 21 nicht einfach, sondern doppelt vor. Nach der Befruchtung trägt das heranwachsende Kind drei und nicht zwei Versionen dieses Chromosoms.

Erste wissenschaftliche Studie

Wie zuverlässig die Polkörperuntersuchung tatsächlich ungleiche Chromosomensätze vorhersagen kann, soll nun eine Studie unter der Federführung des Universitätsklinikums Bonn prüfen, an der Zentren aus Lübeck, Kiel, München und Hamburg teilnehmen. „Wenn wir nur Eizellen mit korrekt verteilten Chromosomensätzen befruchten, könnte das die Schwangerschaftsraten erhöhen und Fehlgeburten vermeiden. Ebenso ließen sich Mehrlingsschwangerschaften reduzieren, da die Zahl der übertragenen Embryonen bei besseren Schwangerschaftsraten auf ein bis zwei reduziert werden kann“, hofft der Studienleiter Professor Hans van der Ven.

Nachteile der Polkörperbiopsie

Neben der Beschränkung auf das mütterliche Erbgut hat die Polkörperbiopsie noch weitere potentielle Nachteile. Bei dem Verfahren können die Eizellen beispielsweise beschädigt werden. Ausserdem lassen sie sich nicht mehr einfrieren und stehen so für einen weiteren Behandlungszyklus nicht mehr zur Verfügung. Darum wäre es sinnvoll, die Methode derzeit nur im Rahmen wissenschaftlicher Studien einzusetzen. Dies empfiehlt auch der Nationale Ethikrat in seiner jüngsten Stellungnahme zur Polkörperbiopsie, veröffentlicht im Juni diesen Jahres. „Doch viele Zentren stehen unter dem Druck der Patientinnen, die neuesten technischen Entwicklungen anzubieten, noch bevor deren effektiver Nutzen nachgewiesen ist“, klagt der Bonner Experte.

Fehlgeburten verhindern

Untersucht werden die Polkörperchen auf die Chromosomen 13, 16, 18, 21 und 22. Der Grund: Bei Fehlgeburten fanden Mediziner häufig Fehlverteilungen der Chromosomen 13, 16, 18 und 22. Ethische Diskussionen löste die Einbeziehung des Chromosoms 21 aus. „Prinzipiell soll das Verfahren Schwangerschaften verhindern, die keine lebensfähigen Embryonen hervorbringen. Dies ist bei einer Trisomie 21 nicht der Fall“, erklärt der Bonner Fortpflanzungsmediziner. Darum empfiehlt er allen Paaren, vor einer solchen Diagnostik eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

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