"Impfung" gegen Heuschnupfen

Als einzige dauerhaft wirksame Therapie gegen Heuschnupfen und andere Allergien gilt momentan die Hyposensibilisierung, in deren Verlauf sich das Immunsystem langsam an das Allergen „gewöhnen“ soll. Bis vor kurzem mussten sich die Patienten dazu einer dreijährigen Injektionsserie unterziehen – eine Behandlung, die viele Betroffene aufgrund ihrer Angst vor Spritzen und des großen zeitlichen Aufwandes scheuten. Seit einiger Zeit macht nun die sublinguale Immuntherapie (SLIT) Furore, bei der sich die Patienten mehrmals pro Woche einige Tropfen einer Allergenlösung unter die Zunge träufeln. Die allergologische Ambulanz an Hautklinik der Universität Bonn bietet die SLIT inzwischen standardmäßig an. Die Mediziner untersuchen zudem, wie das Verfahren funktioniert – bislang weiß man lediglich, dass die „Sprühimpfung“ wirkt; warum genau, ist noch unbekannt.

„Die SLIT erzielt ähnlich gute Ergebnisse wie die klassische Hyposensibilisierung, bei der die Allergenlösung alle vier bis sechs Wochen unter die Haut gespritzt wird“, erklärt die Privatdozentin Dr. Natalija Novak, Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie (Leitung: Professor Dr. Dr. Thomas Bieber). Allerdings sind Spritzen schmerzhaft. Zudem dürfen die Patienten die Injektion nicht selbst vornehmen, sondern müssen dafür eine Praxis oder das Krankenhaus aufsuchen, wo man sie wegen des Risikos eines allergischen Schocks noch mindestens 30 Minuten nach der Allergen-Spritze unter Beobachtung behält.

Ungefährlich und wirksam

„Bei der SLIT träufelt sich der Allergiker mehrmals pro Woche ein paar Tropfen einer Immunlösung unter die Zunge“, erklärt Novaks Kollege Dr. Jean-Pierre Allam – in der Regel nach dem morgendlichen Zähneputzen. Wieviel genau, steht in einem Dosierplan, den die Ärzte der allergologischen Ambulanz für ihn ausarbeiten. In der zwei- bis vierwöchigen „Induktionsphase“ erhält der Patient das Allergen in aufsteigender Dosierung, bei Mehrfach-Allergikern gegebenenfalls auch eine Mischung aus zwei oder drei verschiedenen Substanzen. In der anschließenden „Erhaltungsphase“ muss er die Therapie dann möglichst kontinuierlich fortführen. „In der Allergen-Saison – bei einer Allergie gegen Birkenpollen also beispielsweise im März und April – reduzieren wir allerdings die Tropfenzahl, damit die Gesamtbelastung für die Immunabwehr nicht zu hoch wird“, so Dr. Novak. Für die meisten Allergene beginnt die Therapie im Herbst; nach drei Jahren hat sich das Immunsystem dann in der Regel an das Allergen „gewöhnt“. Während der Hyposensibilisierung stellt sich der Allergiker etwa alle sechs Wochen in der Ambulanz vor, wird kurz untersucht und erhält frische Allergen-Lösung.

Die Mundschleimhaut ist für die Allergieforscher der Bonner Hautklinik ein extrem spannendes Terrain – paradoxerweise, weil Allergien dort so extrem selten sind. „Dabei kommt der Mund mit extrem vielen potenziellen Allergie-Auslösern in engen Kontakt“, erklärt Dr. Novak, „wahrscheinlich sogar mehr als die Nase.“ Während die bei einer Pollen-Attacke bei vielen Menschen zuschwillt, juckt, trieft oder mit hartnäckigen Niesorgien reagiert, scheint irgendein Mechanismus in der Mundschleimhaut eine derart heftige Immunreaktion zu verhindern. „Und das ist für uns Allergologen natürlich außerordentlich interessant.“

Die Wissenschaftler fahnden momentan nach den molekularen Ursachen, die verhindern, dass der Mund ähnlich mimosenhaft reagiert wie die Nase. So wollen sie auch herausfinden, warum die sublinguale Immuntherapie überhaupt wirkt. „Wichtig scheinen hierbei vor allem lokale Effekte zu sein“, erklärt Dr. Allam. So setzten manche Mundschleimhaut-Zellen nach Allergenkontakt bestimmte Botenstoffe frei, die vermutlich allergische Entzündungsreaktionen hemmen können. Die SLIT ist also keine „Schluckimpfung“: Sie funktioniert auch, wenn kein einziger Tropfen der Allergenlösung in den Verdauungstrakt gerät.

Therapie rechtzeitig beginnen

Die SLIT hat sich nicht nur im Kampf gegen Heuschnupfen bewährt; auch Hausstaub- und Katzenhaar-Allergiker können mit Hilfe dieser „Alternative zur Nadel“ aufatmen. In besonderen Risikofällen empfiehlt sich auch eine möglichst frühzeitige Hyposensibilisierung: „Die Therapie ist schon im Kindesalter möglich“, betont Dr. Novak. Unbehandelt habe die Erkrankung zumindest bei Patienten mit genetischem Risiko die Tendenz, mit der Zeit immer schwerere Formen anzunehmen: „Gerade junge Patienten, die erst gegen ein oder zwei Substanzen allergisch sind, entwickeln ohne Hyposensibilisierung mit der Zeit häufig weitere Allergien oder sogar ein allergisches Asthma.“

Eine Terminabsprache mit der Allergologischen Ambulanz ist telefonisch unter 0228/287-5430 oder per Mail (Allergo.Derma@ukb.uni-bonn.de) möglich.

Media Contact

Dr. Andreas Archut idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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