Herausforderung für Politik und Gesellschaft: Zahl der älteren Menschen mit geistiger Behinderung steigt

Die Zahl der älteren Menschen mit geistiger Behinderung steigt. „Derzeit sind schon circa 20.000 bis 30.000 der Bewohner in Heimen der Behindertenhilfe älter als 65 Jahre. In den nächsten zehn Jahren wird sich ihre Zahl noch deutlich erhöhen“. Darauf macht Prof. Dr. Elisabeth Wacker von der Universität Dortmund in der aktuellen Ausgabe 2/2004 von PRO ALTER, dem Fachmagazin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) aufmerksam. Genaue Zahlen fehlten allerdings, da es in Deutschland seit dem Ende des Dritten Reiches keine zentrale Erfassung aller als behindert klassifizierten Personen mehr gebe. So müsse man sich zum Teil auf „Hilfskonstruktionen wie beispielsweise die Zahl der bewilligten Schwerbehindertenausweise oder Aufnahmezahlen in Fördereinrichtungen der Behindertenhilfe stützen“, um an entsprechendes Datenmaterial zu gelangen, erklärt Prof. Wacker.

So vollzieht sich der vielbeschworene demografische Wandel also auch im Bereich der Behindertenhilfe, doch die Gesellschaft scheint darauf noch nicht richtig vorbereitet zu sein, heißt es in PRO ALTER. Viele der heute alt gewordenen Menschen mit geistiger Behinderung sind geprägt von einem Leben in psychiatrischen Kliniken, Pflegeheimen und großen Wohneinrichtungen, von einem dort oft vorherrschenden rigiden und unpersönlichen Erziehungsstil und von einer mangelnden medizinischen Versorgung. Individuelle und bedürfnisgerechte Förderung zur Weiterentwicklung ihrer vorhandenen Fähigkeiten haben die meisten von ihnen nie erfahren. Das heißt, eine selbstbestimmte Lebensführung ist nie oder kaum möglich gewesen. Als Folgen davon beschreibt das KDA-Fachmagazin Hospitalisierung, Traumatisierung und erlernte Hilflosigkeit.

„Altenpflegeheime sind für alte Behinderte ungeeignet“

Diese Gruppe komme nun auf die Behinderten- und auch auf die Altenhilfe zu. Denn viele der alt gewordenen Menschen mit geistiger Behinderung seien inzwischen auch pflegebedürftig geworden und benötigten mehr als pädagogische und soziale Betreuung.
Gegen einen Umzug in ein Altenpflege-Heim sprechen sich aber viele Experten aus. So auch Klaus Kräling von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. In PRO ALTER sagt er: „Stationäre Einrichtungen der Altenpflege kommen als Lebensorte für alte Menschen mit Behinderung nicht in Frage. Diese Wohnform bietet keine geeignete Alternative für sie, da unter den gegenwärtigen Bedingungen eine Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse dieses Personenkreises nicht gewährleistet ist.“

Gefordert sind also vor allem die Einrichtungen der Behindertenhilfe, die sich auf eine „neue“, alte Klientel einstellen müssten.

Verfrühung und Beschleunigung von Alterserkrankungen wie Demenz

Dabei spielt auch die Krankheit Demenz eine große Rolle. Denn Menschen mit Behinderung, insbesondere wenn sie mit einem Down-Syndrom zur Welt gekommen sind, sind besonders gefährdet, frühzeitig an einer Demenz zu erkranken. Darauf machen in PRO ALTER Dr. Roland Rupprecht und Andreas Ackermann, beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg, aufmerksam. Für sie stellt die Demenz eine zentrale Herausforderung der zukünftigen Behindertenarbeit dar. So zeigten einer Studie aus dem Jahr 1997 zufolge bereits 11,4 Prozent der über 50-Jährigen mit geistiger Behinderung demenzielle Symptome. Bei den über 65-Jährigen waren es bereits 22 Prozent, wie eine andere Untersuchung zeigte. Zum Vergleich liegt die Prävalenz demenzieller Erkrankungen in der „Normalbevölkerung“ über 65 Jahren bei circa sieben Prozent.

Bei den Menschen mit Down-Syndrom ist der Anstieg noch dramatischer. Hier verweisen Rupprecht und Ackermann auf eine Studie, die zeigt, dass bereits 42 Prozent der 50- bis 60-Jährigen an einer Demenzerkrankung litten. Bei den über 60-Jährigen waren es dann schon 56 Prozent.

Weitere Themen der Ausgabe 2/2004 von PRO ALTER sind unter anderem:

· Betreute Wohngemeinschaften: Angebotsstruktur und Leistungsqualität
· Betreutes Wohnen: Neues Qualitätssiegel für mehr Transparenz
· Erste Studie zur Situation psychisch schwer kranker alter Menschen in Pflegeheimen
· Das psychobiografische Pflegemodell nach Erwin Böhm
· Lotsendienst durch den Dschungel der Altenhilfe: Überlegungen zum bundesweit erreichbaren Beratungstelefon

Bei Rückfragen zum Thema wenden Sie sich bitte an das KDA-Referat Öffentlichkeitsarbeit: publicrelations@kda.de oder 0221/93 18 47 -17.

PRO ALTER ist zu beziehen beim Kuratorium Deutsche Altershilfe, An der Pauluskirche 3, 50679 Köln, Fax 0221/ 93 18 47-6, E-Mail: versand@kda.de. Das Einzelheft kostet 4,80 Euro (zuzüglich Versankosten), das Jahresabonnement 16 Euro (einschließlich Versandkosten).

Media Contact

Klaus Großjohann idw

Weitere Informationen:

http://www.kda.de

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