Neues Projekt zur Entwicklung medizinischer Wirkstoffe gegen Prionenerkrankungen

Ein neues Forschungsprojekt am Lehrstuhl „Struktur und Chemie der Biopolymere“ der Universität Bayreuth (Professor Dr. Paul Rösch) untersucht – insbesondere mithilfe der magnetischen Kernresonanzspektroskopie (nuclear magnetic resonance, NMR) – biophysikalische und chemische Grundlagen der Wirkungsweise von Substanzen, die gegen Prionenerkrankungen wie die Creutzfeldt-Jakob Krankheit (CJK) oder BSE eingesetzt werden können. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse wesentliche Beiträge zur Entwicklung medizinischer Wirkstoffe gegen Prionenerkrankungen, aber auch gegen andere konformationsbedingte Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson leisten werden. Die Untersuchungen sind Teil eines Verbundprojektes, das mit Kooperationspartnern an den Universitäten Düsseldorf und Erlangen-Nürnberg durchgeführt wird. Das Verbundprojekt wird von der VolkswagenStiftung mit insgesamt 430.000 Euro gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Fehlstrukturierte Eiweiße als Krankheitsursache

BSE (Rinderwahnsinn) bei Rindern, aber auch Erkrankungen des Menschen wie die Creutzfeldt-Jakob Krankheit (CJK) oder das Gerstmann-Sträussler-Scheincker (GSS) Syndrom sind Erkrankungen, die mit einer Formänderung eines Eiweißes verbunden sind. Ausgangspunkt sind Prion-Proteine (PrP). Dabei handelt es sich um Eiweiße, die in Zellen von Menschen und Tieren in einer zunächst völlig unschädlichen, so genannten zellulären Form vorkommen. Aus bisher noch unbekannten Gründen kommt es vor, dass diese Prion-Proteine ihre dreidimensionale Struktur – ihre Konformation – plötzlich ändern. In ihrer neuen, fehlgefalteten Form sind sie krankheitsverursachend (pathogen): Sie lagern sich zusammen, bilden fadenartige Strukturen (Amyloid-Fibrillen) und verursachen Fehlfunktionen in Nerven und Gehirn. Indem sie bewirken, dass gesunde Prion-Proteine gleichfalls eine pathogene Struktur annehmen, kommt es zu einer schrittweisen Steigerung der Schäden im Gehirn. Diese Schäden sind nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht behebbar.

Interdisziplinäre Forschungsarbeiten zur Entwicklung medizinischer Wirkstoffe

Ein neues Forschungsprojekt am Lehrstuhl „Struktur und Chemie der Biopolymere“ der Universität Bayreuth (Koordinatoren: Dr. Stephan Schwarzinger, Professor Dr. Paul Rösch) zielt auf die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe, die die Struktur gesunder Prion-Proteine stabilisieren und dadurch die Umlagerung in krankhafte Proteine verhindern. Das Projekt wird seit April 2004 von der VolkswagenStiftung mit insgesamt 430.000 Euro gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Gemeinsam mit Forschern des Lehrstuhls für Pharmazeutische Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. Peter Gmeiner) und des Instituts für Neuropathologie der Universität Düsseldorf (Priv.-Doz. Dr. Carsten Korth) werden verschiedene Wege der Wirkstoffentwicklung parallel verfolgt: Zum einen geht es um die Synthese kleiner Moleküle, die in den Prozess der Konformationsumwandlung so eingreifen, dass keine pathogenen Strukturen entstehen. Andererseits wird die Entwicklung von Antikörpern, also komplexerer Eiweiße, angestrebt, die das Prion-Protein in einer speziellen, für den Organismus unschädlichen Weise fixieren. In beiden Fällen soll der Nachschub an pathogenem Protein unterbunden werden. Parallel dazu werden bereits gebildete pathogene Prion-Proteine trotz ihrer hohen Stabilität nach einer gewissen Zeit auf natürlichem Wege abgebaut.

Kernresonanzspektroskopie – eine leistungsstarke Technologie an der Universität Bayreuth

Die Forschergruppe an der Universität Bayreuth ist hochgradig interdisziplinär zusammengesetzt. Sie befasst sich insbesondere mit der biophysikalischen Charakterisierung potenzieller Wirkstoffe im Komplex mit dem Prion-Protein sowie der Suche nach neuen Bindungsstellen für Wirkstoffe am PrP. Dabei kommt vor allem die magnetische Kernresonanzspektroskopie (engl. nuclear magnetic resonance = NMR) zum Einsatz. Sie erlaubt es den Forschern, wie mit einem Mikroskop mit gigantischer Vergrößerung die Formen und Strukturen der neuen potenziellen Wirkstoffmoleküle in Kombination mit dem Prion-Protein (ca. 0,000 000 002 m Durchmesser) zu bestimmen. So können die Wirkstoffe noch besser an ihr Ziel, das Prion-Protein, angepasst werden, um eine noch bessere Wirkung bei möglichst geringen Nebenwirkungen erzielen zu können.

Das Projekt profitiert hierbei von der hervorragenden NMR-Ausstattung des Lehrstuhls für Biopolymere und des NMR-Zentrums Bayreuth. Im Jahr 2003 wurden hier zwei neue, extrem leistungsstarke NMR-Spektrometer installiert, die weltweit zu den stärksten ihrer Art gehören. Die Bayreuther Wissenschaftler können mit dieser technologischen Ausstattung bis in strukturelle Details von Biomolekülen vordringen und kleinste Bewegungen innerhalb von Biomolekülen messen.

Perspektiven für Therapien auch gegen Alzheimer und Parkinson

Von den Ergebnissen des Projekts erwarten sich die Bayreuther Wissenschaftler und ihre Kollegen aus Düsseldorf und Erlangen neben neuen Leitsubstanzen gegen Prionenerkrankungen auch wichtige Aufschlüsse für mögliche neue Therapien gegen die Alzheimer’sche und die Parkinson’sche Krankheit. Denn auch diese Erkrankungen werden durch fehlgefaltete körpereigene Proteine verursacht. Weil Alterungsprozesse im Organismus vermutlich einen wichtigen Anteil an der Entstehung dieser pathogenen Eiweiße haben und die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen voraussichtlich weiter ansteigen wird, ist die Entwicklung von Therapien gegen diese Erkrankungen nicht nur von medizinischer, sondern auch von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Kontaktadressen:

Universität Bayreuth
Lehrstuhl für Struktur und Chemie der Biopolymere
Prof. Dr. Paul Rösch
Dr. Stephan Schwarzinger
Universitätsstrasse 30
95440 Bayreuth
Tel 0921 / 55-2046
Fax 0921 / 55-3544
E-Mail stephan.schwarzinger .at. uni-bayreuth.de
paul.roesch .at. uni-bayreuth.de

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie
Prof. Dr. Peter Gmeiner
Schuhstrasse 19
91052 Erlangen
Tel 09131-85 22584
Fax 09131-85 22585
E-Mail gmeiner .at. pharmazie.uni-erlangen.de

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Institut für Neuropathologie
Priv.-Doz. Dr. Carsten Korth
Moorenstrasse 5
40219 Düsseldorf
Tel 0211-811 6153
Fax 0211-811 7804
E-Mail korth .at. med.uni-duesseldorf.de

Media Contact

Christian Wißler idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer