Schädlinge in Lebensmitteln – Wie Gesundheitsrisiken minimiert werden

Die Vermeidung, Früherkennung und Bekämpfung von Schädlingen in Lebensmitteln und Lebensmittelvorräten ist seit vorgeschichtlicher Zeit bis heute ein wichtiges Thema. Mit der Schädlingsbekämpfung in der Lebensmittelproduktion befasst sich ein Workshop, den die Lebensmittelchemische Gesellschaft, eine Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), gemeinsam mit der Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen und der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft am 3./4. Mai in Fulda veranstaltet. Der Workshop soll die Probleme und Vermeidungsstrategien aufzeigen, die nahezu alle Stufen und Sparten der Gewinnung und Verarbeitung von Lebensmitteln betreffen.

Lebensmittel und ihre Vorräte können zu einem Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen werden, die durch ihre Stoffwechselprozesse das Lagergut anfeuchten und erwärmen und somit auch den mykotoxin-, also giftebildenden Schimmelpilzen Lebensraum bieten. Vorräte sind übrigens nach dem Pflanzenschutzgesetz definiert als „Produkte pflanzlichen Ursprungs, die nicht oder nur geringfügig, z.B. durch Trocknen, Pressen oder Zerkleinern, verändert worden sind“. Mehl oder Gries sind also Vorratsgüter, Müsli und Brot jedoch Lebensmittel. Lebensmittel müssen nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz frei von „ekelerregenden Stoffen“ sein, was z.B. lebende und tote Insekten einschließt. Ein Schädlingsbefall ist in jedem Fall unzulässig. Tritt er dennoch auf, ist aufgrund der Europäischen Richtlinie 178/2002 zur Hygiene in Lebens- und Futtermitteln eine lückenlose Rückverfolgung bis zum Produzenten möglich geworden. Bei Beanstandungen können die Verantwortlichen so in Produkthaftung genommen werden.

Vorratsschädliche Insekten, die auf das Überleben in trockenen Ernteprodukten spezialisiert sind, sind, wenn ihnen der Zugang gewährt wird, Erstbesiedler des Vorratsguts. Die Primärschädlinge greifen die Ernteprodukte an, schließlich entwickeln sich bei ausreichender Feuchte Staubläuse, Milben und Schimmelpilze. Es kommt zur Bildung von lokalen Wärmenestern („hot spots“) und zum Verderb der Ware. Natürlich müssen Räume zur Lagerung und Verarbeitung von Lebens- und Futtermitteln auch gegen das Eindringen von Wirbeltieren geschützt sowie wasserdicht und gegen Temperaturschwankungen isoliert sein. Auf dem Weg vom Erzeuger zum Konsumenten muss die Verpackung einen optimalen Schutz gewährleisten.

Ratten und Mäuse verursachen erhebliche Fraß- und Nageschäden, und sie können Krankheiten übertragen und Lebensmittel damit kontaminieren. Gegenmaßnahmen baulicher Art sind oftmals vor allem in landwirtschaftlichen Betrieben schwierig. Als Nagetierbekämpfungsmittel (Rodentizide) kommen Fraßköder mit blutgerinnungshemmenden Wirkstoffen (Antikoagulantien) zur Anwendung. Hausmäuse lassen sich auch mit Akutgiften (Zinkphosphid-Giftweizen) wirksam bekämpfen. Sie sind nämlich häufig selbst gegen hochpotente Antikoagulantien resistent. Erbliche physiologische Resistenz gegenüber Antikoagulantien hat sich auch bei Ratten weltweit an verschiedenen Orten entwickelt. Sie betrifft die Wirkstoffe Warfarin, Coumatetralyl, Bromadiolon und Difenacoum. In Deutschland uneingeschränkt wirksam gegen Wanderratten sind die hochpotenten Wirkstoffe Brodifacoum, Flocoumafen und Difethialon, die nur in Räumen ausgebracht werden dürfen.

Sorgfältige und regelmäßige Reinigung, die Beseitigung baulicher Schwachstellen, die Optimierung des Lager- und Abfallmanagements sowie eine gute Personalschulung sollen die beste Prophylaxe gegen die Schadnager Maus und Ratte werden. Nach der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz steht nämlich für Wirbeltiere ein generelles Verbot der Zufügung schwerer Leiden zu erwarten. Das würde bedeuten, dass man auf Schlagfallen verzichten muss, weil sie nicht sicher töten. Aber auch bei Giften, z.B. bei den Antikoagulantien, bestehen Zweifel an der Schmerzlosigkeit des Todeseintritts. Ihr Einsatz könnte bei Nagern verboten werden. Sollte auch bei Insekten Empfindungsfähigkeit nachgewiesen werden, hätte der Verzicht auf Gifte allerdings unabsehbare Konsequenzen.

Schädlingsbekämpfung ist für Lebensmittelbetriebe eine Verpflichtung. Sie wird von dafür eigens ausgebildeten Schädlingsbekämpfern vorgenommen, die die Chemikalienverbotsverordnung und die Gefahrstoffverordnung genau kennen. Wurden Schädlingsbekämpfungsmittel ausgebracht, kann es zu Kontaminationen von Lebensmitteln kommen. In der Rückstandshöchstmengen-Verordnung sind deshalb u.a. Höchstmengen für Schädlingsbekämpfungsmittel (z.B. Permethrin) festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen. Kommt es zu behördlich angeordneten Entseuchungen, so dürfen nach dem Infektionsschutzgesetz nur Mittel und Verfahren verwendet werden, die von der zuständigen Bundesoberbehörde im Bundesgesundheitsblatt bekannt gemacht wurden. Für den Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln gelten noch weitere Gesetze und Verordnungen, u.a. das Chemikaliengesetz und die Lebensmittelhygiene-Verordnung.

Nicht nur zur Bekämpfung der Schädlinge, sondern vor allem zur Früherkennung eines Befalls und zur Abschätzung der Befallsstärke dienen Lockstoff- und Klebefallen. Die meist verwendeten Fallen machen sich die von den Insekten selbst produzierten Lockstoffe, die Pheromone, zunutze. Bei Motten wirken diese Pheromone als Sexuallockstoff und dienen der Partnerfindung. Das paarungsbereite Weibchen lockt mit seinem Duftstoff männliche Tiere an. Die mit künstlich hergestellten Pheromonen versehenen Mottenfallen fangen also nur die Männchen. Auch für Käfer, Schaben, Fliegen und Ameisen gibt es solche Pheromonfallen.

Aufgrund betrieblicher Hygiene- und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen kommt es meistens erst außerhalb der Lebensmittelbetriebe auf den Vertriebswegen zum Befall verpackter Lebensmittel durch Schädlinge. Insekten und deren Entwicklungsstadien können entweder durch undichte Stellen in abgepackte Lebensmittel eindringen oder aufgrund ihrer kräftigen Mundwerkzeuge sämtliche marktgängigen Packmittel aus Karton, Papier, Kunststoff- und Verbundfolien durchnagen. Hauptschädling in Deutschland ist die Dörrobstmotte, deren Eilarven noch durch 0,15 mm kleine Öffnungen in die Packungen eindringen können. Käfer spielen bei der Befallsreklamation durch den Verbraucher eine untergeordnete Rolle. Der Brotkäfer ist hier der häufigste Schädling. Schwachstellen bei Folienbeuteln sind die Schweiß- und Siegelnähte, durch die Schädlinge eindringen können. Faltschachteln sind häufig undicht; Zellophan- und Papiertüten sind in keinem Fall insektendicht. In Forschungsinstituten wird in Zusammenarbeit mit der Industrie nach besseren Lösungen für insektendichte Verpackungen gesucht.

Das weltweit am häufigsten vorkommende Ungeziefer sind die Schaben. In Lebensmittelbetrieben können Wärme, Wasser, Nahrung und Verstecke günstige Voraussetzungen für ihre Massenvermehrung sein. Um sie dauerhaft zu eliminieren, sind gute Kenntnisse der Besonderheit ihrer Fortpflanzung wichtig. Die Embryonen in den Eipaketen kann man z.B. nicht mit Insektiziden vernichten. Stand der guten fachlichen Praxis ist das Ausbringen einer Vielzahl kleiner Gelköderportionen an bevorzugten Aufenthaltsplätzen von Schaben. Alle Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen – nicht nur die von Schaben – sollten Bestandteil des Schädlingsmanagementsystems IPM (Integrated Pest Management) sein, das die Befallsanalyse, die Tilgung, die Prophylaxe, das Monotoring und die Dokumentation umfasst.

Auf dem Workshop in Fulda kommen weitere Schädlingsbekämpfungsmethoden zur Sprache, z.B. die Wärmeentwesung ohne Gift. So können schädliche Insekten einschließlich ihrer Eiablagen und Larven bei Temperaturen über 48°C innerhalb weniger Stunden abgetötet werden, weil ihr körpereigenes Eiweiß und ihre Enzyme gerinnen. Die Erwärmung erfolgt langsam im Umluftverfahren. Hitzeschäden sollen durch die direkte und automatische Temperaturregelung vermieden werden. Eine weitere Alternative ist die Druckentwesung mit Kohlensäure (Kohlendioxid). Dieses Gas ist toxikologisch unbedenklich und schont das Produkt, es ist also auch für empfindliche Warengruppen wie Heilkräuter anwendbar. Durch verstärkte Lösung von Kohlendioxid in der Körperflüssigkeit bei Druckanwendung (Bildung von Kohlensäure) übersäuert der Zellsaft und die Hämolymphe der Insekten. Der Druckeffekt wirkt analog der sogenannten „Taucherkrankheit“ und natürlich ist der Sauerstoffentzug von Bedeutung. Die Insekten sind allerdings unterschiedlich widerstandsfähig gegenüber einer solchen Druckbehandlung. Wegen ihres guten Durchdringungsvermögens sind auch andere Gase bei der Schädlingsbekämpfung häufig Mittel der Wahl. Neben Kohlendioxid sind für den Vorratsschutz derzeit Phosphorwasserstoff, Phosphorwasserstoff entwickelnde Mittel und Stickstoff zugelassen. Phosphorwasserstoff als aktives Biozid hat die kürzeste Einwirkzeit, darf aber nur von geprüften Begasungsleitern mit Befähigungsschein und nur dann angewendet werden, wenn sich keine Menschen in der direkten Umgebung aufhalten. Der Ökolandbau lehnt die Behandlung von Produkten mit Phosphorwasserstoff ab.

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

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