Darmkrebs ist schon in seiner Vorstufe zu beseitigen

Neuheiten in Sachen Vorsorge laufen der Koloskopie noch nicht den Rang ab

Jährlich erkranken in Deutschland rund 57.000 Menschen an Darmkrebs, etwa 30.000 sterben an dieser Krankheit – und das, obwohl dieser Krebs bei entsprechender Vorsorge nahezu hundertprozentig verhindert werden könnte. Deshalb nutzt die vom Felix-Burda-Verlag etabliere Stiftung „Lebensblicke“ den März 2004 als ’’Darmkrebsmonat ’’, um erneut auf diese Problematik aufmerksam zu machen.

Engagiert in der Stiftung hat sich auch Prof. Dr. Joachim Mössner, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit den Fachbereichen Gastroenterologie und Hämatologie/Onkologie des Universitätsklinikums Leipzig. Er fungiert als Fortbildungsbeauftragter im Freistaat Sachsen.

Etwa 90 Prozent der Darmkrebserkrankungen entwickeln sich aus zunächst gutartigen Polypen. Durch weitere Mutationen in den Schleimhautzellen entsteht im Laufe der Jahre aus einem Polyp ein bösartig wachsender Darmkrebs. Vor allem Menschen ab dem 50. Lebensjahr erkranken an dieser schleichenden und gefährlichen Krankheit. Das höhere Alter ist also ein wichtiger Risikofaktor. Aber auch junge Menschen kann es treffen. Experten gehen davon aus, dass etwa dreißig Prozent der Darmkrebserkrankungen auf ein familiäres Risiko zurückgehen.

„Darmkrebs ist der zweithäufigste bösartige Tumor bei Frauen und Männern. Aber bei all der Dramatik hat er gegenüber den anderen Krebsformen einen entscheidenden Vorteil: Im Darmpolypen existiert eine Vorform, die problemlos und schmerzfrei beseitigt werden kann. Dadurch entsteht erst gar kein Krebs“, betont Mössner. „Das ist eine unglaubliche Chance – aber nur 20 Prozent der Männer und nicht die Hälfte der Frauen nutzen sie, indem sie sich auf diese Polypen hin untersuchen lassen. Diese Zurückhaltung ist für jemanden, der die Leiden, der an Darmkrebs erkrankten Patienten kennt, nicht zu begreifen. Ich betreue derzeit als Doktorvater eine Dissertation, in der es darum geht, festzustellen, wie viele derer, die operiert werden mussten, jemals an Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben. Ich vermute, dies werden die Wenigsten sein.“

Zur Früherkennung gibt es mehrere Wege. Einerseits wird der Stuhl untersucht, ob Blut auf aufgerissene Polypen schließen lässt. Da aber diese Schleimhautausstülpungen nicht immer bluten, kann durch den Okkultbluttest nur ein reichliches Viertel der Polypen aufgespürt werden. „Wenn jedoch ein Hausarzt solch einen Test jedes Jahr anregen würde – teilweise bezahlen das die Kassen, er ist aber für Selbstzahler auch nicht teuer – wäre schon viel gewonnen. Wenn der Test positiv ausfällt, also Blut im Stuhl festgestellt wird, muss sofort der Darm selbst untersucht werden“, erläutert Mössner und warnt zugleich vor den neuen Selbsttests aus der Apotheke, die höhere Sensitivität versprechen. „Es soll damit ein Enzym aus dem Krebsgewebe nachgewiesen werden.

Aber noch gibt es keine ausreichenden Vergleiche zwischen den verschiedenen Testmethoden, so dass ich als Patient auf das Bewährte nicht verzichten würde.“
Der sicherste Weg ist jedoch die Koloskopie, die Darmspiegelung. Die Krankenkassen bezahlen diese, wenn nicht schon vorher Gründe zu dieser Untersuchung gegeben sind, ab dem 56. Geburtstag und dann noch einmal zehn Jahre später. Bei dieser Untersuchung wird mittels eines biegsamen dünnen Endoskops eine Mikrokamera in den Darm eingeführt.

In jüngster Zeit macht die Kolografie von sich reden. Das ist eine als Computertomografie oder Magnetresonanztomografie durchgeführte virtuelle Darm“spiegelung“. „Ich sehe sie allerdings noch nicht als echte Alternative zur klassischen Koloskopie mit dem Endoskop“, so Mössner. „Auch der Patient, der sich vom Computer untersuchen lässt, muss nämlich schon am Vortag beginnen mit Abführmitteln seinen Darm zu reinigen. Und das ist nach meinen eigenen Erfahrungen der unangenehmere Teil der ganzen Prozedur. Erst wenn einmal der Computer im gefüllten Darm Polypen sicher von Stuhl unterscheiden kann, ist er einen Schritt voraus. Eines allerdings wird der Computer nie können: Die entdeckten Polypen auch noch entfernen, was ja bei der Koloskopie mit einer kleinen Schlinge problemlos gleich mit erledigt werden kann. Werden also bei der virtuellen Kolografie Polypen entdeckt, kommt der Patient um die Einführung von Kamera und Schlinge in seinen Darm ohnehin nicht herum. Eine weiter bisherige Schwäche der virtuellen Untersuchung ist, dass Entzündungen der Darmwand nicht entdeckt werden können.“

Auch die klassische Darmspiegelung ist noch nicht am Ende mit ihren Möglichkeiten. Eine Neuentwicklung, so Prof. Mössner, ist die auch im Dickdarm mögliche Chromo-Endoskopie. Hierbei wird während der Untersuchung Farbstoff auf die Schleimhaut gesprüht, wodurch Veränderungen noch besser sichtbar werden. Neu ist auch die Nutzung von Lupen-Endoskopen, mit deren Hilfe im Körperinneren kleinste Gewebeveränderungen untersucht werden können.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Joachim Mössner
Telefon: o341 98 12200
E-Mail: moej@medizin.uni-leipzig.de

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Dr. Bärbel Adams idw

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