Wahrnehmung von Schmerzen wird durch frühere Schmerzereignisse beeinflusst

Mechanismen des Lernens vom Tiermodell auf den Menschen übertragen – Prozess bei chronischen Schmerzpatienten eventuell verselbstständigt

Die Wahrnehmung von Schmerzen als stärker oder schwächer kann durch ein vorangegangenes Schmerzereignis beeinflusst werden. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zeigen in einer Veröffentlichung des renommierten Journal of Neuroscience, dass die – für die Wahrnehmung des Schmerzes verantwortliche – Übertragung elektrischer Impulse an den Verbindungen der Nervenzellen im Rückenmark über eine lange Zeit gesteigert oder abgeschwächt werden kann und zwar in Abhängigkeit von der Art des vorangehenden schmerzhaften Reizes. Damit konnte ein zelluläres und tierexperimentelles Modell für synaptische Plastizität, das diesen Prozess der Schmerzübertragung erklären könnte, nun auch auf den Menschen übertragen werden. Die Erkenntnisse könnten nach Darstellung von Dr. Thomas Klein vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie unter anderem auch für das Verständnis von chronischen Schmerzen hilfreich sein und die Wirkung bestimmter Behandlungs-methoden wie z.B. Akupunktur erklären.

Die Erforschung von Langzeitpotenzierung (LTP) und Langzeitdepression (LTD) synaptischer Übertragungsstärke ist Gegenstand intensiver Bemühungen bei der Klärung von Mechanismen synaptischer Plastizität, welche als grundlegende Prozesse für Lernen und Gedächtnisbildung angesehen werden. Bislang fehlen allerdings noch direkte Belege, welche Rollen LTP und LTD bei der Initiierung und Modulation des menschlichen Verhaltens spielen. In der Arbeit „Perceptual correlates of nociceptive long-term potentiation and long-term depression in humans“ (J Neurosci. 2004 Jan 28;24(4):964-71) von Dr. Thomas Klein aus der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede am Institut für Physiologie und Pathophysiologie wird dieser Zusammenhang anhand des schmerzverarbeitenden (nozizeptiven) Systems untersucht.

Dabei machten die Autoren die Beobachtung, dass bestimmte hoch- bzw. niederfrequente elektrische Reizprotokolle, die im Tiermodell entweder LTP oder LTD auslösen, beim Menschen einerseits zu einer LTP-ähnlichen, lang andauernden Zunahme der Schmerzwahrnehmung (Hyperalgesie; nozizeptive LTP), andererseits zu einer LTD-ähnlichen, lang andauernden Abnahme der Schmerzwahrnehmung führten (Hypoalgesie; nozizeptive LTD).

Die LTP-ähnliche Zunahme der Schmerzwahrnehmung ist wahrscheinlich an der Chronifizierung von bestimmten Schmerzprozessen beteiligt, bei denen Patienten über lange Zeit Schmerzen erleben, obwohl das auslösende Ereignis oft schon Jahre zurückliegt und keine organischen Defekte zurückgeblieben sind. Möglicherweise bildet die Langzeitpotenzierung der synaptischen Übertragung die neu-robiologische Grundlage für diese über Jahre gesteigerte Schmerzwahrnehmung. Dagegen scheinen die LTD-ähnlichen Prozesse zu schmerzlindernden Effekten (Analgesie) beizutragen, die bei der erfolgreichen Behandlung von Schmerzen durch die sogenannte transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) oder aber auch bei bestimmten Formen der Akupunktur auftreten können. Die Autoren hoffen, mit den in ihrer Arbeit aufgezeigten Mechanismen einen Beitrag für die Aufklärung der Rolle von LTP und LTD beim Menschen im Allgemeinen und – im Bezug auf das nozizeptive System – einen weiteren Schritt zu einem besseren Verständnis der Mechanismen chronischer Schmerzen geleistet zu haben.

Kontakt und Informationen:

Institut für Physiologie und Pathophysiologie
Dr. Thomas Klein
Tel. 06131 39-20177, Fax -25902
E-Mail: thoklein@uni-mainz.de

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Dr. Thomas Klein idw

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