Stoffwechselmüll, der die Sehkraft zerstört

Das retinale Pigmentepithel (RPE) baut die sich ständig erneuernden Membranscheibchen (Außensegmente) der Photorezeptoren (Lichtsinneszellen) ab. Im Alter werden unverdauliche Proteine als Lipofuszin abgelagert; die Netzhaut wird dadurch zerstört.

Ursachen der Makuladegeneration auf der Spur: Was ist im Lipofuszin? / Preisgekrönte Forschungsarbeiten der Universitäts-Augenklinik Heidelberg

Warum verliert die Stelle des schärfsten Sehens in der Netzhaut, die Makula, im Alter häufig ihre Funktion? Dr. Florian Schütt von der Universitäts-Augenklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Hans E. Völcker) hat molekulare Mechanismen entdeckt, die zur Entwicklung der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) beitragen. Für seine Forschungsarbeiten wurde der Heidelberger Mediziner im Rahmen der 101. Tagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Berlin mit dem Forschungspreis 2003, gestiftet von der Firma Bausch & Lomb GmbH, ausgezeichnet. Die Forschungsarbeiten von Dr. Schütt gehören zum Schwerpunktprogramm AMD der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Koordinator: Prof. Dr. Frank G. Holz).

In Deutschland leiden etwa zwei Millionen Menschen an einer AMD. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist mit einer deutlichen Zunahme zu rechnen. Schon heute ist die AMD in den Industrienationen die häufigste Ursache für einen Verlust der zentralen Sehschärfe ab dem 50. Lebensjahr. Betroffene sehen die Umgebung verzerrt oder nehmen zentral einen weißen, grauen oder schwarzen Fleck war; sie können nicht mehr lesen, Gesichter erkennen und Auto fahren.

Proteine im Lipofuszin identifiziert / Medikamente zur Vorbeugung?

Welche biochemischen Prozesse führen zur AMD? Das Pigmentepithel, die Zellschicht unmittelbar zwischen Netzhaut (Retina) und Aderhaut, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Pigmentepithelzellen, die Ernährungszellen der Netzhaut, sorgen dafür, dass die lichtempfindlichen Sinneszellen (Photorezeptoren) funktionstüchtig bleiben: Sie nehmen ihre sich ständig erneuernden Membranscheibchen auf und verdauen sie. Mit zunehmenden Alter schaffen die Epithelzellen es nicht mehr, alle Scheibchen vollständig zu verdauen, so dass sich Stoffwechselprodukte ansammeln. Diese unverdaulichen Biomoleküle werden in ihrer Summe als „Lipofuszin“ bezeichnet. Lipofuszin ist toxisch und phototoxisch – und führt durch Schädigung des Pigmentepithels zum Untergang der Netzhaut.

Aus welchen Bestandteilen sich Lipofuszin im einzelnen zusammensetzt, ist bislang nicht bekannt. Dr. Schütt gelang es in Zusammenarbeit mit Privatdozent Dr. Jürgen Kopitz (Abteilung Molekulare Pathologie, Universitätsklinikum Heidelberg), Dr. Martina Schnölzer und Dr. Barbara Überle (Zentrale Proteinanalytik des DKFZ), die Lipofus-zingranula aus dem Pigmentepithel zu isolieren, zu reinigen und ihre Proteinbestandteile zu identifizieren. „Dies stellt einen ersten Schritt zur Charakterisierung von Molekülen dar, die an der Entstehung der AMD beteiligt sind“, erläutert Dr. Schütt. “ Nun können wir besser erklären, wie es zur Entstehung dieser Ablagerungen kommt.“

Sauerstoff und UV-Strahlung schädigen Proteine in der Netzhaut

Dafür scheinen zwei Faktoren ein wesentliche Rolle zu spielen. Das Auge ist das sauerstoffreichste Organ des Körpers und ist kurzwelliger, energiereicher ultravioletter Strahlung in großem Umfang ausgesetzt. Dadurch werden im Auge vermehrt Sauerstoffradikale gebildet, die Schäden an den Molekülen der Photorezeptorzellen setzen. Es kommt zur Oxidation, Peroxidation und Vernetzung von Proteinen und ungesättigten Fettsäuren in den Membranstapeln der Lichtsinneszellen. Werden diese Proteine von den Zellen des benachbarten Pigmentepithels aufgenommen, können sie nicht mehr vollständig abgebaut werden und reichern sich als Lipofuszingranula an. Vermutlich tragen diese zur Entstehung der Lipofuszingranula bei und schädigen in ihrer Gesamtheit den Stoffwechsel des Pigmentepithels.

Diese neuen Erkenntnisse vertiefen das Verständnis der Entstehung der AMD sowie anderer Erkrankungen, die ebenfalls mit vermehrter Lipofuszinspeicherung einhergehen, z.B. des Morbus Stargardts, der häufigsten erblichen Makuladystrophie. Die Ergebnisse können somit zur Entwicklung von Medikamenten beitragen, die gezielt in die molekularen Abläufe der Krankheitsentstehung am Auge eingreifen.

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