Tod durch schwere Blutvergiftung?

Internationale Expertenrunde stellt neue Empfehlungen zur Behandlung vor

Die schwere Blutvergiftung, in der medizinischen Fachsprache „Sepsis“ genannt, fordert nach Expertenschätzungen jedes Jahr allein in Deutschland 40 000 Menschenleben. „Diese enorm hohe Sterblichkeit können und dürfen wir als Ärzte nicht länger hinnehmen,“ sagt Prof. Dr. med. Herwig Gerlach, Berlin.

Er ist europäischer Repräsentant der weltweiten Surviving Sepsis Campaign, die die Sepsis-Sterblichkeit innerhalb von fünf Jahren um ein Viertel reduzieren will. „Seit kurzer Zeit erst verfügen wir über eine Reihe neuer Erkenntnisse und medizinischer Möglichkeiten, mehr Menschen mit schwerer Sepsis überleben zu helfen. Damit diese Möglichkeiten optimal eingesetzt werden, haben wir jetzt neue Behandlungsempfehlungen erarbeitet,“ erläutert Gerlach. Je früher die Sepsis erkannt und je früher ein Patient mit schwerer Sepsis lebensrettende Therapien erhalte, desto größer seien seine Überlebenschancen.

Im Rahmen des europäischen Kongresses für Intensivmedizin in Amsterdam stellten die Mediziner ihre neuen globalen Behandlungsempfehlungen vor. Sie sind das gemeinsame Arbeitsergebnis von neun führen- den internationalen Fachgesellschaften und Organisationen, eine in der Medizin bisher einmalige Kooperation. „Die Therapie von Patienten mit schwerer Sepsis ist sehr kompliziert,“ erklärt Prof. Gerlach aus Berlin sein Engagement in der Surviving Sepsis Campaign. „Da wir die Überlebensrate in den nächsten fünf Jahren weltweit um 25 Prozent verbessern wollen, haben wir Empfehlungen für eine verbesserte Therapie dieser schwer kranken Menschen erarbeitet und wollen außerdem das Bewusstsein für die Erkrankung in der Öffentlichkeit stärken.“ Die neuen Behandlungsleitlinien sollen die Sepsisbehandlung weltweit vereinheitlichen, die Qualität der Versorgung anheben und sicherstellen, dass den Patienten überall dort, wo sie behandelt werden, eine optimale Versorgung und die neuesten Erkenntnisse und Therapien gegen diese tödliche Krankheit zugute kommen. Deshalb sollen nach den Leitlinien solche Verfahren und Medikamente rechtzeitig und ausreichend zum Einsatz kommen, deren lebensrettende Wirkung wissenschaftlich erwiesen ist. Die schwere Blutvergiftung oder Sepsis ist eine dramatisch verlaufende, lebensbedrohliche Erkrankung. Sie kann jeden treffen, unabhängig von Alter oder Geschlecht. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa so viele Menschen an schwerer Sepsis wie an Brustkrebs oder Darmkrebs zusammen! Eine schwere Sepsis kann sich aus einem einfachen Erkältungsinfekt entwickeln oder als Komplikation einer Lungenentzündung oder einer größeren Operation auftreten.

Innerhalb von Stunden überschwemmen dann infektiöse Keime den gesamten Organismus, das Immunsystem kann die Infektion nicht mehr kontrollieren und die Blutgerinnung gerät aus dem Gleichgewicht – bis hin zum Versagen von Organen wie Niere, Lunge oder Herz, mit tödlicher Folge für den Patienten. Vor wenigen Jahren noch gab es außer Antibiotika keine Therapie. Heute stehen den Ärzten auf Intensivstationen auch neue Verfahren und Medikamente zur Verfügung, die dazu beitragen, dass mehr Patienten mit schwerer Sepsis überleben. So zum Beispiel bestimmte Beatmungsstrategien, Nierenersatzverfahren, frühzeitige hämodynamische Optimierung und Insulingabe. Seit einem Jahr gibt es außerdem ein spezielles Sepsis-Medikament, das Aktivierte Protein C, das die Überlebenschancen deutlich verbessert. Niedrig dosiertes Hydrocortison senkt ebenfalls in vielen Fällen die Sterblichkeit beim schweren septischen Schock. Die Behandlung der Sepsis ist allerdings sehr komplex, und jedes Krankenhaus oder jede Intensivstation hat derzeit noch unterschiedliche Standards für die Sepsis-Therapie.

„Deshalb liegt uns am Herzen, dass Ärzte und Pfleger die Sepsis noch besser verstehen lernen, dass sie noch früher erkennen, ob ein Patient septisch wird, und die Behandlung so früh wie möglich beginnen“, sagt Prof. Gerlach. „Mit den neuen globalen Therapieleitlinien und Fortbildungsangeboten wollen wir sie im Kampf gegen die Sepsis aktiv unterstützen.“ Die Leitlinien werden voraussichtlich im Frühjahr 2004 veröffentlicht. Sie werden auch von der Deutschen Sepsis-Gesellschaft unterstützt.

Anfragen richten Sie bitte direkt an:

Surviving Sepsis Campaign Deutschland
Prof. Dr. med. Herwig Gerlach
Vivantes-Klinikum Neukölln Klinik für Anästhesie, operative
Intensivmedizin und Schmerztherapie
Rudower Straße 48
12313 Berlin
Tel.: 030-6004-2361
Fax: 030-6004-2497
E-Mail: herwig.gerlach@vivantes.de

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