Proteom Forscher der Universität Magdeburg erhält USA Patente auf dem Gebiet Amyotrophe Lateral Sklerose (ALS)

Walter Schubert, Hochschullehrer, Gründer und Gesellschafter der Meltec GmbH hat heute erklärt, dass er drei US-amerikanische Patente auf dem Gebiet der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) erhalten habe. ALS ist eine fatal verlaufende neurologische Erkrankung, deren Ursache bislang nicht bekannt ist. Sie betrifft selektiv nur motorische Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark, während der Intellekt in der Regel völlig intakt bleibt. ALS ist eine tödliche Krankheit, mit einer mittleren Krankheitsdauer von zwei bis vier Jahren. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien treten in der Regel Atembeschwerden auf, da die respiratorische Muskulatur zunehmend gelähmt wird. Einen Tod durch Ersticken vor Augen, stellt dann der Umgang mit der Krankheit für Arzt und Patient ein gravierendes Problem dar.

„ALS“, so Walter Schubert, „ist eine der grausamsten Krankheiten, mit denen ich je konfrontiert worden bin.“ Ähnlich äußert sich der britische Spezialist W. B. Mathiews in einem Artikel im Oxford Textbook of Medicine über ALS: „Ich habe niemals eine assistierte Beatmung durch Tracheotomie oder endotracheale Intubation angewandt, da dies nur dazu dienen würde, ein unerträgliches Leben zu verlängern. Die finalen Stadien erfordern die Applikation z.B. von Morphinen.“ Bis heute gibt es keine effektive Therapie, die die Krankheit stoppen könnte.

Die neuen Patente gründen sich auf den Einsatz der patentierten und von Schubert entwickelten MELK Technologie, die es erstmals ermöglicht, Proteinnetzwerke direkt in morphologisch intakten Zellen und Geweben zu identifizieren. Mit diesem Verfahren entdeckte Schubert bei ALS ein bei Gesunden nicht vorkommendes Rezeptor Protein Cluster der Zelloberfläche, das offenbar zu abnormen Zell- Zell Kontakten zwischen Immunzellen und Nervenzellen führt. Ein hervorstechendes Protein dieses Clusters ist der Fcgamma RIII Rezeptor, der in den neuen Patenten als Target Protein beschrieben wird. Darüber hinaus beschreiben die Patente Substanzen, die die krank machenden (pathogenen) Wechselwirkungen zwischen den genannten Zelltypen blockieren sollen.

Aufgrund langjähriger Erfahrungen mit ALS Patienten hatte sich Schubert zum Ziel gesetzt, die ALS insbesondere mit Hilfe der neuen MELK Technologie zu erforschen und – wenn möglich – neue therapeutische Ansätze zu finden. Anlässlich eines Treffens der American ALS Association vor zwei Jahren in Philadalphia (USA), bei dem ca. dreißig ALS Forscher zusammenkamen, um neue Wege der ALS Therapie zu beraten, hatte Schubert angesichts der Dramatik dieser Krankheit ausgewählten Wissenschaftlern gegenüber von dem von ihm gefundenen Fcgamma Rezeptor-abhängigen Protein Cluster bei ALS berichtet. Inzwischen hat der amerikanische Neurologe Stan Appel (ALS Center, Baylor College of Medicine, Houston, USA) Experimente mit einer Maus – der sogenannten Knock Out (K.O.) Maus – durchgeführt, der das von Schubert gefundene Fcgamma Protein fehlt. Eine Serie von Experimenten ließ darauf schließen, daß der genannte Rezeptor offenbar entscheidend an der ALS-bedingten Schädigung von Nervenzellen beteiligt ist: Die K.O. Mäuse, denen dieser Rezeptor fehlt, entwickelten nach Übertragung von ALS Immunglobulinen keine Veränderungen der motorischen Vorderhornzellen, während normale Mäuse, die über diesen Rezeptor verfügen, nach Übertragung solcher Immunglobuline charakteristische Veränderungen dieser Nervenzellen aufwiesen. Bei den motorischen Vorderhornzellen handelt es sich um gerade diejenigen Nervenzellen, die die Willkürmotorik ermöglichen und bei ALS-Kranken fortschreitend zerstört werden.

„Diese Zusammenhänge sind in dreierlei Hinsicht wichtig“, erläutert Schubert. „Erstens zeigen sie, dass durch die Analyse des Protein- Kontextes in Zellen mittels der MELK Technologie korrekte Vorhersagen zur pathogenetischen Bedeutung des gefundenen Proteins getroffen wurden, da ein unabhängiges Knock-Out Experiment die Vorhersage bestätigt hat. Zweitens legen sie nahe, dass dieses Prinzip der Target Suche mittels MELK direkt im kranken Gewebe bzw. in betroffenen Zellen des Patienten generalisiert, d.h. auch auf andere Krankheiten erweitert werden kann, und drittens eröffnen sie neue Wege der Therapie der ALS“.

Im Jahre 2001 veröffentlichten Lehmann Brothers und McKinsey eine Studie („The fruits of Genomics“), die nachwies, dass der Net Present Value pro Target/NCE Programm pro „average company“ von 264 Mio. USD in 1995 („classical model“) auf 34 Mio USD („emerging model“) gesunken ist, obwohl die durchschnittliche Zahl der Targets in den Pipelines der Pharmazeutischen Industrie in diesem Zeitraum von ca. 50 auf 200 pro Jahr in 2001 gestiegen war. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der eigentliche Treiber dieses gravierenden ökonomischen Problems schlechte Target Selektion ist, d.h. die gegenwärtig eingesetzten Methoden, z.B. die sogenannte „Large Scale Expression Profiling“ Methoden, sind nicht hinreichend, um krankheitsrelevante Target Proteine in Zellen zielsicher aufzuspüren. „Diese Schwierigkeiten können nunmehr sehr wahrscheinlich mittels der MELK Technologie aktiv überwunden werden, wie das Beispiel der Target Suche bei ALS zeigt“, sagt Schubert.

„Proteine in der Zelle sind nicht stochastisch verteilt, sondern in Form von Protein Netzwerken räumlich hoch organisiert: Jedes Protein muss zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Konzentration am richtigen Ort sein, um mit anderen Proteinen, für die dieselben Regeln gelten, ein funktionierendes Netzwerk zu bilden, das erst das korrekte Arbeiten der Zelle ermöglicht“, erläutert Schubert. In solchen Netzwerken seien Proteine strikt hierarchisch angeordnet. Es gebe Proteine, die ihre Netzwerke anschalten oder abschalten. Andere Proteine stünden niedriger in der Hierarchie. Sie modifizierten die Funktion des Netzwerkes, z.B. im Sinne einer Verlangsamung oder Beschleunigung der Interaktion der Netzwerkproteine. „Diese wesentlichen Informationen zur zellulären Funktion der Proteine können nicht mit Hilfe der ’Large scale expression profiling’ Verfahren gewonnen werden, da hier die Zellen zerstört werden müssen, um die durchschnittliche Konzentration der Proteine zu ermitteln.“ „Nur durch ein direktes Ablesen der Proteinhierarchien direkt im kranken Gewebe“, so Schubert weiter „können krankheitsspezifische Mechanismen und Target Proteine gefunden werden. Die MELK Technologie stellt derzeit das einzige Instrument für derartige Analysen dar“.

Insbesondere im Falle der ALS seien alle Anstrengungen zu unternehmen, den jetzt gefundenen Mechanismus weiter aufzuklären und eine Therapie zu entwickeln.

„Die Erfolge, die hier zu verzeichnen sind, sind entscheidend der langjährigen Förderung der Forschung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch das Land Sachsen-Anhalt zu verdanken“, so Schubert. Um die interdisziplinäre Kooperation und den Diskurs u.a. auf dem Gebiet der MELK Technologie zu beschleunigen, organisiert Schubert eine internationale Konferenz, die vom 24.-27. September 2003 in Magdeburg stattfinden wird (http://www.meltec.conference.de). „Ich freue mich, dass sehr renommierte Wissenschaftler zu dieser Konferenz beitragen werden, wie z.B. Gerd Binnig, der Erfinder des Raster Tunnel Mikroskops und der ’Cognition Network’ Technologie, sagt Schubert.

Kontakt:
Dr. med. Walter Schubert
Hochschuldozent Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Mustererkennung
Institut für Medizinische Neurobiologie
ZENIT Gebäude
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Tel: +49-391-6117174; +49-171-3217053
Fax: +49-391-6117176
E-Mail: Schubert@pc.mdlink.de

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Weitere Informationen:

http://www.meltec.conference.de

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