Chance auf Heilung auch für ältere Leukämie-Patienten

Analyse von Jenaer Tumorexperten belegt gleiche Erfolgsaussichten von Knochenmarktransplantationen bei schonenderem Therapieverfahren

Jena (30.06.03) Auch ältere oder durch Infektionen und eingeschränkte Organfunktionen geschwächte Leukämie-Patienten haben bei einer Knochenmarktransplantation gute Aussichten auf Heilung. Lange Zeit wurde dies auf Grund der großen Belastungen, denen der Organismus bei dieser Therapie ausgesetzt ist, ausgeschlossen. Dass aber auch mit einer reduzierten Vorbehandlung gleiche Heilungschancen erzielt werden können, belegt eine unter Federführung von Medizinern des Jenaer Universitätsklinikums aktuell in der Fachzeitschrift „Bone Marrow Transplantation“ (Nr. 31/2003) veröffentlichte Studie.

Eine Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation ist für viele Patienten mit akuter oder chronischer Leukämie die aussichtsreichste Form der Behandlung. Jährlich erkranken etwa 5 von 100.000 Deutschen an diesen Krebserkrankungen des Blutes. Einige Formen treten dabei verstärkt erst nach dem 45. Lebensjahr auf.

In der Studie wurden in Kooperation mit acht deutschen Knochenmark-Transplantationszentren über zwei Jahre die Heilungserfolge von 112 Patienten mit akuter Leukämie dokumentiert, die auf Grund eines höheren Lebensalters oder einer schlechten allgemeinen Verfassung statt der herkömmlichen klassischen Therapie eine „reduzierte Konditionierung“ unmittelbar vor der Transplantation erhalten haben.

„Die Analyse zeigt, unsere Patienten haben bei verringerten Belastung die gleichen Heilungsaussichten wie mit der klassischen Methode“, betont Dr. Herbert Sayer, Leiter der Knochenmarktransplantations-Station am Universitätsklinikum Jena und Erstautor der Publikation. Möglich geworden ist die Reduzierung erst durch den seit einigen Jahren gebräuchlichen Einsatz von Blutstammzellen anstelle von Knochenmark. „Die Menge der gewonnenen Blut-Stammzellen ist deutlich höher als die Menge der Stammzellen aus dem Knochenmark der Spender“, erklärt der Oberarzt der Universitätsklinik für Blut- und Krebskranke in Jena. „Blutstammzellen haben daher das Potenzial, auch bei etwas geringerer Vorbehandlung genauso gut von den Patienten angenommen zu werden.“

Bei der „reduzierten Konditionierung“ wird die im Vorfeld der Stammzelltransplantation notwendige Krebstherapie – bestehend aus einer Hochdosis-Chemotherapie zum Teil kombiniert mit einer Ganzkörperbestrahlungen – in einer weniger aggressiven Form umgesetzt. Dabei werden die Betroffenen einer bis um ca. 20 bis 30 Prozent verringerten Dosis ausgesetzt, die individuell auf die jeweilige Verfassung des Patienten abgestimmt wird.

Eine solche weniger aggressive Therapie im Vorfeld schloss nach lange verbreiteter Meinung eine folgende erfolgreiche Knochenmark-Übertragung aus. Die hoch aggressive Hochdosistherapie gilt als grundlegende Voraussetzung für eine Transplantation von Stammzellen: Dadurch wird das kranke Knochenmark der Leukämie-Patienten abgetötet und Platz für das gesunde Transplantat geschaffen. Diese Phase ist sehr kritisch. Eine Abschwächung der Therapie wurde lange mit einer Verringerung der Heilungschancen der Patienten gleichgesetzt.

Durch die eingreifende und gefährliche Vorbehandlung war für viele – insbesondere auch ältere – Patienten diese Therapie nicht geeignet. Vor einigen Jahren noch lautete die Regel: Ab 50 Jahren können Knochenmarktransplantationen nicht mehr erfolgreich durchgeführt werden. Mit der „reduzierten Konditionierung“ hat sich das geändert. Die Analyse zeigt unter anderem: Sogar Patienten über 60 Jahre können mit Erfolg transplantiert werden. Diese Patienten haben nach der angepassten Vorbehandlung ähnliche Nebenwirkungen, aber auch vergleichbare Heilungsraten wie jüngere Patienten mit der klassischen Vorbehandlung.

Im Zusammenspiel mit weiteren Untersuchungen zum Einsatz des neuen Verfahrens bei verschiedenen Leukämie-Formen zeichnet sich jetzt ein Umschwung in der gängigen Praxis ab. „Die belegten Heilungsaussichten trotz Reduktion zeigen zweierlei: Erstens – wir sind auf dem richtigen Weg bei der Behandlung älterer Patienten und zweitens – es wird Zeit, die Art der Hochdosistherapie vor der Transplantation insgesamt zu überprüfen“, fasst Dr. Sayer zwei der Schlussfolgerungen der Analyse zusammen. Als nächsten Schritt soll sich daher eine Überprüfung der Wirksamkeit einer reduzierten Vorbehandlung auch bei jüngeren Leukämie-Patienten anschließen.

Kontakt:
OA Dr. Herbert G. Sayer
Leiter Knochenmarktransplantations-Station
Klinik für Innere Medizin II der Universität Jena
Tel.: 03641 / 939146
E-Mail: herbert.sayer@med.uni-jena.de

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Axel Burchardt idw

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