Osteoporose: Gezielte Diagnostik und minimal-invasive Schmerztherapie

Eine Knochendichtemessung zur Diagnostik von Osteoporose ist nur bei bestimmten Risikopatientinnen sinnvoll, berichten Experten auf dem Deutschen Röntgenkongress in Wiesbaden. Gleichzeitig warnen die Radiologen vor unerprobten Verfahren, die nur die Kassen der Anbieter füllen und Patienten verunsichern. Auch ein neues minimal-invasives Verfahren zur Linderung starker Osteoporose-Schmerzen, die „Vertebroplastie“, die in Deutschland zunehmend Anhänger findet, wird diskutiert.

Schätzungsweise ein Drittel aller Frauen erkrankt nach den Wechseljahren an Knochenschwund (Osteoporose). Männer sind seltener betroffen. In der Altersgruppe zwischen 50 und 79 Jahren diagnostizierten Forscher bei einer europaweiten Studie bei 7,6 Prozent der Frauen und 4,9 Prozent der Männer mindestens einen osteoporotischen Wirbeleinbruch in der Wirbelsäule. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Osteoporose bereits fortgeschritten ist und das Risiko weiterer Brüche besteht. Schon bei harmlosen Stürzen kommt es beispielsweise zu den gefürchteten Oberschenkelhalsfrakturen. Ebenso typisch ist, dass Wirbel der Wirbelsäule schon bei einer leichten Drehung des Oberkörpers wie aus heiterem Himmel in sich zusammensacken. Verformungen der Wirbelsäule und langfristig chronische Schmerzen, wenn weitere Wirbel einbrechen, sind die Folge.

Angesichts der demographischen Entwicklung bedeutet diese Erkrankung nicht nur Behinderung, psychosoziale Einschränkungen, Schmerz und Leid für die Betroffenen, sondern auch erhebliche Lasten für die Volkswirtschaft. Darum ist eine frühzeitige Diagnose und ausreichende Behandlung von großer Bedeutung.

„Radiologische Reihenuntersuchungen zur Knochendichtemessung bei allen Frauen nach dem 60. Lebensjahr wie in den USA sind jedoch unökonomisch“, erklärt Professor Dieter Felsenberg vom Zentrum für Muskel und Knochenforschung des Berliner Universitätsklinikums Benjamin Franklin. Da eine Osteoporose nicht alleine aufgrund einer verminderten Knochenmasse diagnostiziert wird, ist die kurz DXA genannte Knochendichtemessung als Screening-Methode nicht geeignet. Nach Meinung von Experten ist diese Methode nur bei Risikopatientinnen und -patienten sinnvoll.

Als Risikopatienten gelten nach unlängst entwickelten neuen Leitlinien etwa jene Menschen, die bereits einen osteoporotischen Bruch erlitten haben, deren Körpergröße um mehr als vier Zentimeter abgenommen hat, die im Rentenalter und untergewichtig sind, die länger als sechs Monate Kortisonpräparate genommen haben oder die im letzten Halbjahr mindestens zwei Mal ohne äußeren Anlass gestürzt sind. Für diese Betroffenen, da ist sich Felsenberg sicher, dürften die Krankenversicherungen in absehbarer Zeit die Kosten der Knochendichtemessung wieder übernehmen. (Aufgrund des unkritischen Einsatzes der Methode hatte der Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen die DXA vor fünf Jahren aus dem Leistungskatalog gestrichen.) Allerdings müssten die Radiologen noch Standardprotokolle für die Untersuchungstechnik entwickeln.

„Auch die DXA hat jedoch erhebliche Schwächen“, sagt der Berliner Radiologe. In seinen Augen wäre eine CT-Untersuchung sicherlich eine gute Alternative, wenn – ähnlich wie bei der DXA – schon jene Grenzwerte definiert wären, ab denen eine Behandlung erforderlich ist. Die entsprechenden Studien sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Ultraschall-Untersuchung ist Geschäftemacherei. Als „unsinnig und reine Geschäftemacherei“ kritisiert Felsenberg die zunehmende Diagnostik per „quantitativem Ultraschall“, die von manchen Gynäkologen und selbst in Apotheken bereits angeboten wird. „Man mißt zwar etwas, doch man weiß nicht was und verunsichert die Patienten.“ Das Verfahren wird zwar von den Radiologen erforscht, ist jedoch noch weit davon entfernt, dass mit ihm eine Osteoporose sicher diagnostiziert werden kann.

Studien belegen aber auch, dass osteoporotische Wirbelfrakturen sowohl bei einer körperlichen Untersuchung als auch auf Röntgenbildern häufig übersehen oder fehldiagnostiziert werden. Wird ein Knochenbruch festgestellt, ist aber eine genaue Diagnostik wichtig. Das Aussehen einer Fraktur verrät Experten beispielsweise, ob mit weiteren Brüchen zu rechnen ist und wie dringlich behandelt werden muss. „Auf diesem Gebiet haben wir begonnen, Standardprotokolle zu entwickeln“ erklärt Felsenberg, „um die Diagnostik sicherer zu machen.“

Zement gegen den Knochenschmerz. Wenn aufgrund zahlreicher Wirbeleinbrüche die Schmerzen nicht mehr verschwinden, gibt eine neue radiologische minimal-invasive Methode Hoffnung, die „perkutane Vertebroplastie“ (perkutan = durch die Haut; Vertebro = Wirbel). Unter Röntgenkontrolle und örtlicher Betäubung spritzen Ärzte durch eine Kanüle flüssigen Knochenzement in den eingebrochenen Wirbel um ihn zu stabilisieren. Erste Erfahrungen sind vielversprechend. „Die perkutane Vertebroplastie erbringt hervorragende Ergebnisse. Die meisten Patienten verspüren sofort eine deutliche Linderung der Schmerzen bis hin zur Schmerzfreiheit“, lobt Dr. Johannes Hierholzer vom Akademischen Lehrkrankenhaus der Charité in Potsdam die neue Methode.

Das Team um Hierholzer punktiert den gebrochenen Wirbelkörper unter örtlicher Betäubung und füllt zunächst unter Röntgenkontrolle ein Kontrastmittel ein. „Das tun wir, um die Komplikationen so gering wie möglich zu halten“, erklärt der Radiologe. Der bioverträgliche Zement (Polymethylmethacrylat) könnte schlimmstenfalls in den Wirbelkanal oder in große Venen gelangen. Als „Vorhut“ sagt das Kontrastmittel die Verteilung der Flüssigkeit voraus. Erst wenn sichergestellt ist, dass keine gefährlichen Leckagen zu erwarten sind, injizieren die Ärzte den flüssigen Knochenzement in den Wirbelkörper. Das erkaltete Zement stabilisiert den bedrohten Knochenabschnitt und lindert unmittelbar den Schmerz.

Nicht jeder Wirbelbruch darf zementiert werden. Weil wissenschaftliche Studien mit großen Patientenzahlen noch nicht vorliegen, wählen die Ärzte die geeigneten Patienten sehr sorgfältig aus. Sie setzen das Knochenzement bisher nur in ganz genau definierten Fällen ein. Dazu gehören Brüche der Wirbelkörper infolge von Knochenschwund oder Knochenmetastasen. Auch akute Brüche von Wirbelkörpern können behandelt werden, wenn ein konservativer Therapieversuch fehlschlug.

Eine relative Kontraindikation ist die unterbrochene Hinterkante des zu behandelnden Wirbelkörpers. Andernfalls könnte das Zement in den Wirbelsäulenkanal laufen.

Auf keinen Fall dürfen Patienten mit sichtbaren bakteriellen Infektionen, mit bekannten Allergien gegen die Inhaltsstoffe oder mit knochenbildenden Metastasen eine Vertebroplastie bekommen. Wirbelsäulenschmerzen, die nicht durch Wirbelbrüche ausgelöst wurden, sind nicht mit der Vertebroplastie therapierbar. Die Experten empfehlen die Methode nur bei Patienten über 60 Jahre. Der Grund: „Wir haben noch keine ausreichenden Informationen über die Langzeitverträglichkeit“, erklärt Hierholzer.

In Deutschland noch wenig verbreitet. Obwohl das Verfahren schon vor 15 Jahren erstmals beschrieben wurde, ist es in Deutschland noch kaum verbreitet. Im Jahr 2002 wurden hierzulande etwa 1000 Patienten mit der „Zementspritze“ behandelt. Die Ergebnisse sind gut: Bei mehr als Dreiviertel der Patienten registrieren die Mediziner eine deutliche Schmerzlinderung oder Schmerzfreiheit. Erfahrungen von über 600 Patienten in den Jahren 1990 bis 2001 bestätigen diese Erfolgsrate. Die Linderung der Schmerzen hielt bis zu 10 Jahre an. Um die ausgezeichneten klinischen Ergebnisse auch wissenschaftlich zu belegen, ist zur Zeit in Deutschland eine größere Studie in Vorbereitung, an der sich mehrere Kliniken beteiligen.

Rückfragen an:

Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg
Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Röntgendiagnostik,
Zentrum für Muskel- und Knochenforschung
Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin
Tel. 030 – 8445-3046, Fax: -9942
E-Mail: felsenberg@ukbf.fu-berlin.de

PD Dr. med. Johannes Hierholzer
Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Klinikum Ernst von Bergmann GmbH
Akadem. Lehrkrankenhaus der Charité der
Humboldt-Universität zu Berlin
Charlottenstrasse 72, 14467 Potsdam
Tel.: 0331 – 241-6702, Fax: -6700
E-mail: jhierholzer@klinikumevb.de

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

Weitere Informationen:

http://awmf.org

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