Radiologische Verfahren in Diagnostik und Therapie auf dem Vormarsch

Angetrieben vom rasanten technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Geräte-Entwicklung und Computertechnik befinden sich radiologische Methoden in Diagnostik und Therapie auf dem Vormarsch. „In mehreren Bereichen werden die wenig belastenden virtuellen Diagnosemethoden und minimal-invasiven Therapien die herkömmlichen invasiven Verfahren in absehbarer Zeit ersetzen“, prophezeit der Kieler Radiologe Professor Martin Heller, Präsident des 84. Röntgenkongresses in Wiesbaden.

Wenn Ärzte an spezialisierten Zentren wissen wollen, wie es um Anatomie, Funktion und Stoffwechsel des Herzens bestellt ist, untersuchen sie den Patienten mit dem Magnetresonanztomographen (MRT). Die MRT des Herzens gilt bei Experten schon längere Zeit als „Goldstandard“, wenn die Herzfunktion überprüft werden muss, etwa nach einem Infarkt. Keine andere Diagnosemethode liefert vergleichbar viele Einsichten und Einblicke in den Zustand des Herzens wie diese Untersuchung. Schnellere Geräte und dünnere Schnittbilder sorgen dafür, dass die Methode in die klinische Routine zunehmend Einzug hält. Die Computer-Tomographie (CT) macht Kalkablagerungen und Verengungen der Herzkranzgefäße sichtbar.

Die invasive Alternative, eine Untersuchung mit dem Herzkatheter, bei der ein dünner Schlauch durch einen Hautschnitt in der Leistenbeuge via Blutgefäß zum Herzen vorgeschoben wird, dürfte darum an Bedeutung verlieren, wenn sie nur zur Diagnostik eingesetzt wird. „Mit beiden Methoden, CT und MRT, haben wir exzellente Werkzeuge für die Untersuchung des Herzens und der Blutgefäße an der Hand“, erklärt Professor Martin Heller von der Klinik für Diagnostische Radiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel.

Ob und an welcher Stelle im diagnostischen Spektrum sich die virtuelle Koloskopie, der „Flug durch den Darm“, als Alternative zur Darmspiegelung mit dem Endoskop etablieren wird, ist noch nicht ausgemacht. Zwar ist die Patientenakzeptanz bei dieser Methode hoch, was dem Verfahren vor allem als Methode der Früherkennung bei asymptomatischen Patienten Vorteile verschaffen könnte – doch hoch war auch bislang die Strahlenbelastung. Inzwischen zeigen jedoch Untersuchungen, die auf dem Röntgenkongress präsentiert werden, dass die Strahlendosis durch den Einsatz der Niedrigdosis-CT gravierend gesenkt werden kann: Von 5,8 auf 0,9 Millisivert für Männer und von 8,3 auf 1,2 Millisivert für Frauen. Die Belastung liegt damit im Bereich einer Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule.

Hunderte von Schnittbildern werden vom Computer zu dreidimensionalen, realistischen Abbildungen verschiedener Körperregionen und sogar des ganzen Körpers zusammengefügt. „Dies erleichtert inzwischen in vielen Bereichen der Medizin die Operationsplanung – und ist darüber hinaus Grundlage für minimalinvasive, bildgesteuerte Eingriffe, die Domäne der so genannten Interventionellen Radiologen“, betont Heller.

Interventionelle Radiologie: Hohe Erfolgsrate, geringes Risiko. Die Interventionsradiologie gehört darum zu den Schwerpunkten des diesjährigen Röntgenkongresses. Aufgrund einer aufwendigen Dokumentation und Analyse der Fälle von mehr als 60 Zentren im Rahmen der radiologischen Qualitätssicherung, können die Experten belegen, dass die Eingriffe bei 80 bis 85 Prozent der Fälle technisch erfolgreich verlaufen. Tödliche Zwischenfälle sind extrem selten: Bei mehr als 45000 Interventionen wurden insgesamt 44 Todesfälle (0,09 Prozent der Eingriffe) registriert, wobei diese – vor allem bei Notfalleingriffen – weniger mit dem Verfahren als vielmehr mit Begleiterkrankungen und einem schlechten Allgemeinzustand der Patienten in Zusammenhang standen. In diesem Jahr stehen auf dem Kongressprogramm neben dem gesamten Spektrum der Interventionen am Blutgefäßsystem zum ersten Mal die so genannte Myom-Embolisation zur Therapie gutartiger Wucherungen der Gebärmutter (Myom) und die „Vertebroplastie“ genannte Therapie schmerzhafter Wirbelkörperbrüche.

Gutartige Gebärmuttertumoren schrumpfen lassen. Die Myom-Embolisation will Kongresspräsident Heller in Deutschland besser etablieren. In Frankreich und den USA hat diese Alternative zur herkömmlichen Therapie – der Hormonbehandlung, einer operativen Entfernung der Gebärmutter oder der gebärmuttererhaltenden Ausschälung der Myome bei einer Bauchspiegelung – ihren Siegeszug bereits angetreten.

Gutartige Myome bilden sich schätzungsweise bei 20 bis 40 Prozent aller Frauen jenseits des 30. Lebensjahres. Beschwerden hat etwa ein Drittel der betroffenen Frauen – Menstruationsschmerzen, stärkere Blutungen, Druck auf Darm und Blase oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Wenn also eine Operation erforderlich wäre, stellt die minimal-invasive Myom-Embolisation insbesondere bei Frauen, die keinen Kinderwunsch mehr haben, eine Alternative dar.

Bei dem Eingriff wird nach einer gründlichen Vordiagnostik mit der MRT zur Darstellung des Blutgefäßsystems der Gebärmutter und der Gebärmutter selbst unter örtlicher NBtäubung ein Katheter nacheinander über eine oder beide Leistenarterien bis zu den Arterien vorgeschoben, welche die Gebärmutter mit Blut versorgen. Danach spritzen die Ärzte unter Röntgenkontrolle mikroskopisch kleine Partikel aus Polyvinylalkohol oder so genannte Trisacryl-Mikrosphären in die Arterien. Dies drosselt die Nähr- und Sauerstoffversorgung der zumeist sehr gut durchbluteten Geschwülste und lässt sie langfristig schrumpfen. Die Durchblutung der Gebärmutter wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt.

Die meisten Frauen leiden direkt nach dem Eingriff für kurze Zeit unter Schmerzen, die mit den Beschwerden nach einer Operation vergleichbar sind, aber sehr viel schneller abklingen. Darum können die Frauen die Klinik nach 24 Stunden zumeist verlassen.

Erfolgreich in über 80 Prozent. Zahlreiche Studien belegen, dass der Eingriff in 80 bis 100 Prozent erfolgreich ist. Binnen drei bis sechs Monaten lassen die Schmerzen nach und die Tumore schrumpfen um 30 bis 50 Prozent Komplikationen, etwa Infektionen, sind sehr selten. Vor allem dann, wenn die Frauen älter sind als 45 Jahre, bleibt bei drei bis 15 Prozent danach die Regelblutung aus und die Menopause tritt vorzeitig ein. Nur in vier Prozent der Fälle müssen die Gynäkologen anschließend doch zum Skalpell greifen, weil der Therapieversuch fehlgeschlagen ist. Die Untersuchungen belegen auch, dass mehr als 80 Prozent der Frauen mit der Behandlung zufrieden waren und diese weiterempfehlen würden.

Siebe und Fangkörbe: Komplikationen bei Gefäßeingriffen vermeiden. Sind bei Patienten mit Arteriosklerose die großen Halsschlagadern (Carotis) verengt, wächst das Risiko eines Schlaganfalles. Interventionelle Eingriffe, bei denen die Verengung mit einem Ballonkatheter geweitet und danach eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt wird, können dieses Risiko senken. Allerdings kann der Eingriff selbst bei vier bis acht Prozent der Patienten einen Schlaganfall auslösen, von denen manche sogar tödlich enden. Der Grund: Bei der Prozedur können winzige abgesprengte Partikel der arteriosklerotischen Ablagerungen in den Blutstrom geraten und werden von diesem ins Gehirn transportiert, wo sie Arterien verschließen.

Verschiedene Konstruktionen – mit Sieben oder Fangkörben vergleichbar – sollen die gefährlichen Winzlinge während des Eingriffes abfangen. Erste Untersuchungen belegen, dass solche Vorrichtungen, die nach dem Eingriff wieder aus der Carotis gezogen werden, in der Tat die Zahl der Komplikationen halbieren kann. Ein Radiologen-Team um PD Dr. Stefan Müller-Hülsbeck und Professor Martin Heller hat zur Überprüfung dieser Systeme nun ein Labormodell entwickelt, bei dem die Ärzte die Bedingungen in der Halsschlagader bei einem Eingriff simulieren. So können sie prüfen, welche der verschiedenen Vorrichtungen geeignet ist. Ebenso wollen sie herausfinden, wie fein diese Siebe sein müssen oder ob gar ganz andere Prinzipien zur Verhinderung der Abschwemmungen, etwa ummantelte Stents, viel besser geeignet sind.

Zwar ist noch nicht sicher, ab welcher Größe die abgesprengten Partikel gefährlich sind. Doch die Radiologen haben Hinweise, dass Partikel von 200 Mikrometer Durchmesser (ein Mikrometer = ein tausendstel Millimeter) bereits in der Lage sind, Komplikationen zu verursachen. Zwar konnte keine der Fangvorrichtungen Embolien vollständig verhindern, doch die Ärzte konnten nachweisen, dass die Effektivität der Systeme in diesem Modellsystem unterschiedlich und nicht jedes gleichermaßen gut geeignet ist.

Rückfragen an:

Prof. Dr. med. Martin Heller
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Diagnostische Radiologie
Arnold-Heller-Str. 9, 24105 Kiel
Tel.: 0431 – 597-3153, Fax: 0431 – 597-3151
E-Mail: martin.heller@rad-uni-kiel.de

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-kiel.de

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