Haschisch fürs Herz: Cannabinoide schützen nach Infarkt

Passive Druck-Volumen-Kurven von Rattenherzen mit kleinem (b) oder großem (c) Infarkt: Bei c wird die Ausweitung der linken Herzhöhle nach einer Blockade der körpereigenen Cannabinoide verstärkt. a: Ratten ohne Infarkt. Grafik: Wagner

Würzburger Mediziner berichten im aktuellen „British Journal of Pharmacology“

Die berauschenden Inhaltsstoffe der Cannabis-Pflanze, aus der Haschisch und Marihuana gewonnen werden, gehören zu den so genannten Cannabinoiden. Diese Naturstoffe kommen auch im Körper des Menschen vor und üben dort viele Funktionen aus: Unter anderem steigern sie den Appetit und lindern Schmerzen. Mediziner von der Uni Würzburg haben Anhaltspunkte dafür gefunden, dass es sich lohnen könnte, das körpereigene Cannabinoid-System als Angriffspunkt für die medikamentöse Therapie nach einem Herzinfarkt zu nutzen.

Dieses Thema wird in der aktuellen Ausgabe des „British Journal of Pharmacology“ behandelt und von den Herausgebern kommentiert. Die neueste Erkenntnis der Forschungsgruppe von Jens Wagner und Georg Ertl aus der Würzburger Medizinischen Uniklinik: Cannabinoide können die durch einen Infarkt verursachte krankhafte Vergrößerung des Herzens mindern.

Nach einem Infarkt droht unter anderem die Entstehung einer Herzmuskelschwäche, im Fachjargon der Medizin Herzinsuffizienz genannt. Diese stellt sich bei Ratten zwölf Wochen nach einem großen Infarkt ein. „Dann latscht das Herz aus, genau wie beim Menschen“, so Wagner. Das heißt: Die linke Herzkammer wird größer und tut sich immer schwerer, einen angemessenen Blutdruck aufzubauen. Weiterhin besteht ein chronischer Flüssigkeitsstau, der zu Atemnot und zur Ansammlung von Wasser in den Beinen führt.

Die Würzburger Wissenschaftler verabreichten herzinsuffizienten Ratten täglich ein synthetisches Cannabinoid. Sie stellten fest, dass diese Behandlung den zu niedrigen Blutdruck und die Störung der Blutgefäßfunktion verhindern kann – allerdings auf Kosten eines erhöhten Füllungsdrucks in der linken Herzkammer, was sich langfristig negativ auswirken könnte. Gaben die Forscher den Ratten über längere Zeit Stoffe, welche die Wirkung der körpereigenen Cannabinoide hemmen, so kam es zu einer weiteren Herzvergrößerung.
Zudem haben die Mediziner herausgefunden, dass Cannabinoide auch beim akuten Herzinfarkt, wenn es also zum lebensbedrohlichen Kreislaufversagen und zur Schock-Symptomatik kommt, mitmischen: In diesem Fall kann ein Hemmstoff, der ganz bestimmte Cannabinoid-Rezeptoren blockiert, bei Ratten den Blutdruckabfall verhindern. Dafür verringerte sich allerdings auch die Überlebensrate der Tiere.

„Fasst man all diese Ergebnisse zusammen, dann muss bis jetzt davon ausgegangen werden, dass die körpereigenen Cannabinoide nach einem Herzinfarkt eine schützende Wirkung ausüben“, so Jens Wagner. Weitere Forschungen seien aber nötig: Zurzeit messen die Würzburger Wissenschaftler die körpereigene Cannabinoid-Produktion herzinsuffizienter Patienten im Vergleich zu Gesunden. Außerdem untersuchen sie, auf welche Weise Cannabinoide die Herzkranzarterien von Rattenherzen erweitern.

Jens A. Wagner, Kai Hu, Jan Karcher, Johann Bauersachs, Andreas Schäfer, Martin Laser, Hong Han und Georg Ertl: „CB1 cannabinoid receptor antagonism promotes remodeling and cannabinoid treatment prevents endothelial dysfunction and hypotension in rats with myocardial infarction“, British Journal of Pharmacology, April 2003;138:1251-1258.

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Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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