Präkonditionierung durch Stressproteine schützt Organe bei Operationen

Während einer Operation sind schädliche Einflüsse auf zellulärer Ebene unvermeidlich – so muss am operierten Organ beispielsweise oft die Blutzufuhr und damit auch die Sauerstoffversorgung gedrosselt werden. Setzt man das Operationsgebiet zuvor einer begrenzten Noxe aus, produzieren die Zellen schützende Proteine und sind danach für einige Stunden wesentlich resistenter als zuvor.

Während einer Operation muss manchmal ein Organ vorübergehend von der Blutzufuhr getrennt werden, in einigen Körperbereichen kann es zum Sauerstoffmangel kommen. All dies schädigt die betroffenen Körperzellen, einige gehen zugrunde. Dies ist bei der Arbeit des Chi-rurgen oft gar nicht zu vermeiden – und die Anästhesisten erforschen deswegen seit einiger Zeit Möglichkeiten, solche Schäden zu unterbinden. Sie sind fündig geworden: Setzt man ein Organ oder den Körper einem wohl dosierten schädlichen Einfluss aus, produzieren die Zel-len Eiweißmoleküle, die sie vor dem Absterben schützen, selbst wenn sie später schädlichen Einflüssen in noch größerem Umfang ausgesetzt sind. Hier treibt gewissermaßen ein Teufelchen den Teufel aus.

Schlüssel zu dieser Schutzfunktion, so Professor Klaus van Ackern, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Universitätsklinikum Mannheim während des Deutschen Anästhesiecongresses in München, sind die so genannten Stressproteine. Zellen, die einem schädlichen Einfluss unterliegen, synthetisieren diese Eiweißmoleküle; ein Vertreter dieser Molekülgruppe ist beispielsweise das Hitzeschockprotein, das nach Verbrennungen im Körper auftaucht. Ein weiteres nennt man Hämoxygenase, deren Wirkung jedermann kennt: Sie baut den Blutfarbstoff ab und sorgt auf diese Weise dafür, dass blaue Flecken langsam grüngelb werden. Daneben hemmt sie auch Entzündungen und erweitert die Blutgefäße.

Diese Eiweiß-Moleküle haben eines gemeinsam: Sie können Zellen vor Schäden schützen, und zwar selbst dann, wenn der schädliche Einfluss sonst tödlich für die Zelle gewesen wäre.

Diese Erkenntnisse macht man sich bei der so genannten Präkonditionierung zunutze. Praktisch heißt das beispielsweise: Bevor ein Organ wegen der Arbeit des Chirurgen für einige Zeit von der Blutzufuhr abgeschnitten werden muss, klemmt man es erst einmal „probeweise“ für kurze Zeit ab. Wenn dieser sauerstofflose Zustand (die „ischämische Noxe“, wie es in der Fachsprache heißt) lang genug, aber auch nicht zu lange dauert, dann produzieren die Zellen des Organs anschließend die erwähnten Stressproteine und sind danach für einige Zeit gegenüber einer weiteren Sauerstoffmangelphase oder anderen schädlichen Einflüssen deutlich resistenter als zuvor. Ähnliche Effekte lassen sich auch mit vorübergehender Überwärmung erzielen. Es liegt auf der Hand, dass solche Mechanismen vor allem bei Transplantaten von Bedeutung sein dürften.

Speziell für Anästhesisten kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Manche Narkosemittel – beispielsweise die Narkosegase Isofluoran und Sevofluoran – fördern oder imitieren die Wirkung der Stressproteine und machen die betroffenen Organe noch resistenter. Andererseits sind einige Medikamente bekannt, die die Wirkung der Stressproteine blockieren können – dazu zählt bei-spielsweise das Narkosemittel Ketamin, ein bestimmtes Diabetes-Medikament (Glibenclamid) und der Opiatantagonist Naloxon.

Ausgestattet mit solchem Wissen können Anästhesisten zukünftig noch mehr zum Erfolg der Operation beitragen. Allerdings, so van Ackern, ist noch einiges an For-schungsarbeit notwendig, um die Stressproteine genauer kennen zu lernen und sie noch gezielter zu nutzen. Die Forschung müsse zudem sanftere Methoden finden, mit denen die Zellen zur Produktion von Stressproteinen veranlasst werden können. Und es müssten Möglichkeiten gefunden werden, diese Proteine bzw. vergleichbar wirksame Substanzen synthetisch oder gentechnisch herzustellen.

Media Contact

Dr. Bernhard Wiedemann idw

Weitere Informationen:

http://www.dgai.de

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