Chagas-Krankheit und Herzmuskelschwäche – Millionen von Menschen in Lateinamerika betroffen

In Mittel- und Südamerika tritt eine Infektionskrankheit auf, die Millionen von Menschen betrifft und dennoch im Rest der Welt nahezu unbekannt ist – die Chagas-Krankheit. Erreger ist ein einzelliges Geißeltierchen (Trypanosoma cruzi), das von Raubwanzen übertragen wird, die sich von Blut ernähren und vor allem nachts Menschen und Tiere befallen.

Der Parasit kann auch bei Transfusionen mit verseuchtem Spenderblut übertragen werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf (Schweiz) schätzt, dass 16 – 18 Millionen Menschen mit dem Erreger infiziert sind und rund 100 Millionen Menschen Gefahr laufen, sich anzustecken. Betroffen von der Krankheit, die der brasilianische Arzt Carlos Chagas 1909 entdeckt hatte, sind vor allem Menschen, die in stroh- und palmbedeckten Lehmhütten auf dem Land und in den Slums der Großstädte leben. Im Akutstadium, das bei 30 bis 40 Prozent der Infizierten, zumeist Kindern, auftritt, sterben rund fünf – zehn Prozent an Herzversagen oder einer Hirnerkrankung. Die chronische Phase, die häufig erst nach einer symptomfreien Zeit von 20 – 30 Jahren ausbricht, verursacht bei 10 – 20 Prozent der Erkrankten schwere Organschäden, hauptsächlich am Herzen. Als Folge der Chagas-Krankheit leiden in Südamerika etwa 30 Millionen Menschen an der so genannten dilatativen Kardiomyopathie, einer chronischen Herzmuskelschwäche. Sie kann heute nicht effektiv behandelt werden und führt meist zum Herztod. Die Chagas-Kardiomyopathie wird durch die Aktivierung des Immunsystems gegen den Chagas-Erreger ausgelöst, berichtete Dr. Mariano Levin (Universität in Buenos Aires/Argentinien) auf einem eintägigen wissenschaftlichen Symposium im Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch. „Offenbar bildet das Immunsystem im Laufe der Erkrankung Antikörper, die sich nicht mehr nur gegen den Parasiten richten, sondern gegen bestimmte Strukturen des Herzmuskels, die nahezu identisch mit denen des Erregers sind“, sagte er. Die Tagung fand anlässlich des 60. Geburtstags von Dr. Gerd Wallukat (MDC) statt, der seit 1987 an der Entdeckung mehrerer pathogener, krankheitserregender, Antikörper beteiligt war.

Dr. Levin gelang es, teilweise in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen von Dr. Johan Hoebeke (Centre national de la recherche scientifique, CNRS, Straßburg/Frankreich), Dr. Wallukat (MDC) und Dr. Michael Fu (Wallenberg-Laboratorium der Universität Göteborg/Schweden) Antikörper zu charakterisieren, die bei Chagas-Patienten mit Herzmuskelschwäche gegen muskarinerge und beta-adrenerge Rezeptoren gerichtet sind. Die muskarinergen Rezeptoren dämpfen über den Botenstoff Azetylcholin beim gesunden Menschen Herzfrequenz und Pumpleistung des Herzens. Sie sind Gegenspieler der beta-adrenergen Rezeptoren, die diese Funktionen über die Botenstoffe Adrenalin und Noradrenalin im Bedarfsfall verstärken. Beide Rezeptoren sorgen also für eine ausgeglichene Leistung des Herzens.

Wie kommt es zur Entstehung von Antikörpern bei der Chagas-Herzmuskelschwäche? Zunächst bildet der Körper Abwehrstoffe (Antikörper) gegen bestimmte Eiweißstrukturen des Parasiten. Diese Eiweißstrukturen des Erregers sind, wie Dr. Levin herausfand, in bestimmten Strukturen nahezu identisch mit denen der muskarinergen und beta-adrenergen Rezeptoren, die sich auch auf der Oberfläche menschlicher Herzmuskelzellen befinden. Diese gegen den Parasiten gerichteten Antikörper reagieren bei Patienten mit Chagas-Kardiomyopathie mit den Rezeptoren der Herzmuskelzellen und könnten über diesen Weg den Herzmuskel schädigen. Die Antikörper aktivieren also wie ein Hormon die entsprechenden Rezeptoren. Die Arbeit wurde von der WHO unterstützt.

Ziel: Diagnose und Therapie verbessern

Zusammen mit anderen Chagas-Forschern startete Dr. Levin, der an der Universität von Buenos Aires im Institut für Gentechnologie und Molekularbiologie arbeitet, ein Trypanosoma cruzi Genomprojekt. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ist es bereits gelungen, die Nachweismethoden für den Parasiten im Blut zu verbessern. Damit können Chagas-Patienten jetzt besser als bisher diagnostiziert werden. Außerdem ist es möglich, die mit dem Parasiten verseuchten Blutkonserven zu identifizieren und damit zu verhindern, dass sie für Transfusionen eingesetzt werden. Der Parasit ist bisher vor allem in der chronischen Phase der Erkrankung nur schwer nachweisbar. Im Rahmen ihres Genomforschungsprojekts wollen die Forscher auch die Grundlagen für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Trypanosoma cruzi legen, um einer Infektion vorzubeugen. Denn die Chagas-Krankheit ist laut Robert-Koch-Institut nur in der akuten Phase – etwa fünf – 14 Tage nach der Übertragung durch Raubwanzen und 30 – 40 Tage nach einer Bluttransfusion – medikamentös gut zu behandeln.

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