Deutschlandpremiere: OP-Roboter entfernt Tumor aus Bauchspeicheldrüse

Der technische Fortschritt im Operationssaal ist nicht aufzuhalten: Deutschlandweit erstmals werden morgen, 1. November, im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) mit Hilfe des OP-Roboters „Da Vinci“ zwei ausgedehnte Tumoroperationen an Bauchspeicheldrüsen vorgenommen.

Die in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie vorgenommenen Eingriffe werden ins Curio-Haus übertragen, wo sie von 450 Chirurgen aus Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland verfolgt werden. Die Live-Operationen sind Höhepunkt eines Kongresses, in dem sich alles um die so genannte Schlüssellochchirurgie (minimal-invasive Chirurgie = MIC) dreht. Das 11. Hamburger MIC-Symposium findet am 1. und 2. November statt und wird in diesem Jahr vom UKE organisiert. Die wissenschaftliche Leitung hat Professor Dr. Jakob R. Izbicki, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am UKE.

Beinahe 20 Jahre ist es her, seit Professor Kurt Semm, damals Gynäkologe am Kieler Universitätsklinikum, 1983 einen entzündeten Blinddarm nicht über den herkömmlichen Bauchschnitt entfernte, sondern sich auf winzige Öffnungen beschränkte, durch die er seine Instrumente in den Bauch führte. Nach diesem weltweit ersten minimal-invasiven (oder auch: laparaskopischen) Eingriff hat sich der inzwischen emeritierte Semm seinerzeit viele kritische Stimmen aus der Fachwelt anhören müssen.

Heute sind die Bedenken größtenteils zerstreut; die „Operation der kleinen Schnitte“ hat die Chirurgie nachhaltig verändert: Bei Herzoperationen kann oft auf das Durchtrennen des Brustbeins verzichtet werden; in der Orthopädie ist die Eröffnung des erkrankten Kniegelenks nur noch in Ausnahmefällen notwendig, und in der Allgemeinchirurgie benötigt der Arzt keinen Zugang mehr über den ganzen Bauch, wenn er die Galle entfernen oder einen Leistenbruch beheben will.

„Der Patient profitiert auf vielfältige Art und Weise von der schonenden Operationstechnik“, erläutert Professor Izbicki. „Nach dem Eingriff hat er weniger Schmerzen, kann schneller wieder aufstehen und auch früher die Klinik verlassen.“ Doch auch der Chirurg hat einen Gewinn von der Operationsmethode, bei der durch drei maximal einen Zentimeter große Hautschnitte Licht, Kamera (Endoskop), Zange und Schere ins Körperinnere geschoben werden. Izbicki: „Das Endoskop arbeitet mit einem Vergrößerungseffekt. Somit kommen wir viel näher an den eigentlichen Ort des Geschehens, sehen auf dem Monitor die Situation detailgetreuer, als dies mit bloßem Auge möglich wäre.“

Mittlerweile eröffnet sich die Laparaskopie immer weitere Felder in der Allgemeinchirurgie: Nach Galle und Leiste scheint sich das OP-Verfahren auch in der Anti-Reflux-Therapie (Sodbrennen) sowie bei der Dickdarm-Behandlung (gutartige Divertikel und bösartige Tumoren) zu etablieren; hier laufen derzeit umfangreiche klinische Studien. Gehören diese Operationen inzwischen zur Routine, werden nun die Grenzen der Tumorchirurgie ins Visier genommen. Daher sind die Eingriffe, die den Teilnehmern des Hamburger Symposiums jetzt aus dem UKE gezeigt werden sollen, noch wesentlich ausgedehnter. „Wir planen, Operationen mit minimal-invasiver Technik durchzuführen, bei der Lunge, Speiseröhre, Magen, Milz, Nebenniere und Thymusdrüse ganz oder teilweise entfernt werden. Hier kommen innovative Techniken zum Einsatz, die in dieser Form noch nicht sehr häufig angewandt wurden, von denen wir aber glauben, dass sie eines Tages zum Standard gehören“, erklärt Professor Izbicki.

Absolutes Kongress-Highlight wird der OP-Roboter „Da Vinci“ sein, den die amerikanische Herstellerfirma Intuitive Surgical für das Symposium mit internationaler Beteiligung zur Verfügung stellt. Vorgesehen sind zwei umfangreiche Operationen an der Bauchspeicheldrüse und umgebenden Organen. Beides sind große Operationen, die zwar auch schon minimal-invasiv, mit dem Operationsroboter aber noch nicht in Deutschland durchgeführt wurden. Einen wesentlichen Fortschritt erwarten die Chirurgen von den Präzisionsinstrumenten, die auf engstem Raum in alle Richtungen bewegt werden können und eine genauere und sichere Entfernung des Krebsgewebes und der Lymphknoten erlauben.

An diesem Wochenende ist „Da Vinci“ nur Gast in Hamburg. Doch der UKE-Vorstand bemüht sich, mit finanzieller Unterstützung des Bundes einen etwa eine Million Euro teuren Operationsroboter zu erwerben, den die Kliniken für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, für Kardiochirurgie/Herz- und Gefäßchirurgie (Direktor: Professor Dr. Hermann Reichenspurner) und für Urologie (Professor Dr. Hartwig Huland) gemeinsam nutzen. Diese kostenintensive Ausstattung ist nur in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen der Medizintechnik realisierbar. Aus diesem Grund wird am UKE ein „Zentrum für innovative Operationstechnologie“ gegründet werden, in dem neue OP-Verfahren entwickelt werden sollen.

Wohin die Reise mit der minimal-invasiven Chirurgie letztendlich geht, bleibt abzuwarten. Doch Izbicki ist sehr optimistisch: „Natürlich fehlen uns noch Langzeitergebnisse, und wir können nicht sicher sein, dass der Patient von allen Methoden profitiert. In den nächsten Jahren müssen wir genau untersuchen, was sinnvoll ist und was nicht. Denkbar erscheint aber, dass bereits in zehn Jahren ein Magen überhaupt nicht mehr mit einem großen Bauchschnitt entfernt wird, sondern die schonendere Variante immer auch die bessere und medizinisch sinnvollere ist.“

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Dr. Marion Schafft idw

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