Patientinnen und Ärzte: Eine Allianz mit Gewicht


Optimismus und Aufbruchstimmung aber auch Sorgen um die Qualität von Wissenschaft und Patientenversorgung bestimmen den Auftakt des 54. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der vom 10. bis 14. September in Düsseldorf stattfindet. Rund 3000 Frauenärztinnen und Frauenärzte werden teilnehmen. Das Motto: Forschung für die Frau in einer neuen Welt.

„Die Entwicklung in unserem Fach ist gekennzeichnet durch herausragende wissenschaftlich begründete Leistungen, die unseren Patientinnen und auch der Gesellschaft insgesamt zugute kommen.“ Professor Hans-Georg Bender, Direktor der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, stellt seinen Kolleginnen und Kollegen zum Auftakt des 54. Kongresses der Gesellschaft ein gutes Zeugnis aus.
So reduzieren etwa endoskopische Operationstechniken („Schlüsselloch-Chirurgie“) deutlich die Belastungen bei operativen Eingriffen und die deutsche Geburtshilfe spielt – Dank Perinatalerhebungen und interner Qualitätskontrolle – international in der ersten Liga mit. Auch bei der vielfach kritisierten Behandlung von Brustkrebs-Patientinnen sieht Bender Fortschritte: „Die Onkologie ist im Programm dieses Kongresses besonders stark mit hervorragender, molekularbiologisch geprägter Grundlagenforschung vertreten.“ Durch Studien zum Eierstock- und Brustkrebs werde darüber hinaus der lange Zeit vermisste Anschluss an die internationale Wissenschaftsfront zunehmend hergestellt. Dies belegen Daten der International Cancer Agency in Lyon: Die langfristigen Heilungsergebnisse bei Brustkrebs sind in Deutschland besser als in anderen europäischen Ländern, „auch in solchen“, betont Bender, „die mit etablierten Mammographie-Screening-Programmen vielfach als vorbildlich und nachahmenswert hingestellt werden.“
Die Besonderheiten des Faches sorgen indes dafür, dass es auch genug Stoff für kontroverse und kritische Diskussionen gibt. Beispiele dafür sind die Präimplantationsdiagnostik, die von der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in speziellen Fällen und unter strenger Kontrolle befürwortet wird. Ein anderes Beispiel ist die Diskussion um Spätabbrüche von Schwangerschaften. Auch bei diesem Thema wollen die Gynäkologen eine öffentliche Diskussion anstoßen – und folgen damit einem Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses hatte gefordert, die Auswirkungen der Neuregelung des §218 regelmäßig zu überprüfen.
Sorgen bereitet Bender die zunehmende bürokratische Gängelung der Medizin. Diese erschwere inzwischen die Versorgung der Patienten und die Forschung gleichermaßen. „Es ist absehbar“, kritisiert der Tagungspräsident, „dass unsere wissenschaftliche Leistungsfähigkeit mit der internationalen Entwicklung nicht Schritt halten kann, wenn sich die derzeitigen Rahmenbedingen nicht ändern.“
DRG und DMP: Von den Patienten ist keine Rede mehr
Bei der gesundheitspolitischen Diskussion würden Fachwissen und Sachverstand offenkundig eher als störend empfunden. Den Ärzten werde unterstellt, dass sie mit ihren Äußerungen bevorzugt nur ihre Eigeninteressen vertreten und ihre Positionen daher von minderer Bedeutung seien. Derzeit würden Strukturen gestaltet, warnt Bender, ohne auf die Priorität des Patienten-Arzt-Verhältnisses Rücksicht zu nehmen: „Es werden nur noch Diagnosen gruppiert und Krankheiten gemanagt – von den Patienten ist keine Rede mehr.“
Zwar hält auch Bender eine umfassende Dokumentation medizinischer Leistungen für erforderlich, um die Qualität zu sichern. „Doch dies sollte von spezialisierten Kräften gemacht und nicht von den Ärzten erwartet werden, die inzwischen schon mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit solchen Aufgaben verbringen, anstatt Patienten zu behandeln.“ Würden Ärzte sich nur um Patienten kümmern und die Dokumentation in anderen Händen liegen, könnten innovative Therapien sehr viel effektiver als bislang möglich auf ihr tatsächliches Potenzial abgeklopft werden. „Wir brauchen angesichts der steigenden Kosten für neue Therapiestrategien dringend neue Konzepte, um die Verfahren schnell zu überprüfen“, fordert Bender. „Nur so erhalten wir Hinweise, auf welche Verfahren oder Medikamente wir guten Gewissens verzichten können.“
Erstmals öffnet sich ein medizinischer Fachkongress in diesem Umfang den eigentlich Betroffenen: den Frauen. Im Rahmen der Hauptsitzungen treten diese als Expertinnen in eigener Sache mit Vorträgen und Diskussionsbeiträgen an. Ziel ist eine Allianz zwischen Patientinnen und Ärzten, die sich, sagt Bender, „in Zukunft wieder ein größeres politisches Gewicht erkämpfen muss.“

Rückfragen an:
Prof. Dr. med. Hans Georg Bender
Tagungspräsident – Präsident der DGGG
Direktor der Frauenklinik der Heinrich-Heine Universität
Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf
Tel.: 0211-81-17500; Fax: 0211-81-18483
E-Mail: benderhg@uni-duesseldorf.de

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

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