Auf dem Weg zur maßgeschneiderten Therapie bei Prostatakarzinomen


Mit einem neuen Projekt baut die Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes in Homburg ihre Position als einer der führenden Standorte in Sachen Prostatakarzinom-Forschung weiter aus:
Mit rund 200 000 Euro fördert die Deutsche Krebshilfe der Dr. Mildred Scheel-Stiftung für Krebsforschung an der Klinik für Urologie und Kinderurologie Forschungsarbeiten, die neue Behandlungsansätze und auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapien möglich machen sollen.

Das Prostatakarzinom ist mit Abstand der häufigste bösartige Tumor des Mannes in den westlichen Industrienationen; in den Krebssterblichkeitsstatistiken rangiert es hinter dem Bronchialkarzinom auf Platz 2.
Allein in den USA wurde 2001 bei fast 200.000 Männern ein Prostatakarzinom diagnostiziert, in der Bundesrepublik Deutschland bei über 30.000.
An der Medizinischen Fakultät der Saar-Universität arbeiten Mediziner der Klinik für Urologie und Kinderurologie (Direktor: Prof. Dr. med. Michael Stöckle) in mehreren Projekten daran, Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms weiterzuentwickeln. Kennzeichnend für die Forschungen ist insbesondere die enge fachübergreifende Kooperation auf dem Homburger Campus; dabei arbeitet die Urologische Klinik vor allem mit den Instituten für Humangenetik, Pathologie und Medizinische Biochemie zusammen.

Ein Ziel des neuen Projektes, das jetzt von der Deutschen Krebshilfe der Dr. Mildred Scheel-Stiftung für Krebsforschung gefördert wird, ist es, die Entstehungs- und Wachstumsgrundlagen des Prostatakarzinoms besser zu verstehen, um damit die Therapie des Prostatakarzinoms weiter zu individualisieren.
Die Homburger Forscher setzen dabei auf die Molekulargenetik: Neue molekulare Marker sollen in Zukunft vorhersagbar machen, auf welchen Therapieansatz welcher Patient mehr anspricht und auf welchen weniger.
Die Wissenschaftler erwarten durch ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen von Entstehung und Wachstum des Prostatakarzinoms darüber hinaus entscheidende Fortschritte in der Tumordiagnostik, differenziertere Möglichkeiten zur Abschätzung des Krankheitsverlaufs und neue Therapieansätze.
Entstehung und Wachstum des Prostatakarzinoms unterliegen einem genetischen „Vielschritt-Mechanismus“. Sowohl die Aktivierung von Genen, die Zellwachstum und Tumorentwicklung stimulieren (Onkogene, Metastasierungsgene), als auch die Inaktivierung von Genen, die diese Mechanismen verhindern (Tumor- und Metastasierungssuppressorgene) sind in eine solche Reihe von genetischen Abläufen eingeschlossen. Dabei können diese genetischen Veränderungen in unterschiedlicher Reihenfolge ablaufen, führen aber zum gleichen Ergebnis.
Die Homburger Mediziner arbeiten daran, Gene und Moleküle zu identifizieren und die Mechanismen zu charakterisieren, durch welche sie zu Tumorbildung und -wachstum beitragen. Der besondere Schwerpunkt der Homburger Forschungsarbeiten liegt auf der genomischen Analyse der Prostatakarzinomzellen. Dabei gilt das Hauptinteresse der Untersuchung der Rolle so genannter „Genamplifikationen“ beim Tumorwachstum, also dem Phänomen der Vervielfachung der Kopienzahl von DNA-Sequenzen bzw. Genen.



Überblick über den Stand der Forschungsarbeiten und die eingesetzten Methoden von Privatdozent Dr. med. Bernd Wullich

Klassische Zytogenetik

Ausgehend von Prostatakarzinom-Kurzzeitkulturen, die aus frischen Gewebepartikeln aus Prostatektomiepräparaten etabliert wurden, erfolgte zunächst mit Hilfe klassischer zytogenetischer Bänderungstechniken die Untersuchung von Prostatakarzinomzellen auf chromosomale Veränderungen. Obwohl klonale chromosomale Veränderungen in dem zur Anwendung gebrachten Zellkulturmodell mit 22% nur selten nachgewiesen werden konnten, war die Häufigkeit nonklonaler chromosomaler Veränderungen auffällig. Dies lässt auf eine genetische Instabilität der Prostatakarzinomzelle schließen. Die Annahme erscheint plausibel, dass Mutationen, die zu dieser genetischen Instabilität beitragen, dadurch zu einem Selektionsvorteil führen, dass sie die Bildungsrate genetischer Varianten, die an bestimmte Wachstumsbedingungen besser angepasst sind, erhöhen.

Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH)

Während die konventionelle Chromosomenbänderung ein rein zytologisches Verfahren darstellt, lassen sich mit den modernen Fortschritten der so genannten molekularen Zytogenetik zytologische und molekulare Informationen verbinden. Mit Hilfe der in situ-Hybridisierung können in zellulären Präparaten gezielt Veränderungen von Chromosomen oder Chromosomenabschnitten mit guter Auflösung detektiert werden. So fand sich bei der Untersuchung nativer Prostatakarzinomgewebeproben unter Einsatz der FISH eine Aneuploidierate von 65%. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen den klassischen zytogenetischen und FISH-Untersuchungsergebnissen geht dabei auf eine der klassischen Zytogenetik innewohnende Schwierigkeit zurück: Die Metaphasezytogenetik ist auf proliferierende Zellen angewiesen, die bei Tumoren mit niedrigem Proliferationsindex, wie es beim Prostatakarzinom der Fall ist, durch Direktpräparation aus nativem Gewebe nicht in ausreichender Menge gewonnen werden können; dadurch wird die Zellkultur unumgänglich. In vitro-Bedingungen können die Situation in vivo aber nur unvollständig simulieren, so dass Selektionsvorgänge in Kultur nicht auszuschließen sind. Der Frage der Klonselektionierung in Zellkultur sind wir nachgegangen und konnten zeigen, dass in der Tat die aneuploiden Zellen unter den gegebenen Zellkultivierungsbedingungen einen deutlichen Proliferationsnachteil aufweisen. Einer der Schwerpunkte der Arbeitsgruppe von Prof. G. Unteregger und Prof. Th. Zwergel in unserer Klinik gilt deshalb der Verbesserung der Zellkultivierungsbedingungen für Prostatakarzinomzellen, die der für das Prostatakarzinomwachstum in vivo wichtigen Epithel-Stroma-Interaktion in sehr viel höherem Maße Rechnung tragen als das durch die klassischen Zellkultivierungsverfahren bislang der Fall war.

Vergleichende genomische Hybridisierung (CGH)

Einer der Hauptkritikpunkte an FISH-Techniken ist, dass die Detektion chromosomaler Anomalien von der Auswahl geeigneter DNA-Sonden abhängt. Da nur die chromosomalen Regionen, für die entsprechende DNA-Sonden verwendet werden, mittels FISH beurteilbar sind, muss bei vielen Fragestellungen bereits vor einem Experiment ausreichend Grundwissen über mögliche veränderte Regionen vorhanden sein. Um diesen Nachteil zu überwinden, wurde die erstmals 1992 beschriebene CGH als Technik in der Arbeitsgruppe eingeführt. Der Ansatz der CGH ermöglicht, das ganze Genom mit einem Hybridisierungsexperiment auf über- oder unterrepräsentierte DNA-Abschnitte zu untersuchen. Da die CGH keine Zellkultivierung erfordert, findet sie vor allem ihre Anwendung in der Tumorzytogenetik. Hierbei wird die gesamte genomische DNA der zu untersuchenden Gewebeprobe auf normale Metaphasechromosomen, die zum Beispiel aus Lymphozyten präpariert wurden, hybridisiert. DNA-Abschnitte, die im Tumorgenom über- oder unterrepräsentiert sind, können durch differenzielle Markierung von Test- und Referenz-DNA sichtbar gemacht werden. Mit dieser Technik wurden genomische Veränderungen in 80% der untersuchten Prostatakarzinome nachgewiesen. Beobachtungen, die in androgenunabhängig wachsenden Rezidivtumoren deutlich mehr DNA-Veränderungen beschrieben als in Primärtumoren, können bestätigt werden.

Bemerkenswert an der eigenen Untersuchungsserie ist, dass DNA-Gewinne deutlich häufiger nachgewiesen wurden als DNA-Verluste. Dies lässt vermuten, dass neben den durch FISH- und Allelotypisierungsuntersuchungen gut dokumentierten allelischen Verlusten auch Amplifikationen von Genen eine wichtige Bedeutung bei der Entstehung und/oder Progression des Prostatakarzinoms zukommt. Mittlerweile sind eine Reihe von Genamplifikationen in Prostatakarzinomen beschrieben, wobei insbesondere der Amplifikation des Androgenrezeptogens sowie der cMYC-Amplifikation eine prognostische Bedeutung zukommen könnte.

Erstmals von der eigenen Arbeitsgruppe beschrieben wurde eine DNA-Kopienzahlvermehrung auf dem langen Arm von Chromosom 3, die in über 50% der untersuchten Prostatakarzinome nachweisbar war. Weiterführende molekulare Analysen bestätigten die Existenz amplifizierter Gene in dieser Region, wobei dem IL12A-Gen eine besondere Bedeutung zukommen dürfte. Es ist zu vermuten, dass in unmittelbarer Nachbarschaft von IL12A ein oder mehrere bislang noch unbekannte Gene lokalisiert sind, denen Rolle bei der Prostatakarzinomentwicklung zukommen könnte.

Vielfarbenkaryotypisierung

Abschließend soll auf eine neue in situ-Hybridisierungsmethode eingegangen werden, der als Vielfarbenhybridisierung ein großes Anwendungspotenzial zukommt. Die Vielfarbenhybridisierung gehört zu den herausragenden methodischen Fortschritten in der molekularen Zytogenetik. Sie ermöglicht die Darstellung jedes Chromosoms in einer spezifischen Farbe und erlaubt damit eine Karyotypisierung mit einem einzigen FISH-Experiment. Voraussetzung ist jedoch, dass überhaupt Metaphasen aus dem zu untersuchenden Material vorliegen, die dann charakterisierbar sind. Beide Techniken der Vielfarben-Karyotypisierung, sowohl die Multiplex-FISH (M-FISH) als auch die Spektralkaryotypisierung (SKY), basieren auf dem Prinzip, mehr DNA-Sonden eindeutig zu detektieren als Fluorochrome vorhanden sind. Dafür wurden Markierungsstrategien entwickelt, bei denen DNA-Sonden mit mehr als nur einem Fluorochrom markiert werden. Mit der kombinatorischen Markierungstechnik werden mindestens 5 Fluorochrome benötigt, um alle 24 Chromosomen des Menschen in verschiedenen Farben darzustellen. In bisherigen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass Aberrationen, die mit konventionellen Bänderungstechniken allein übersehen oder falsch interpretiert wurden, mittels Vielfarben-FISH entdeckt werden konnten. Damit ist dieses Verfahren insbesondere zur Analyse komplexer Chromosomenveränderungen geeignet. In der eigenen Arbeitsgruppe wird SKY zur Charakterisierung von Tumorzelllinien eingesetzt, die in der Regel hochkomplexe Chromosomenveränderungen aufweisen.


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Dann setzen Sie sich bitte in Verbindung mit
Privatdozent Dr. med. Bernd Wullich
Klinik für Urologie und Kinderurologie der Universität des Saarlandes

Tel (0)6841-1624700
Fax: (0)6841-1624795
E-Mail: urbwul@uniklinik-saarland.de

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Claudia Brettar idw

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