Neuer unabhängiger Diabetes-Risikomarker identifiziert

Es handelt sich um das Protein Fetuin-A, das von der Leber gebildet und ins Blut abgegeben wird. Wie die Studie zeigt, weisen hohe Fetuin-A-Werte im Blut eindeutig auf ein erhöhtes Diabetesrisiko hin und dies unabhängig von Geschlecht, Alter, Taillenumfang, Body Mass Index (BMI) oder anderen bislang verwendeten Biomarkern.

„Fetuin-A könnte in Zukunft als neuer, unabhängiger Risikomarker für die Diabetesprävention eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Studienleiter Matthias Schulze. Die Wissenschaftler veröffentlichten nun ihre Ergebnisse in der angesehenen Fachzeitschrift Diabetes (Stefan, N. et al., 2008).

Aufgrund von Tierstudien steht Fetuin-A schon seit längerer Zeit im Verdacht, eine Insulinresistenz auslösen zu können und so für das Entstehen eines Typ-2-Diabetes eine wesentliche Rolle zu spielen. Kürzlich durchgeführte Untersuchungen der Tübinger Forscher unterstützen diese Annahme. Sie zeigen, dass beim Menschen ein erhöhter Fetuin-A-Wert im Blut mit einer verminderten Insulinempfindlichkeit der Körperzellen einhergeht sowie auf eine verstärkte Fetteinlagerung in der Leber hinweist.

Das Wissenschaftlerteam um Matthias Schulze ging daher der Frage nach, ob das Protein als ein unabhängiger Diabetes-Risikomarker genutzt werden kann. Die neue Studie zeigt nun, dass dies der Fall ist.

Grundlage der vorliegenden Untersuchung bilden Daten der vom DIfE durchgeführten EPIC*-Studie in Potsdam mit mehr als 27.000 weiblichen und männlichen Teilnehmern im Erwachsenenalter. Während eines 7jährigen Beobachtungszeitraumes erkrankten 849 der Teilnehmer an Typ-2-Diabetes.

Unabhängig vom Alter hatten Personen mit einem sehr hohen Fetuin-A-Blutwert (im Mittel 304 Mikrogramm/Milliliter) im Vergleich zu Personen mit einem niedrigen Wert (im Mittel 158 Mikrogramm/Milliliter) ein um 75 Prozent erhöhtes Diabetesrisiko. „Bei Personen mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel war der Zusammenhang zwischen einem hohen Fetuin-A-Wert und einem erhöhten Diabetesrisiko besonders stark ausgeprägt“, ergänzt Erstautor und Mediziner Norbert Stefan. Daher könnte Fetuin-A insbesondere für Hochrisiko-Personen relevant sein.

Die vorliegende Studie sowie zahlreiche andere Untersuchungen sprächen zudem für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Fetuin-A-Konzentration im Blut und dem Diabetesrisiko. Damit könne Fetuin-A nicht nur als Diabetes-Risikomarker eine wichtige Rolle in der Diabetesprävention spielen, sondern käme auch als Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente in Frage, sagt Norbert Stefan. Eine Ausweitung und Verstärkung der Diabetesforschung sei angesichts der stetig wachsenden Zahl der Diabetiker dringend notwendig.

*EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition

Hintergrundinformationen:

Weltweit nimmt die Zahl der Typ-2-Diabetiker dramatisch zu. In Deutschland sind bereits mehr als 7 Prozent der Bevölkerung erkrankt. In der Altersgruppe der 55-70 jährigen schätzt man, dass mehr als 16 Prozent der Deutschen einen Diabetes, und weitere 16 Prozent eine gestörte Glucose-Toleranz haben, also ein deutlich erhöhtes Diabetesrisiko. Neben genetischen Faktoren erhöhen Faktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel das Erkrankungsrisiko. Lebensstilinterventionen können jedoch das Ausbrechen einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung bei Risikopersonen deutlich verzögern oder gar verhindern.

Die Resultate, die durch eine Ernährungsumstellung und Bewegungsprogramme erzielt werden, sind jedoch sehr variabel. Zudem sind Präventionsprogramme kostspielig und zeitaufwendig und unser Gesundheitssystem kann nicht alle Menschen mit intensiven Präventionsmaßnahmen versorgen. Wie Forscher in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten TUebinger Lebensstil Interventionsprogramm (TULIP) gezeigt haben, gibt es Menschen, die auf die üblichen Maßnahmen nicht ansprechen. Diese sogenannten „Non-Responder“ sollten rechtzeitig identifiziert und gegebenenfalls frühzeitig mit Medikamenten behandelt werden. Zu der Gruppe der „Non-Responder“ zählen vor allem Hochrisiko-Personen, die durch einen hohen Fettanteil in der Leber, eine geringe sportliche Kondition und eine mangelnde Insulinsekretion charakterisiert sind. Eine Risikoabschätzung anhand des Fetuin-A-Wertes und anderer Biomarker könnte dabei helfen, Hochrisiko-Personen rechtzeitig zu identifizieren und menschliches Leid zu verhindern.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 82 außeruniversitäre Forschungsinstitute und forschungsnahe Serviceeinrichtungen. Diese beschäftigen etwa 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand 12/2006). Davon sind ca. 5.400 Wissenschaftler (inkl. 2.000 Nachwuchswissenschaftler). Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Sie sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Die Drittmittel betragen etwa 225 Millionen Euro pro Jahr. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Kontakt:

PD Dr. Norbert Stefan
Medizinische Klinik IV, Abteilungen für Endokrinologie, Diabetologie, Angiologie, Nephrologie und Klinische Chemie
Universität Tübingen
Otfried-Müller-Str. 10
D-72076 Tübingen
Tel: ++49 (0)7071-2980390
E.Mail: norbert.stefan@med.uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost
Wissenschaftlicher Direktor
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
D-14558 Nuthetal
Tel.: ++49 (0)33200-88-416
E-Mail: joost@dife.de
oder
Prof. Dr. Matthias Schulze
E-Mail: mschulze@dife.de
Dr. Gisela Olias
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
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Tel.: ++49 (0)33200-88-278/-335
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