Erstmals Patienten mit asbestbedingtem Lungenfellkrebs Erfolg versprechend behandelt

Bei der Ganzkörperhyperthermie werden die Patienten in ein röhrenförmiges Gerät gebettet

Therapiestudie an der Universität Lübeck untersucht Kombination aus Ganzkörperhyperthermie und Chemotherapie

Die kontrollierte Überwärmung des menschlichen Organismus – die Ganzkörperhyperthermie – stellt seit mehreren Jahren einen Schwerpunkt in der experimentellen Krebstherapie der Universität zu Lübeck dar. In einer so genannten Phase II Studie konnte jetzt erstmals der Nutzen einer in Kombination mit einer Chemotherapie durchgeführten Hyperthermie für Patienten mit asbestbedingtem Lungenfellkrebs belegt werden.
„76 Prozent der Patienten haben von der neuen Therapie profitiert. Die Patienten, bei denen die Behandlung Wirkung zeigte, hatten einen Gewinn an Lebenszeit und Lebensqualität, waren belastbarer und hatten weniger Schmerzen“, erläuterte Studienleiterin Dr. Afsaneh Bakhshandeh-Bath von der Medizinischen Klinik I (Direktor: Prof. Dr. med. Horst Lorenz Fehm). Mit Unterstützung der Berufsgenossenschaften werden die Ergebnisse jetzt in einer weiterführenden Studie geprüft.
Asbest! Schon die Nennung des in den 70er und 80er Jahren häufig verwandten Dämmstoffs (Asbestzement) weckt bei vielen Menschen ungute Erinnerungen. Denn allzu oft hat das Einatmen winziger Asbestpartikel schwere Lungenerkrankungen hervor gerufen.
Auch eine besonders schreckliche Form von Krebs ist auf Asbestkontakt zurück zu führen: Das Pleuramesotheliom. Der Tumor wächst rund um den Brustkasten und schnürt dem Patienten sehr schnell die Luft ab. Hilfe gibt es bisher nicht: Alle Therapieversuche beschränken sich auf die Linderung der Schmerzen und Verbesserung der Atmung. Innerhalb von sechs bis 12 Monaten nach Diagnosestellung sind die meisten Patienten verstorben.
Pleuramesotheliome sind die mit Abstand häufigsten beruflich bedingten Krebserkrankungen; betroffen sind vor allem Werftarbeiter. Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 1300 neue Fälle bekannt, sagt Dr. Bakhshandeh-Bath. „Zwar gibt es bereits seit 1993 ein Verwendungsverbot von Asbest, doch aufgrund des langen Zeitraums von 20 bis 30 Jahren, die vom Asbestkontakt bis zur Krebserkrankung vergehen, rechnen wir mit einem weiteren deutlichen Anstieg der Patientenzahlen.“
Seit einigen Jahren werden verschiedene Zellgifte (Zytostatika) mit dem Ziel eingesetzt, das schnelle Wachstum des bösartigen Tumors zu stoppen. Erste viel versprechende Ergebnisse einer weltweiten Studie mit über 400 Patienten wurden im Mai auf dem amerikanischen Krebskongress ASCO vorgestellt. Die Daten der Kombinationsbehandlung Ganzkörperhyperthermie/Chemotherapie aus Lübeck wurden ebenfalls auf dem ASCO-Kongress präsentiert. Bei fünf der 25 Studienteilnehmer (20 Prozent) reduzierte sich der Tumor um mehr als die Hälfte, bei weiteren drei (12 Prozent) um mehr als ein Viertel. Bei elf Patienten (44 Prozent) konnte das Tumorwachstum gestoppt werden; nur sechs sprachen nicht auf die Therapie an. Die durchschnittliche Überlebenszeit aller 25 Patienten lag bei 19 Monaten; die Patienten, bei denen die Therapie Wirkung zeigte, lebten im Mittel sogar 20 Monate. „Im Vergleich zur sehr schlechten Prognose bedeutete dies einen großen Gewinn für die Patienten. Wer auf die Therapie ansprach, dem ging es in der Folgezeit so gut, dass die oft sehr hohen Dosen an Schmerzmitteln teilweise ganz abgesetzt werden konnten“, erläuterte Dr. Bakhshandeh-Bath.
Die hyperthermische Behandlung allein hat jedoch keinen Krebs zerstörenden Effekt. Dafür aktiviert das künstliche Fieber den Stoffwechsel in den Tumorzellen und macht diese dadurch empfindlicher für die medikamentöse Behandlung. Verwendet werden bei Pleuramesotheliomen drei Zytostatika. Die verabreichten Präparate – das haben Studien an speziell gezüchteten Mäusen ergeben – wirken in Verbindung mit der hohen Körpertemperatur vier- bis sechsmal stärker als unter „kalten“ Bedingungen. Ganzkörperhyperthermie und Chemotherapie werden im monatlichen Abstand zunächst zweimal durchgeführt. Zeigt sich ein Effekt, folgen zwei weitere Therapiezyklen.
Die Universität zu Lübeck ist die erste Klinik in Deutschland, in der die Ganzkörperhyperthermie kontinuierlich zur Krebsbekämpfung eingesetzt wird; jährlich finden bis zu 150 Überwärmungen statt. Seit zehn Jahren werden vor allem Patienten mit Weichteilsarkomen (Tumore, die vornehmlich im Gewebsbereich in Bauch und Becken auftreten), Bauchspeicheldrüsenkrebs und asbestbedingtem Lungenfellkrebs behandelt.
Die Patienten werden dabei in ein röhrenförmiges Gerät gebettet, das Prof. Ian Robins von der Universität Wisconsin, USA, entwickelt hat und aus dem nur der Kopf herausschaut. Durch geschwärzte Kupferrohre wird 62 Grad heißes Wasser geleitet, zugleich wird in dem Gerät mit zwei Ultraschallverneblern die Luftfeuchtigkeit auf 100 Prozent angereichert. Nach einer eineinhalbstündigen „Vorwärmphase“ erreicht die Körpertemperatur 41,8 Grad, auf der sie eine Stunde lang gehalten wird. Anschließend dauert es weitere eineinhalb Stunden, in denen der Patient wieder abkühlt. Der Flüssigkeitsverlust wird während der Hyperthermie mit rund fünf Litern Glucose- und Kochsalzlösungen ausgeglichen, gleichzeitig erhält der Krebskranke die spezielle Medikamentenkombination.
Voraussetzung für eine hyperthermische Behandlung ist ein guter Allgemeinzustand. Da die Ganzkörperhyperthermie eine erhebliche kardiopulmonale Belastung für den Patienten mit sich bringt, muss die Herz-, Lungen- und Nierenfunktion durch entsprechende Eingangsuntersuchungen abgeklärt werden. Patienten erhalten vor der Überwärmung ein Beruhigungsmittel und schlafen meist. Am nächsten Tag stellt sich oft ein geradezu euphorisches Gefühl ein, weil während der Hyperthermie die Endorphinausschüttung stark ansteigt. Chemotherapie bedingte Nebenwirkungen wie Übelkeit machen sich erst später bemerkbar.
Dr. Bakhshandeh-Bath: „Jetzt hat an der Lübecker Uniklinik eine weiterführende Studie der Phase III begonnen, bei der die Wirkung einer kombinierten Ganzkörperhyperthermie und Chemotherapie mit der einer al-leinigen Chemotherapie verglichen wird. Für die neue Studie werden noch Pleuramesotheliompatienten bis 65 Jahre gesucht, die bisher keine Chemo- oder Strahlentherapie hatten und sich in guter körperlicher Fassung befinden.“ Sie können sich unter Tel.: 0451-500 23 16 oder Fax: – 500 23 56 bei Dr. Bakhshandeh-Bath informieren und anmelden.

Hyperthermie

Bei der Hyperthermie handelt es sich um eine kontrollierte Erhöhung der Körpertemperatur, die in Verbindung mit anderen Therapien (Chemo- oder Strahlenbehandlungen) gezielt zur Krebsbekämpfung eingesetzt wird. Das künstliche Fieber erhöht die Tumordurchblutung und -sauerstoffsättigung, was ein besseres „Anfluten“ der Medikamente ermöglicht. Die Wirkung der Chemotherapie wird durch die Hyperthermie jedoch nur dann erhöht, wenn die Tumorzellen überhaupt sensibel für entsprechende Zytostatika sind.
Unterschieden wird zwischen drei Arten der Hyperthermie: Die lokale Überwärmung wird in der Regel zur direkten, schnellen Tumorbehandlung im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung eingesetzt. Dadurch soll das Geschwür möglichst effektiv bekämpft werden, um den Zustand des Patienten zu verbessern. Bei der regionalen Hyperthermie wird ein ganzer Bereich des Körpers, wie z.B. das Becken bei einem Blasenkrebs, in die Behandlung einbezogen. Die Ganzkörper-Hyperthermie kann u.a. eingesetzt werden, wenn der Krebs sich bereits an anderer Stelle im Körper angesiedelt und Metastasen gebildet hat.
Die Temperatur wird auf unterschiedliche Art erzeugt: Bei der regionalen Überwärmung umgibt den Patienten ein mit Wasser gefüllter, so genannter Bolus. An der Plexiglasfassade angebrachte Antennen erzeugen wärmespendende Radiowellen, die durch Computer-Steuerungen in den Tumor gelenkt werden. Bei der Ganzkörper-Hyperthermie schaut lediglich der Kopf aus einer thermisch abgeriegelten Hülle heraus. Eine Hyperthermie-Behandlung dauert bis zu fünf Stunden und muss in der Regel mehrfach wiederholt werden, bevor sie entsprechende Wirkung zeigt.
Noch werden nur Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung behandelt, bei denen der Tumor nicht oder nur sehr schwer operiert werden kann oder bei denen bereits Tochtergeschwülste (Metastasen) gewachsen sind. Langfristig hoffen Krebsforscher, das Verfahren auch bei breiteren Patientengruppen anwenden zu können. Derzeit werden vor allem Patienten mit Darm- und Eierstockkrebs, Bindegewebserkrankungen, Bauchspeicheldrüsenkrebs und Pleuramesotheliomen hyperthermiert.

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Rüdiger Labahn idw

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