Strategien zum Schutz der Menschen vor Krankheitserregern aus dem Tierreich

Die meisten Krankheitserreger, die beim Menschen in den letzten 25 Jahren neu auftraten, stammen aus dem Tierreich. Beispiele hierfür sind die Geflügelgrippe und SARS. Das Risiko, an Zoonosen, also Infektionen, die von Wirbeltieren auf den Menschen übertragen werden, zu erkranken, wird in Zukunft voraussichtlich noch zunehmen.

Vor diesem Hintergrund veröffentlicht der European Academies Science Advisory Council (EASAC), ein Zusammenschluss der nationalen Wissenschaftsakademien der Mitgliedsländer der Europäischen Union, nun seine Empfehlungen mit dem Titel „Combating the threat of zoonotic infections“. Sie sollen helfen, Zoonosen und die damit verbundenen Gefahren für Mensch und Tier in den Griff zu bekommen. Eine EASAC-Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Professor Dr. Volker ter Meulen, dem Präsidenten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, hat diesen Bericht verfasst.

60 Prozent aller Krankheitserreger beim Menschen sind zoonotische Erreger. Sie können Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze oder Prionen sein. Dazu gibt es eine Vielzahl von Tieren, die als Reservoir für diese Erreger fungieren sowie eine Vielzahl von Übertragungswegen auf den Menschen. Nicht zu vergessen ist die Übertragung von Krankheiten durch Nahrungsmittel. In den Empfehlungen werden die seit der Niederländischen EU-Ratspräsidentschaft 2004 bereits ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Zoonosen ausdrücklich gewürdigt: Die Aktivitäten in den Bereichen der Human- und Veterinärmedizin wurden aufeinander abgestimmt, globale Strategien werden gefördert, Forschungsnetzwerke wurden eingerichtet. Dennoch sind weitere konzertierte Aktionen dringend erforderlich.

Die nun veröffentlichten Empfehlungen berühren unter anderem zentrale strategische Punkte der Gesundheitsvorsorge, der Forschung und Innovation. Sie erfordern Handlungsbedarf auf der Ebene von EU-Institutionen sowie der einzelnen Mitgliedsländer.

o Epidemiologie, Überwachung und das Monitoring der Risiken
Datenerhebung und -aufbereitung müssen weiter standardisiert werden, pathogene zoonotische Erreger besser erfasst und einzelne Betriebe besser überwacht werden.
o Internationale Zusammenarbeit
EU-Kommission und EU-Parlament werden aufgefordert, internationale Initiativen, wie das „Global Early Warning System“ (eine gemeinschaftliche Einrichtung von WHO, FAO und OIE, die Daten zu Ausbrüchen von Zoonosen zur Verfügung stellt) zu unterstützen. Weiterhin wird angeregt, einen breiteren geografischen Blickwinkel für Infektionen zu entwickeln, da Krankheitserreger sehr schnell die Grenzen von Kontinenten überwinden.
o Forschung und Bildung
Es bestehen nach wie vor gravierende Defizite in der Zoonose-Forschung, für die auf europäischer Ebene mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden sollten. Beispiele hierfür sind die Mechanismen der Übertragung zwischen den Arten, die Anpassung an den Wirt, Pathogenität und antimikrobielle Resistenzen. Aber auch der Aufklärung der Bevölkerung sollte größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
o Innovation
Zur Mobilisierung finanzieller Ressourcen für die Forschung sollten die politisch Verantwortlichen in der EU Anreize schaffen, damit vermehrt in die Entwicklung neuer Diagnostika investiert wird. Ein Beispiel hierfür ist ein diagnostischer Chip, mit dem zeitgleich eine Reihe von Viruserkrankungen erkannt wird.
Die Stellungnahme kann nachgelesen werden unter
http://www.leopoldina-halle.de/cms/fileadmin/user_upload/leopoldina_
downloads/EASAC_Zoonoses.pdf
Zusammenfassung in deutscher Sprache:
http://www.leopoldina-halle.de/cms/fileadmin/user_upload/leopoldina_
downloads/EASAC_Zoonosen_Zus_dt.pdf
Bei den jetzt publizierten Empfehlungen handelt es sich um den vierten EASAC-Bericht zum Komplex der Infektionskrankheiten. Zuvor erschienen bereits die Empfehlungen „Infectious diseases – importance of co-ordinated activity in Europe“ (Juni 2005, siehe http://www.leopoldina-halle.de/easac-report05.pdf), „Vaccines: innovation and human health“ (Mai 2006, siehe http://www.leopoldina-halle.de/easac-report06.pdf) und „Tackling antibacterial resistance in Europe“ (Juni 2007, siehe http://www.leopoldina-halle.de/easac-report07.pdf).
Zu EASAC
Der European Academies Science Advisory Council (EASAC), bestehend aus den nationalen Wissenschaftsakademien der EU-Mitgliedsstaaten, hat sich 2001 etabliert. Die deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ist Mitglied bei EASAC. EASAC versteht sich als Gremium, in dem wissenschaftsbasierte Stellungnahmen zu wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Themen formuliert werden. Dazu werden zeitlich befristet Arbeitsgruppen eingesetzt. EASAC wird vornehmlich von den Mitgliedsakademien finanziert und hat keine kommerziellen oder privatwirtschaftlichen Geldgeber. Die Mitglieder der Projektgruppen arbeiten ehrenamtlich. Die EASAC-Mitglieder pflegen enge Kontakte zu den politisch Verantwortlichen in der Europäischen Union, im Parlament, im Rat und der Kommission. Damit bietet sich den europäischen Akademien eine Möglichkeit, mit wissenschaftsbasierten Empfehlungen der europäischen Politik Hinweise zu vermitteln. Für weitere Informationen zu EASAC siehe http://www.easac.eu
Zur Akademie Leopoldina
Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (gegründet 1652 in Schweinfurt) mit Sitz in Halle an der Saale (seit 1878) ist eine überregionale Gelehrtengesellschaft mit gemeinnützigen Aufgaben und Zielen. Sie fördert inter- und transdisziplinäre Diskussionen durch öffentliche Symposien, Meetings, Vorträge, die Arbeit von Arbeitsgruppen, verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse, berät die Öffentlichkeit und politisch Verantwortliche durch Stellungnahmen zu gesellschaftlich relevanten Themen, fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und sie betreibt wissenschaftshistorische Forschung. Im Juli 2008 wird die Leopoldina im Rahmen eines Festaktes offiziell die Aufgaben der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Deutschland übernehmen. Als Schirmherr konnte Bundespräsident Horst Köhler gewonnen werden.

Der Leopoldina gehören zur Zeit etwa 1300 Mitglieder in aller Welt an. Drei Viertel der Mitglieder kommen aus den Stammländern Deutschland, Schweiz und Österreich, ein Viertel aus 30 weiteren Ländern. Zu Mitgliedern werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen sowie aus den Kultur-, Technik-, empirischen Geistes-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften gewählt, die sich durch bedeutende Leistungen ausgezeichnet haben. Unter den derzeit lebenden Nobelpreisträgern sind 32 Mitglieder der Leopoldina.

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Jutta Schnitzer-Ungefug idw

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