Algenaugen steuern Zellen für neue Therapien

Für viele Biologen ist in den vergangenen zehn Jahren ein Traum wahr geworden: Mithilfe der Optogenetik können sie lichtempfindliche Proteine in unterschiedliche Zellen einbauen und durch Licht an- und abschalten. Das italienische Unternehmen Axxam hat nun dieses von Max-Planck Forschern entwickelte Prinzip erstmals in einer Screening-Plattform eingesetzt. Damit kann die Suche nach neuen Wirkstoffen für die Medizin beschleunigt und vereinfacht werden.

Lichtempfindliche Proteine – sogenannte Rhodopsine – im Auge von Tieren wandeln Licht in elektrische Reize für Nervenzellen um und ermöglichen so das Sehen. Max-Planck Forscher haben im Jahr 2002 auch in der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii  Rhodopsin-ähnliche Proteine entdeckt, die von Licht aktiviert werden und als Ionenkanal agieren. Das von den Entdeckern Ernst Bamberg und Georg Nagel vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt und Peter Hegemann an der Universität Regensburg Channelrhodopsin2  genannte Protein wird von blauem Licht aktiviert und bewirkt einen massiven Einstrom von positiven Ionen in die Zelle.

Aus diesen Anfängen ist der heute als Optogenetik bekannte Forschungszweig zu einer wichtigen Forschungsrichtung innerhalb der Neurowissenschaften geworden. Rund 1000 Labors weltweit nutzen mittlerweile diese Technik und entwickeln sie weiter, um gezielt bestimmte neuronale Netzwerke an- und auszuschalten und deren Funktion zu untersuchen. Auch andere Zelltypen wie etwa Herzmuskelzellen können durch Optogenetik gesteuert werden und das mit einer zeitlich und räumlich bisher nicht erreichten Genauigkeit. Darüber hinaus gibt es verschiedene Ansätze, Patienten auf optogenetischem Wege zu behandeln, beispielsweise Menschen mit Schädigung der Netzhaut oder des Innenohrs.

Die Firma Axxam SpA in Mailand, ein führender Dienstleister für Forschung und Entwicklung, hat nun ein Screening-Verfahren entwickelt, das mithilfe der Optogenetik eine große Zahl unterschiedlicher spannungsabhängiger Ionenkanäle parallel testet. Solche Kanäle sind interessante Ziele für die Suche nach neuen medizinischen Wirkstoffen. Dabei werden Zellen genetisch so verändert, dass sie verschiedene Varianten von Channelrhodopsin und den zu untersuchenden Ionenkanal bilden.

Die Ion ChannelFLASH-Plattform verwendet LED-basierte Lichtquellen (FLIPRTETRA), die das Channelrhodopsin aktivieren und so die Spannung in den Zellen verändern. So lässt sich analysieren, ob ein Wirkstoffkandidat das Verhalten des Ionenkanals bei unterschiedlichen Zellspannungen wie gewünscht verändert. 

Die neue Plattform ersetzt zeitaufwändige und teure Methoden, die mit Elektroden oder unnatürlich hohen Konzentrationen von Kalium arbeiten. Sie wurde auf der Basis eines nichtexklusiven Lizenzvertrags mit Max-Planck Innovation GmbH, der Technologie-Transferorganisation der Max-Planck-Gesellschaft, zur Nutzung biologischer Fotorezeptoren für die direkte lichtaktivierte Steuerung von Ionenkanälen entwickelt. Die Channelrhodopsin-Technologie von Bamberg, Nagel und Hegemann wurde dadurch für Axxam nutzbar.

Das Beispiel der Entdeckung von Channelrhodopsin zeigt, dass Grundlagenforschung  in hochspezialisierten Forschungsgebieten zu Durchbrüchen auf ganz anderen Feldern und zu innovativen Anwendungen führen kann. Aus der ursprünglichen Forschung an Grünalgen, die auf den ersten Blick von einer medizinischen Anwendung weit entfernt ist, hat sich mit der Optogenetik in wenigen Jahren ein Forschungsgebiet entwickelt, aus dem neue Behandlungsmöglichkeiten hervorgehen können.

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