Universität Rostock testet Flüssigkeiten zum Abschrecken von Metall

Foto: Christin Schmidt und Martin Beck demonstrieren ein Abschreckexperiment an einem selbst konstruierten Versuchsstand (Foto: Universität/ Julia Tetzke)<br>

Jeder kennt das aus dem Haushalt: wenn man die gekochten Eier gut abschreckt, lassen sie sich viel besser verarbeiten. Was aber im Kleinen nützlich und bequem ist – wie setzt man das etwa in der Industrie um? Denn auch dort müssen metallische Bauteile nach der Wärmebehandlung „abgeschreckt“ werden. Da reicht es nicht, den Wasserhahn aufzudrehen. Das hat negative Auswirkungen auf die Qualität. So kann es zum Verzug bei Bauteilen kommen.

Wissenschaftler der Universität Rostock aus dem Maschinenbau, der Chemie und Physik haben im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes herausgefunden, dass es eine neuartige Flüssigkeitsklasse gibt, die den Abschreckvorgang, also das rasche Abkühlen, deutlich verbessern und vielleicht schon bald industriell angewendet und verfeinert werden kann. Die Schlüsselrolle dabei spielen Ionische Flüssigkeiten. Sie haben erst in der letzten Dekade eine Reihe von neuen Anwendungsfeldern erschlossen.

„Durch ihre speziellen Eigenschaften lassen sie sich gut für das Abschrecken metallischer Bauteile verwenden“, sagt Diplom-Ingenieur Martin Beck. Sein Ziel: „Es muss schnell, gleichmäßig und einfach funktionieren“. Der junge Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Werkstofftechnik hat jetzt auf dem Härtereikongress in Wiesbaden, das ist die größte Fachtagung für Wärmebehandlung im europäischen Raum, einem internationalen Publikum die neusten Forschungsergebnisse bei der Wärmebehandlung metallischer Bauteile mit Ionischen Flüssigkeiten vorgestellt. Der 27-Jährige wird dafür mit dem Paul-Riebensahm-Preis ausgezeichnet. Der wird jedes Jahr für den besten Vortrag eines jungen Wissenschaftlers vergeben.

Die Anwendungsgebiete Ionischer Flüssigkeiten halten Martin Beck sowie seine Kollegen, die Chemikerin Christin Schmidt und der Physiker Dr. Mathias Ahrenberg für schier unbegrenzt. Sie sind zudem ein ausgewiesener Forschungsschwerpunkt des Instituts für Chemie der Universität Rostock. Nicht zuletzt war mit Paul Walden vor über 90 Jahren ein Pionier der Forschung zu Ionischen Flüssigkeiten im Rostocker Institut für Chemie tätig, auch wenn der Begriff Ionische Flüssigkeit für diese Substanzklasse erst deutlich später eingeführt wurde. Nach zahlreichen Versuchsreihen mit Metallzylindern steht für Martin Beck fest, dass es bei der Wärmebehandlung von metallischen Bauteilen ein „enormes Potenzial“ gibt.

„Bislang wird beim schnellen Abkühlen großer Stahl- oder Aluminiumbauteile von ihrer Glühtemperatur runter in den unkritischen Temperaturbereich in der industriellen Fertigung überwiegend mit Wasserbädern gearbeitet“, erläutert der junge Physiker Dr. Mathias Ahrenberg. „Beim Eintauchen kommt es dabei jedoch zum so genannten Leidenfrosteffekt“. Das heißt im Klartext: das siedende Wasser bildet eine thermisch isolierende Schicht um das Bauteil und behindert so die schnelle Kühlung. Daraus resultierende Inhomogenitäten in der Temperaturverteilung innerhalb des Bauteils führen zu unerwünschtem Verzug. Ahrenberg sagt: „Ionische Flüssigkeiten sind bekannt für ihre hohe thermische Stabilität und ihren geringen Dampfdruck, das heißt also das sie bei Raumtemperatur quasi nicht verdampfen. „Das macht sie zu perfekten Kandidaten für das industrielle Abschrecken von Bauteilen“.

„Gerade durch das Verknüpfen unterschiedlicher Bereiche wird in Rostock immer wieder Neues angestoßen“, ist Prof. Udo Kragl, Lehrstuhlinhaber für Technische Chemie und Dekan der Interdisziplinären Fakultät, zufrieden. „Es macht Spaß, unterschiedliche Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren“, sagt Kragl. Für ihn steht fest: Innovative Lösungen brauchen vor allem zwei Dinge: Eine extrem hohe Spezialisierung und eine denkbar enge Interaktion verschiedener Wissensgebiete. Mehr denn je basieren neue Ideen und Technologien auf interdisziplinärem Denken.

Martin Beck wirft den Blick voraus, will weitere Versuche mit Ionischen Flüssigkeiten unterschiedlicher Zusammensetzung fahren, um zu sehen, ob sich der Verzug von Bauteilen dadurch reduzieren lässt. (Text: Wolfgang Thiel)

Dipl.- Ing. (SFI) Martin Beck
Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik Lehrstuhl für Werkstofftechnik
Telefon: +49 (0)381 498 9484
Fax: +49 (0)381 498 9472
E-Mail: martin.beck@uni-rostock.de
Web: www.metals.uni-rostock.de
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