Transparentes künstliches Perlmutt mit Ziegelmauer im Nanometer-Maßstab

Mit den Tricks der Natur entwickelt das DWI neue Werkstoffe. Gezeigt ist eine elektronenmikroskopische Aufnahme eines transparenten Perlmutt-Imitats. Foto: P. Das, A. Walther / DWI

Die Forschungsgruppe um Dr. Andreas Walther am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien in Aachen entwickelte jetzt einen Perlmutt-inspirierten Nano-Verbundwerkstoff, der bemerkenswerte mechanische Charakteristika mit Glas-ähnlicher Transparenz sowie einer hohen Gas- und Feuerbarriere kombiniert (Nature Communications, 2015).

Die Struktur von Perlmutt ähnelt einer Ziegelmauer, wenn auch im mikroskopischem Maßstab: Kalziumcarbonat-Plättchen (die ‚Ziegelsteine‘) wechseln sich mit einer weichen Biopolymermasse (dem ‚Mörtel‘) ab. Während die harten Plättchen die eigentliche Last tragen und die Struktur festigen, leiten die weichen Polymerbestandteile von außen einwirkende Energie ab, was insgesamt zu einer hohen Stabilität bei verhältnismäßig geringem Gewicht führt.

Perlmutt wird als Goldstandard natürlicher Materialien bezeichnet, da es extrem steif und gleichzeitig bruchzäh ist, eine Merkmalskombination, die in synthetischen Materialien nur schwer zu realisieren ist. Problematisch für Wissenschaftler war bisher der hohe Aufwand beim Nachbau derartiger Strukturen. Darüber hinaus war es bislang keiner Forschungsgruppe gelungen, transparente Perlmutt-mimetische Filme und Folien herzustellen.

Andreas Walther und sein Team setzen hierzu auf synthetische Schichtsilikat-Plättchen als Grundbaustein für das Perlmutt-Imitat. Dies verbessert insbesondere die Transparenz des Materials. Auch am Herstellungsprozess feilten die Aachener: „Bei Muscheln kann sich das Perlmutt in einem langsamen Wachstumsprozess bilden, für unser neues Hybridmaterial nutzen wir dagegen einen einfachen und schnellen Selbstanordnungseffekt“, so der 34-jährige Chemiker.

Im ersten Arbeitsschritt versehen die Wissenschaftler die hauchdünnen Schichtsilikate mit einer Hülle aus Polyvinylalkohol (‚Mörtel auf dem Ziegelstein’) und lassen diese Kern/Schale-Bausteine anschließend durch Wasserentzug selbstständig aggregieren. Nach weniger als 24 Stunden ist der Nano-Verbundwerkstoff fertig.

Um mehr darüber zu erfahren, wie die Beschaffenheit der Einzelkomponenten die Merkmale des resultierenden Materials beeinflusst, verglichen die Wissenschaftler Schichtsilikate mit ganz verschiedenen Größen. „Sind die Schichtsilikate besonders klein, erhält man ein extrem bruchzähes Material.

Bei großen Schichtsilikaten, ihre Länge entspricht hier einem 3500-fachen der Dicke, entsteht dagegen ein sehr steifes und festes Material, welches in seiner Beschaffenheit an aufwendig herzustellende Faserverbundwerkstoffe heranreichen kann“, erklärt DWI-Doktorandin Paramita Das. Besonders interessant sind zudem die Glas-ähnliche Transparenz und die extrem niedrige Gasdurchlässigkeit des Nanokomposits.

Durch diese Kombination von Eigenschaften kann das Perlmutt-Imitat aus Aachen neben dem Einsatz als strukturelles Materials auch zukünftige Anwendung bei der Lagerung von Gas und in der Verpackung von Lebensmitteln finden. Darüber hinaus könnte es insbesondere als Substrat und zur Verkapselung oxidationsempfindlicher organischer Elektronik in flexiblen Displays dienen.

Publikation:
P. Das, J.-M. Malho, K. Rahimi, F. H. Schacher, B. Wang, D. E. Demco, A. Walther
Nacre-Mimetics with Synthetic Nanoclays up to Ultrahigh Aspect Ratios
Nature Communications (2015), doi: NCOMMS6967

http://www.nature.com/ncomms/2015/150120/ncomms6967/full/ncomms6967.html

Media Contact

Dr. Janine Hillmer idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.dwi.rwth-aachen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer