Schneller und wirtschaftlicher – mit dem richtigen Ton

Stabiles Papier dank Ton: Fasern und mineralische Füller (helle Plättchen in der Bildmitte) unter dem Elektronenmikroskop (Aufnahme: Frank Friedrich, KIT)<br>

Der einheimische Rohstoff ist für zahlreiche Industrieprodukte unverzichtbar: ob bei der Herstellung von Zement, Autoreifen oder Zahncreme. Wie das mineralische Material ressourcenschonend und effizient genutzt werden kann, erforschen Wissenschaftler am Kompetenzzentrum Materialfeuchte (CMM Competence Center for Material Moisture) und am Institut für Funktionelle Grenzflächen (IFG) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

„Ton ist zwar auf absehbare Zeit in ausreichender Menge vorhanden, trotzdem sollte man sparsam mit ihm umgehen“, sagt Dr. Rainer Schuhmann, stellvertretender Leiter des IFG und Leiter des CMM. Denn nicht überall, wo Ton vorhanden ist, ist er auch verfügbar: Tonhaltige Böden speichern Wasser und bilden damit häufig Feuchtbiotope und Landschaftsschutzgebiete. Um Ressourcen zu schonen, suchen die KIT-Forscherinnen und -Forscher nach dem optimalen Ton für die jeweilige Verwendung – denn Ton ist nicht gleich Ton.

„Ton besteht aus fünf bis zehn verschiedenen Mineralen“, erläutert Privatdozentin Dr. Katja Emmerich vom CMM/IFG. Durch die Wechselwirkung dieser Minerale miteinander sowie mit Wasser können Tone beim Verarbeiten verschieden reagieren. Ein Beispiel dafür ist die unterschiedliche Bleichfähigkeit: In der Papierherstellung wird Ton beigegeben, um das Papier stabil genug zum Bedrucken zu machen. Obwohl sie Ton aus derselben Lagerstätte enthalten, sind manche Papiere aber „weisser“ als andere. Der Grund: „Wie gut oder schlecht sich das tonhaltige Papier bleichen lässt, hängt davon ab, in welchem Mineral des Tons Eisen gebunden ist“, erklärt Emmerich. Mit diesem Wissen lässt sich das Bleichverfahren an den jeweiligen Tonrohstoff anpassen – beim Bleichen wird so weniger Wasser chemisch belastet.

Zuverlässige Vorhersagen über das Verhalten eines bestimmten Tons können der Industrie maßgeschneiderte Empfehlungen für das Ausgangsmaterial ihrer Produkte geben. Die Anwendungspalette ist breit: Ton ist Werkstoff für Keramik und wird zum Herstellen von Formen für den Metallguss verwendet. Mit Ton lassen sich Deponien abdichten und Erdwände beim Tunnelbau stabilisieren. In der Rohstoffbewertung mit wissenschaftlicher Analytik sehen die KIT-Wissenschaftler einen Weg „schneller und wirtschaftlicher bessere Produkte herzustellen“. Bislang werde der Ton in den verarbeitenden Unternehmen vorwiegend „erfahrungsbasiert“ – unter anderem nach dem Aussehen oder seiner Beschaffenheit beim Kneten sowie der allgemeinen chemischen Zusammensetzung – ausgewählt, sagt Katja Emmerich. „Wir dagegen betrachten den Ton nicht mehr als Ganzes, sondern seine festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteile in ihrem komplexen Wechselspiel“, so die Mineralogin. Ziel der Forschung ist, zu verstehen, wie die Struktur eines Tons und seine Eigenschaften zusammenhängen. Diese Erkenntnisse tragen auch dazu bei Emissionen zu verringern: Durch die Steuerung des Brennprozesses bei der Keramikproduktion kann zum Beispiel Fluor mineralisch gebunden und dessen Ausstoß damit reduziert werden.

Da Ton nicht recyclebar ist, kann Nachhaltigkeit nur durch seine effiziente Nutzung erreicht werden. Das CMM, an dem Katja Emmerich den Fachbereich Angewandte Mineralogie leitet, hat mit dem Forschungsinstitut für Anorganische Werkstoffe – Glas/Keramik – GmbH (FGK) in Höhr-Grenzhausen die Allianz Rohstoff-Forschung Ton (ART) gebildet. CMM und IFG übernehmen in dieser Allianz die Grundlagenforschung, das FGK arbeitet in angewandter Forschung und Entwicklung. Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie, Verbänden und Behörden will die Initiative die Forschung an Industriemineralen stärken und weitere Anwendungsfelder erschließen.

Das KIT-Zentrum Klima und Umwelt entwickelt Strategien und Technologien zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen: Dafür erarbeiten 660 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 32 Instituten Grundlagen- und Anwendungswissen zum Klima- und Umweltwandel. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung der Ursachen von Umweltproblemen, sondern zunehmend um die Anpassung an veränderte Verhältnisse.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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