Polymerforscher starten globales Netzwerk KOALA

Am 1. Februar 2012 startete von Mainz aus das weltweit agierende Netzwerk KOALA. Das von der EU geförderte Projekt wird die quer über den Erdball verstreute Forschung zu Wundheilung und Infektionsgefahren koordinieren.

Die Federführung für das neu entstehende Netzwerk übernehmen Forscher am Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) in Mainz. Hauptziel ist es, wissenschaftliche Fortschritte in diesem Forschungsbereich auszutauschen, vergleichbar zu machen und einen einheitlichen Kenntnisstand zu erlangen. Renate Förch, Leiterin des Projektes am MPI-P und Initiatorin von KOALA erklärt: „Nachdem wir bereits mit europäischen Partnern arbeitsteilig forschen und unsere Ressourcen bündeln, ist es nun notwendig die Entwicklung weltweit zu vereinen und die Herausforderungen koordiniert anzugehen.“ Die EU fördert das Projekt in den kommenden 2 Jahren mit 77.000 Euro.

Kampfansage an Krankenhauskeime

Die Wundheilung und die in ihrem Verlauf bestehenden Infektionsgefahren sind ein vielfach unterschätztes Problem, das Mediziner, Klinikmanager und Gesundheitspolitiker vor große Probleme stellt. Untersuchungen von Fachverbänden besagen einhellig, dass Infektionen von Verletzungen und Operationswunden pro Jahr in Deutschland zu weit mehr Todesfällen als im Straßenverkehr führen. Der Kampf gegen Krankenhauskeime, denen mit zunehmenden Antibiotikaresistenzen medikamentös nicht mehr beizukommen ist, wird vor allem über Wundverbände geführt.

Die Zukunft sieht diese als multifunktionelle Materialien, die mit intelligenten Mechanismen die Heilung fördern, die Keimbesiedlung nahezu verhindern, infektiöse Bereiche frühzeitig anzeigen und ihnen mit antibakteriellen Wirkstoffen zu Leibe rücken. Die Entwicklung ist komplexer als es scheint, da zum Beispiel einige körpereigene Bakterien für den Heilungsprozess unerlässlich sind und nicht mit abgetötet werden sollen.

Ein weiterer Faktor ist die Verwendbarkeitsdauer: Jedes Ablösen und neues Aufbringen des Verbandes trägt etwa bei Brandwunden zur Vernarbung bei und behindert die Regeneration. Mit eben diesen medizinischen Problemen beschäftigt sich das von Förch betriebene Projekt BacterioSafe. Seit Juli 2010 wurden erste Materialproben mit den erforderlichen Eigenschaften entwickelt. Dazu kooperiert die Gruppe am MPIP mit Wissenschaftlern der Universitäten Bath (UK) und Siegen, Biologen und Medizinern der Universitätsmedizin Mainz und Bristol (UK) sowie der Dublin City University (Irland). Ingenieurtechnische Institute in Belgien und Finnland befassen sich mit den Herausforderungen die zu einer zukünftigen industriellen Anwendung führen.

Partner aus der Industrie steuern dazu verschiedene Basismaterialien bei. Die Differenzierung von nützlichen Bakterien und infektiösen Keimen erfolgt über deren jeweilige natürliche Mechanismen. Das Wundmaterial signalisiert die Infektion mit Farbstoffen und veranlasst die Ausschüttung von Antibiotika und Antiseptika. Polymere Partikelhüllen mit Wirkstoffen fungieren als Lockvögel für die schädlichen Bakterien. Diese erkennen die Partikel als vermeintliche Nährstoffquelle und setzen ihren Stoffwechsel in Gang, worauf der Wirkstoff ausgegeben wird.

Am MPI-P entwickelt der Arbeitskreis von Direktorin Katharina Landfester maßgeschneiderte Partikel und Vesikel mit verschiedensten Funktionen, unter anderem für den gesteuerten Transport von medizinischen Wirkstoffen. Ihr zielgerichteter Einsatz und die „Unterscheidung zwischen guten und bösen Keimen“ reduziert die Ausbildung von Resistenzen. Die Gruppe um Renate Förch befasst sich mit der Anbindung dieser Partikel oder Vesikel auf den Verbandsmaterialien.

Das KOALA-Netzwerk ist nun der nächste Schritt, mit dem Ziel die einzelnen Funktionen eines Wundverbandes zu optimieren. Primärer Nicht-EU Partner ist eine Forschungsgruppe der University South Australia in Adelaide, die speziell bei der Oberflächenanalytik und –vergütung von Materialien zur Wundbehandlung große Fortschritte erzielt hat. Die australischen Wissenschaftler erproben Wundverbände, die mit Hautzellen des Patienten ein körpereigenes Substrat bilden und den Wundverschluss auf natürliche Weise beschleunigen. Förch erhofft sich vom gegenseitigen Wissenstransfer eine Vereinigung der vielversprechendsten Lösungen: „Der Umgang mit Verbrennungen und anderen großflächigen Wunden ist ein akutes Problem. Oftmals bleibt bisher nur die Wahl zwischen Narben oder Infektionen, und deren Erkennung ist für viele Patienten lebensrettend. Deshalb ist der Bedarf an intelligenten Verbandsmaterialien groß und der wissenschaftliche Fortschritt wird durch Netzwerke wie KOALA einfach beschleunigt.“

Grundlegende Erfahrungen im Umgang mit Implantaten

Die Voraussetzung dafür legte Renate Förch mit ihrem vorangegangenen Forschungsprojekt EMBEK1. Denn was für die Wundheilung gilt, spielt auch bei Implantaten eine herausragende Rolle: Der Heilungsprozess und die körperliche Verträglichkeit. Zur Imitation natürlicher Materialien und Prozesse braucht es ein vollständiges Verständnis im molekularen Maßstab. Die Wissenschaftler haben die biologischen Mechanismen der Anhaftung von Keimen untersucht und Mittel gefunden, diese zu unterbrechen. Dieses Grundlagenwissen ist fundamental für die Forschung an intelligenten Verbänden. Mit Hilfe von KOALA soll dieses Wissen vereint werden, um die bisher in Zusammenarbeit entwickelten Wundmaterialien als Prototypen für zukünftige klinische Tests aufbereiten zu können.

Media Contact

Stephan Imhof Max-Planck-Institut

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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