Perfekt entspiegelt

Die Motte hat es vorgemacht: Sucht sie in der Dämmerung nach Nahrung, muss sie sich vor möglichen Fressfeinden verbergen. Dabei darf sie sich nicht durch Reflexe auf ihren Facettenaugen verraten. Während diese bei anderen Insekten schillern, sind Motten-Augen perfekt entspiegelt: Winzige Ausstülpungen, kleiner als die Wellenlänge des Lichts, bilden eine periodische Struktur auf der Oberfläche. Durch diese Nanostruktur entsteht ein sanfter Übergang zwischen den Brechungsindices der Luft und der Hornhaut. So wird die Spiegelung von Licht reduziert – und der kleine Nachtfalter bleibt unentdeckt.

Diesen Trick haben sich Forscher vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg abgeschaut und für eine ganze Palette von Anwendungen adaptiert: Ob Brillengläser, Handydisplays, Abdeckungen von Armaturen oder Blenden – durchsichtige Oberflächen sind meist nur dann zu gebrauchen, wenn sie eine spiegelfreie Durch- oder Ansicht bieten. Während man ihnen früher in einem zweiten Arbeitsschritt eine Anti-Reflexschicht verpasste, haben die Wissenschaftler nun einen Weg gefunden, wie man die Oberflächen schon während der Herstellung entspiegeln kann: »Wir haben herkömmliche Spritzgussverfahren so modifiziert, dass die Oberfläche am Ende bereits die gewünschte Nanostruktur besitzt«, erläutert Dr. Frank Burmeister, Projektleiter am IWM.

Dafür haben die Forscher eine Hartstoff-Beschichtung entwickelt, die die optisch wirksame Oberflächenstruktur abbildet. »Damit beschichten wir die formgebenden Werkzeuge«, erklärt Burmeister. »Wird die zähflüssige Kunststoffschmelze in die Form gespritzt, übertragen sich diese Nanokonturen direkt auf das Bauteil.« Weil der zweite Arbeitsschritt entfällt, sparen Hersteller enorme Kosten und steigern die Effizienz. »Schließlich müsste das Bauteil für die Anti-Reflex-Beschichtung sonst in einer anderen Anlage weiterverarbeitet werden«, sagt Burmeister.

Gewöhnliches Plexiglas oder auch manche Anti-Reflexschichten sind besonders empfindlich. Die Wissenschaftler produzieren hingegen wischbeständige und kratzfeste Oberflächen. Dazu wird die Gussform zusätzlich mit einer ultradünnen organischen Substanz aus Polyurethan, kurz PU, durchflutet. »Die Substanz läuft in jede Ritze und härtet aus, ähnlich wie ein Zwei-Komponentenkleber«, so Burmeister. Das Ergebnis ist eine hauchdünne Nano-Haut aus Polyurethan, auf der ebenfalls die optisch wirksamen, etwa ein Zehntausendstel Millimeter dicken Oberflächenstrukturen abgebildet sind. Gemeinsam mit Industriepartnern wollen die Forscher nun Komponenten etwa für die Automobilindustrie entwickeln, die nicht nur eine ansprechende Optik haben, sondern auch beständig und gut zu reinigen sind.

Media Contact

Dr. rer. nat. Frank Burmeister Fraunhofer Mediendienst

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer