Neue Märkte für die Papierindustrie: Papier-Composite mit hohem Entwicklungspotential

Fahrradsattel aus Papier-Composits. Foto: Fraunhofer LBF

Bei der Entwicklung von Papier-Compositen ist es notwendig, den gesamten Fertigungsprozess im Detail zu betrachten. Denn ohne ausreichende ökonomische Effizienz wäre eine Platzierung am Markt schwierig. Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF testet Papierverbundwerkstoffe sowohl für die technischen Anforderungen als auch in ihrer Wirtschaftlichkeit und stellt damit die gesamte Prozesskette dar.

Die Ergebnisse zeigen, dass die mechanischen Eigenschaften der untersuchten Papier-Composite im Bereich von Naturfaser-Compositen und teilweise darüber liegen. Es sind viele Anwendungsgebiete mit ebenso vielen Anforderungen an das Material denkbar – ein neues Materialfeld mit hohem Entwicklungspotential entsteht.

In der Papierindustrie sinken die Verkaufszahlen. Das zwingt Papierhersteller, neue Anwendungsfelder für ihre Produkte zu erschließen. Zunehmende Bedeutung gewinnen dabei Aspekte wie Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz neben kommerziellen und technologischen Anforderungen. Eine Möglichkeit, die Umsätze zu steigern, sind Papier-Composite auf Basis einer duroplastischen Matrix.

Die vom Fraunhofer LBF untersuchten Papier-Composite befinden sich derzeit in der Entwicklung zur Marktreife, daher ist noch keine Marktanalyse des Materials auf Grundlage von Langzeituntersuchungen möglich. Zum Vergleich des potentiellen Marktvolumens können Naturfaser-Composite oder Naturfasern herangezogen werden, da sie mit dem untersuchten Material ersetzbar wären.

Die Forscher des Fraunhofer LBF standen zunächst vor der Aufgabe, Papier mit einer duroplastischen Matrix in Verbindung zu bringen. Das Papier hat das Fachgebiet Papierfabrikation und mechanische Verfahrenstechnik (PMV) der TU Darmstadt hergestellt und dabei den Fertigungsprozess laufend optimiert.

Um die Machbarkeit der Substitution von Naturfaser-Compositen durch Papier-Composite zu prüfen, verglichen die LBF-Wissenschaftler Proben aus Laborpapier, kommerziell verfügbarem Papier wie Teebeutel-Papier und Papier aus Neenah Lahnstein sowie Naturfaservliesen.

Die Proben aus Papierfaservlies und die Papier-Composite wurden mit den gleichen Prozessbedingungen hergestellt sowie den gleichen Parametern geprüft. Die Zugprüfungen zeigen viel-versprechende Ergebnisse bei den Festigkeiten für Papier-Composite. Die statische Zugfestigkeit liegt deutlich oberhalb der von Proben aus Teepapier, Flachs oder Viskose.

Es sind viele Anwendungsgebiete mit ebenso vielen Anforderungen an das Material denkbar. Daher müssen weitere Materialeigenschaften wie die Flammbeständigkeit, das Isolationsvermögen oder die Feuchteaufnahme untersucht werden. Papier-Composite könnten mit Hilfe von entsprechenden Modifikationen diese Anforderungen erfüllen und sind daher eine vielversprechende Alternative zu Naturfaser-Compositen.

Fahrräder und Möbel aus Papier

Die meisten Naturfaser-Composite, die in der Industrie verwendet werden, haben lange Fasern und eine thermoplastische Matrix. Die genauen Anwendungsgebiete für Papier-Composite müssen daher noch untersucht werden. Möglich sind Sport- und Freizeitartikel, besonders geeignet sind Skier, Fahrräder oder Sportbögen.

Darüber hinaus lässt sich der neue Verbundwerkstoff bei der Fertigung von Möbeln oder Türen, Paneelen, Leichtbauwänden und Bodenplatten verwenden. Hinzu kommen noch Anwendungsbereiche in der Automobil- und Elektroindustrie, zum Beispiel bei LKW-Aufbauten, Innenausbau, Bodengruppe, Interieur oder Leiterplatten und Gehäuse. Je nach Anforderung kann das Material auf die Anwendung spezialisiert werden.

Günstig, fest und wieder verwertbar

Zu den wesentlichen Vorteilen von Papier-Compositen zählen die niedrigen Kosten, die auf die Dichte bezogene, verhältnismäßig hohe Festigkeit, die Recyclebarkeit und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Ein zusätzlicher Vorteil ist die Nachhaltigkeit der Ausgangsstoffe für die Papierherstellung. Darüber hinaus lassen sich Papierfasern wiederverwenden.

Die Kosten für den Herstellungsprozess lassen sich bisher schwer abschätzen, da sich der Prozess noch in der Optimierungsphase befindet. Produktions-verfahren für die Massenproduktion wie z. B. das Resin Transfer Molding RTM müssen dafür noch erprobt werden.

Media Contact

Anke Zeidler-Finsel Fraunhofer-Institut

Weitere Informationen:

http://www.lbf.fraunhofer.de

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