Mikropumpen fürs Westentaschenlabor

Entstehung der Kern-Schale-Partikel im mikrofluidischen Reaktor<br><br>Foto: Institut für Organische Chemie, JGU<br>

Wissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben winzige Mikropumpen aus elastischem Material entwickelt, die als Bauteile für Chiplabore Verwendung finden könnten. Die Mikropumpen haben einen Durchmesser von etwa einem halben Millimeter und sind damit nicht größer als Grieß.

Sie sind als Kern-Schale-Teilchen aufgebaut mit einer äußeren Hülle aus flüssigkristallinen Elastomeren. Diese Materialien sind in der Lage, auf externe Reize zu reagieren. So verformen sich die runden Kern-Schale-Tropfen bei einer Temperaturerhöhung zu Stäbchen. Durch die Verformung der elastischen Außenhülle wird der innere, flüssige Kern durch ein Ventil nach außen gepumpt. Der Prozess ist reversibel, sodass die Flüssigkeit auch wieder in das Innere der Hohlkugel zurückströmt.

Die Wissenschaftler um Univ.-Prof. Dr. Rudolf Zentel vom Institut für Organische Chemie haben bei ihrer Entwicklung mit einer besonderen Materialklasse gearbeitet: Flüssigkristalline Elastomere (liquid crystalline elastomers, LCE) bestehen aus vernetzten Polymerketten, an die flüssigkristalline Moleküle angebunden sind. LCEs kombinieren dadurch das gummi-elastische Verhalten von Polymernetzwerken mit den selbstorganisierenden Eigenschaften der Flüssigkristalle, wie sie auch aus Flüssigkristalldisplays bekannt sind. Aufgrund der mechanischen Eigenschaften werden diese Werkstoffe häufig als „künstliche Muskeln“ bezeichnet, der Formgedächtniseffekt erlaubt ihre Verwendung als Aktoren und Sensoren.

Eva-Kristina Fleischmann und Hsin-Ling Liang ist es gelungen, eine mikrofluidische Apparatur zu entwickeln, mit deren Hilfe in einem kontinuierlichen Prozess Mikroaktoren aus LCEs hergestellt werden können. Das Besondere an der Methode ist, dass auch Partikel mit einer Kern-Schale-Geometrie machbar sind, wobei ein flüssigkristallines Elastomer die Schale bildet und der Kern im Innern mit Glycerol gefüllt ist. In einer Veröffentlichung in Nature Communications beschreiben die Wissenschaftler weiter, wie sich die runden Kern-Schale-Partikel bei einer Temperaturerhöhung zu Stäbchen verformen.

Wird nun in der Elastomerschale ein Ventil angebracht, führt die Deformation des äußeren Elastomers dazu, dass der innere, flüssige Kern durch das Ventil nach außen gepumpt wird. Da dieser Prozess vollständig reversibel ist, eignen sich die Partikel als Mikropumpen. Damit ist eine neue Anwendung von LCEs als Mikropumpen in mikroelektromechanischen Systemen und Lab-on-chip-Systemen, auch als Chiplabore oder Westentaschenlabore bezeichnet, möglich.

Das Projekt ist eine Kooperation im Rahmen der International Research Training Group 1404, einem internationalen Graduiertenkolleg zwischen der Universität Mainz und der Seoul National University, Korea. Ebenfalls daran beteiligt waren Wissenschaftler vom Institut für physikalische Chemie der Universität Stuttgart.

Fotos:
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/09_org_mikropumpen_kern-schale-partikel01.jpg
Entstehung der Kern-Schale-Partikel im mikrofluidischen Reaktor
Foto: Institut für Organische Chemie, JGU

http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/09_org_mikropumpen_kern-schale-partikel02.jpg
Kern-Schale-Partikel, der den inneren, flüssigen Kern in eine dünne Glaskapillare pumpt
Foto: Institut für Organische Chemie, JGU

Veröffentlichung:
Eva-Kristina Fleischmann, Hsin-Ling Liang, Nadia Kapernaum, Frank Giesselmann, Jan Lagerwall, Rudolf Zentel
One-piece micropumps from liquid crystalline core-shell particles
Nature Communications, 6. November 2012
DOI: 10.1038/ncomms2193

Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Zentel
Institut für Organische Chemie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-20361
Fax +49 6131 39-24778
E-Mail: zentel@uni-mainz.de
http://www.ak-zentel.chemie.uni-mainz.de/

Eva Fleischmann, Hsin-Ling Liang
Institut für Organische Chemie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-25468
E-Mail: eva.fleischmann@uni-mainz.de, hliang@students.uni-mainz.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer