Leistungsfähige Seile: Kunststoff schlägt Stahl

Wissenschaftler der TU-Chemnitz forschen im Projekt „InnoZug“ an der Konzeption von leistungsfähigen und leichten Seilen. „Für Gebäude, die mehrere hundert Meter hoch sind, braucht man riesige Kräne und lange Aufzüge.

Stahlseile kommen dabei aufgrund ihres Eigengewichts kaum in Frage. Irgendwann würde das schwere Seil infolge seines Eigengewichts zerreißen bzw. sich aufschwingen, so InnoZug-Projektleiter Markus Michael von der Professur Fördertechnik der TU-Chemnitz im pressetext-Interview. Das Interesse der Wissenschaftler gilt Seilen aus Synthesefasern.

„Seile aus Kunststoff-Fasern bringen nur ein Achtel des Gewichts von Stahlseilen auf die Waage, besitzen aber die gleiche Festigkeit“, so Michael. Was die Forscher am meisten interessiert, sind die Möglichkeiten dieser neuartigen Seile, die bisher in ähnlicher Form in der Schifffahrt verwendet wurden, etwa um Ozeanriesen im Hafen zu vertäuen oder Ölplattformen zu befestigen. „Wir möchten die Materialien auch in der Fördertechnik anwenden.

Der Unterschied zum klassischen Faserseil besteht darin, dass die Seile nicht nur hohe statische Belastungen ertragen, sondern kontinuierlich gebogen und umgelenkt werden“, erklärt Michael. Zur Verwendung kommen hochmodulare Faserwerkstoffe mit gestreckten Molekülketten, die nach dem Strecken thermisch fixiert werden. Diese sind teilweise deutlich fester als Stahl und haben viele positive Eigenschaften“, erklärt Projektmitarbeiter Ingo Berbig.

Der große Vorteil der Chemnitzer Forscher sind ihre vielfältigen Prüfmöglichkeiten für die Faserseile. „Mit der Entwicklung hochmodularer Faserwerkstoffe Ende des 20. Jahrhunderts eröffneten sich viele neue Anwendungsmöglichkeiten, denen jedoch aufgrund des Neuheitsgrades ein großes Forschungsdefizit gegenübersteht“, meint Michael. „In vielerlei Hinsicht ist die Forschungstätigkeit Grundlagenforschung.“ Da es keine geeignete Prüftechnik zu kaufen gebe, mussten die Techniker das meiste selbst konstruieren. Eigentlicher Schwerpunkt der Arbeit ist die Herstellung von eigenen Seilen. „Nur wenn wir selber Seile produzieren, wissen wir genau, was wir untersuchen“, erklärt Michael. Da für Testuntersuchungen nur kurze Seilstücke benötigt werden, müsse man diese selbst herstellen. Neben zwei Flechtmaschinen in einer kompletten Herstellungslinie stehen in den Laboren Kriechprüfstände, Dauerbiegemaschinen, eine Abrasionsprüfmaschine, ein Treibscheibenprüfstand und eine statische Zugprüfmaschine. Mit dieser Ausstattung könne man alle wesentlichen Eigenschaften von Faserseilen untersuchen, so Michael. „Eine wesentliche Frage ist beispielsweise auch, was mit Seilen geschieht, wenn man sie aufwickelt.“ Für diese Untersuchungen wird demnächst ein eigener Prüfstand errichtet.

Dass man das ultimative Seil für sämtliche Anwendungen finden wird, hält der Forscher für ausgeschlossen. In Zukunft werde es vielmehr verschiedene Systeme für verschiedene Anwendungen geben. „Für bestimmte Zwecke werden auch Hybridseile – das sind Kunststoffseile mit einem Drahtmantel zur Anwendung kommen“, meint Michael. Ob es je möglich sein wird ein 800-Meter hohes Gebäude mit einem durchgehenden Aufzug auszustatten, stehe in den Sternen. „In einem ersten anwendungsbezogenen Projekt arbeiten wir beispielsweise an einer gewichtsreduzierten Seilwinde für Hubschrauber. Außerdem planen wir in Kooperation mit einem anderen Unternehmen, Faserseile in Krananlagen zu testen.“ Um die Seile dann zukünftig auch zu überwachen, arbeiten die Chemnitzer Wissenschaftler an der Entwicklung einer Sicherheits-Sensorik.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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