Leichtbauteile variabel verkleben

Dieser Dual-Cure-Klebstoff mit variabler Elastizität verlängert die Lebensdauer einer Klebverbindung deutlich. © Fraunhofer LBF

Abspecken ist angesagt. Der weltweite Trend zur Gewichtsreduktion zeigt sich auch in der Automobilbranche. Immer leichter sollen die Wagen werden – zum Beispiel durch neue Materialien wie ultrahochfeste Stähle oder Karbon, kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff.

Doch egal welches Diätprogramm mit welchen Leichtbaukomponenten die Hersteller auch wählen, etwas wollen sie alle realisiert wissen: die optimale und lebenslange Verbindung der Fahrzeugteile. Doch Duroplaste, die oftmals als Matrix für Faserverbundwerkstoffe dienen, lassen sich zum Beispiel nicht verschweißen. Also braucht es eine andere Fügetechnik.

Die beste Lösung ist das Verkleben. »Wir arbeiten vor allem mit strukturellen Klebstoffen, die Fügeteile dauerhaft verbinden und zusätzlich eine gewisse Formstabilität erzeugen«, sagt Dr.-Ing. Jan Spengler, Chemiker im Bereich Kunststoffe am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. Diese Klebverbindungen haben einen besonderen Vorteil: Sie sind deutlich crashresistenter als andere Verbindungstypen.

Darüber hinaus besitzen Klebstoffe bessere Dämpfungseigenschaften als Metall und verbessern die NVH-Eigenschaften. Die Abkürzung steht für Noise, Vibration, Harshness und ist die Bezeichnung für als Geräusch hörbare oder als Vibration spürbare Schwingungen in Kraftfahrzeugen. »Die Klebschicht wirkt wie ein klassischer Dämpfer. So lässt sich Dämmmaterial und damit Gewicht einsparen«, sagt Dr.-Ing. Halvar Schmidt vom Bereich Betriebsfestigkeit des LBF.

Gleichzeitig hart und weich

Seit eineinhalb Jahren erforschen die beiden Sparten »Kunststoffe« und »Betriebsfestigkeit« des LBF Dual-Cure-Klebstoffe. Ihre Besonderheit: Sie härten in zwei Schritten aus. Diese Gradientenklebstoffe benötigen dabei Luftfeuchte, Wärme, anaerobe Bedingungen oder UV-Licht, um den ersten Härtungsmechanismus in Gang zu setzen. Ein anderer Aktivator initiiert anschließend die zweite Härtung.

»Derartige Klebstoffe sind schon länger am Markt erhältlich. Bislang gibt es allerdings ausschließlich Produkte mit konstanter Elastizität. Sie weisen an jeder Stelle die gleiche Steifigkeit auf«, berichtet Spengler. »Uns ist es gelungen, einen innovativen Dual-Cure-Klebstoff mit variabler Elastizität herzustellen.«

Der erste, durch Wärme gestartete Härtungsmechanismus umfasst die gesamte Klebstoffschicht und liefert ein weiches, flexibles Produkt. Durch die Bestrahlung mit UV-Licht wird eine weitere Härtung in Gang gesetzt. Der Clou: Diese Reaktion lässt sich ganz gezielt an bestimmten Stellen starten.

Lediglich an den UV-exponierten Orten vernetzen sich die Polymerketten zusätzlich. Das führt lokal zu einer größeren Steifigkeit. Auf diese Weise erhalten die Forscher vom LBF etwa ein Stück Kunststoff mit einer ganz weichen und einer ganz harten Hälfte.

Dank des Steifigkeitsgradienten lässt sich die Lebensdauer solcher innovativen Klebverbindungen deutlich verlängern. Bei jeder Fahrt muss das Fahrzeug die auftretenden Schwingungsbelastungen verkraften.

Beim Einwirken äußerer Belastungen verteilen sich die Spannungen stets ungleichmäßig über die Klebfläche. An den Rändern der Fuge bilden sich Spannungsspitzen. Dort wird die Verbindung übermäßig stark beansprucht.

»Unser neu entwickelter Klebstoff mit spezifischem Steifigkeitsgradienten ist an den Rändern elastisch und macht die Verformung durch Belastungen besser mit. Die Spannungsspitzen werden abgefedert. In der Mitte wiederum wurde die Klebschicht lokal aufgehärtet und ist entsprechend fest, was für dauerhafte Formstabilität der Verbindung und der verklebten Fahrzeugkarosserie sorgt«, erläutert Spengler.

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Dr.-Ing. Jan Spengler Fraunhofer Forschung Kompakt

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