Kohlenstoff-Riesenmoleküle lassen die Heizkosten sinken

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Polystyrol-Schaums: Links mit einem herkömmlichen Talk-Füllstoff, rechts mit Graphenen als Zusatz. Die Kohlenstoff-Riesenmoleküle verkleinern die Zellen im Schaum erheblich. Sie machen 1 Prozent des Gewichts des Polystyrol-Schaums aus.<br>

Wärmedämmende Materialien zu entwickeln, mit denen sich die Energieeffizienz von Gebäuden erheblich steigern lässt, ist eine zunehmend dringliche Herausforderung. Schon seit geraumer Zeit werden beim Hausbau Kunststoff-Schäume verwendet, um Dach und Außenwände besser zu isolieren. Einem Forschungsteam um Prof. Dr.-Ing. Volker Altstädt an der Universität Bayreuth ist es jetzt gelungen, diese Isolationswirkung erheblich zu steigern. Auf der Basis von Polystyrol-Schäumen haben die Bayreuther Wissenschaftler neuartige Dämmmaterialien entwickelt, die zu einer drastischen Senkung von Heizkosten beitragen können.

Der Grund dafür liegt in äußerst wirkungsvollen Zutaten, welche die Bayreuther Wissenschaftler dem Polystyrol beigemischt haben. Es handelt sich dabei um extrem dünne Kohlenstoffplättchen, sogenannte Graphene. Diese Plättchen sind flächige Netzwerke von Kohlenstoffatomen, die in sechseckigen Waben angeordnet sind. Es sind Riesenmoleküle, denn in der Länge und Breite beträgt ihre Ausdehnung rund 350 Nanometer. Aber wegen ihres flächigen Aufbaus erreichen sie nur eine Höhe von rund 10 Nanometern.

Graphene im Kunststoff-Schaum verkleinern die Hohlräume und senken die Durchlässigkeit für infrarote Strahlung

Polystyrol-Schäume bestehen aus vielen kleinen hohlen Zellen, die durch Kunststoffwände voneinander getrennt sind. Normalerweise haben diese Zellen einen Durchmesser von rund 100 Mikrometern. Sobald aber dem Kunststoff die Kohlenstoffplättchen beigemischt werden, verringert sich die Zellgröße auf 25 Mikrometer. Die Folgen für die Isolationswirkung sind enorm.

Denn aufgrund der verkleinerten Zellen wird die Gaswärmeleitung deutlich vermindert; das heißt, es fließt eine wesentlich geringere Wärmemenge durch die im Kunststoff-Schaum enthaltene Luft. Zudem wird aufgrund der Graphen-Plättchen die infrarote Strahlung abgesenkt. Denn infrarote Strahlung, die einen hohen Anteil an der aus Wohnräumen entweichenden Wärme hat, kann den Kunststoff-Schaum kaum noch durchdringen. Sie wird größtenteils reflektiert oder vom Kunststoff absorbiert.

Folglich eignen sich die mit Graphenen versetzten Schäume vorzüglich als Dämmmaterialien, die dafür sorgen, dass die Wärme in den Wohnräumen bleibt. „Die neuen Polystyrol-Schäume lassen sich ohne hohen technischen Aufwand industriell herstellen, so dass künftig im Baubereich erhebliche Einsparungen möglich werden“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Volker Altstädt, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe innehat.

„FUNgraphen“ – ein materialwissenschaftliches Forschungsprojekt stärkt die Energie- und Ressourceneffizienz

Die wärmedämmenden Kunststoffschäume sind eines von zahlreichen Ergebnissen des auf mehrere Universitäten und Forschungseinrichtungen verteilten Forschungsprojekts „FUNgraphen“. Die Leitung des Gesamtprojekts liegt bei Prof. Dr. Rolf Mülhaupt am Freiburger Materialforschungszentrum (FMF), einer Einrichtung der Universität Freiburg. Darüber hinaus sind auch die Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg in die Forschungsarbeiten eingebunden.

„FUNgraphen“ – der Projektname steht für „Functional Graphen“ – zielt darauf ab, aus riesigen Kohlenstoffmolekülen neue Materialien zu entwickeln, die in verschiedensten Lebensbereichen den Verbrauch von Energie und Ressourcen senken, ohne Komfort und Lebensqualität zu beeinträchtigen.

In diesem Zusammenhang ist es den Projektpartnern gelungen, einzelne Graphene im Labor zu isolieren und mit Kunststoffmolekülen zu verknüpfen. In der Natur kommen diese Kohlenstoffplättchen nicht vereinzelt vor. Es gibt sie hauptsächlich als Bestandteile des Minerals Graphit, wo die wabenartig vernetzten Kohlenstoffatome in kristallinen Strukturen tausendfach aufeinander geschichtet sind. Das Verfahren, die Graphene aus diesen Strukturen herauszulösen und in Kunststoffe einzubringen, eröffnet jetzt neue Perspektiven für Materialien, die das Prinzip der Nachhaltigkeit in Industrie und Wirtschaft erheblich stärken. Dipl.-Ing. Thomas Köppl, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth, meint: „Die von uns entwickelten Dämmmaterialien sind nur ein Beispiel für das hohe Innovationspotenzial, das in diesem Gemeinschaftsprojekt steckt und noch längst nicht ausgeschöpft ist.“

Kontakte zum neuen EU-Flaggschiff „Graphene“

Der Forschungsverbund „FUNgraphen“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von einem Industriebeirat begleitet. Das Freiburger Materialforschungszentrum (FMF) ist – parallel zur Koordination dieses Projekts – auch als Partner in den EU-Spitzenforschungsverbund „Graphene“ eingebunden. Vor wenigen Tagen hatte die Europäische Kommission bekannt gegeben, dieses Projekt als „Future Emerging Technology Flagship“ für die kommenden 10 Jahre mit 1 Milliarde Euro fördern zu wollen.

Weitere Informationen zum Forschungsverbund „FUNgraphen“:
http://idw-online.de/de/news517085
Ansprechpartner für die neuen hocheffizienten Dämmmaterialien:
Prof. Dr.-Ing. Volker Altstädt
Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55 7470 und 7471
E-Mail: volker.altstaedt@uni-bayreuth.de
Text und Redaktion:
Christian Wißler M.A.
Stabsstelle Presse, Marketing und Kommunikation Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Tel.: 0921 / 55-5356 / Fax: 0921 / 55-5325
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Christian Wißler M.A. Universität Bayreuth

Weitere Informationen:

http://www.uni-bayreuth.de

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