Haifischhaut für Flugzeuge, Schiffe und Windenergieanlagen

Das Vorbild für die Struktur des Lacks kommt aus der Natur: Die Schuppen schnell schwimmender Haie sind so aufgebaut, dass sie den Strömungswiderstand deutlich verringern.

Die Herausforderung war, dieses Wissen in einen Lack zu übertragen, der den extremen Anforderungen in der Luftfahrt Stand hält: Temperaturschwankungen von -55 bis +70 Grad Celsius, intensive UV-Bestrahlung und hohe Geschwindigkeiten. Yvonne Wilke, Dr. Volkmar Stenzel und Manfred Peschka vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen entwickelten nicht nur einen Lack, der den Strömungswiderstand reduziert, sondern auch die dazugehörige Fertigungstechnik. Für ihre Leistungen wird das Team mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2010 ausgezeichnet.

Der Lack besteht aus einer ausgeklügelten Rezeptur. Ein wesentlicher Bestandteil sind Nanopartikel, die dafür sorgen, das der Lack UV-Strahlung, Temperaturwechsel und mechanische Belastungen dauerhaft aushält. »Ein Lack bietet mehrere Vorteile,« erklärt Dr. Volkmar Stenzel. »Er kommt ohnehin als äußerste Schicht auf ein Flugzeug, so dass kein weiterer Materialauftrag erforderlich ist. Er verursacht kein Zusatzgewicht und auch beim Strippen eines Flugzeugs – etwa alle fünf Jahre muss der Lack komplett entfernt und erneuert werden – fällt kein zusätzlicher Aufwand an. Zudem lässt er sich problemlos auf dreidimensional gekrümmten Flächen aufbringen«. Als Nächstes galt es zu klären, wie sich der Lack in der Praxis im Produktionsmaßstab aufbringen lässt. »Unsere Lösung besteht darin, dass wir den Lack nicht direkt, sondern über eine Matrize auftragen«, so Manfred Peschka. Diese gibt dem Lack seine Haifischhaut-Struktur. Die besondere Herausforderung war, den flüssigen Lack gleichmäßig in einer dünnen Schicht auf die Matrize aufzutragen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass er sich auch nach der UV-Bestrahlung, die für das Härten erforderlich ist, wieder gleichmäßig von der Unterlage ablöst.

Auf jedes Flugzeug angewandt, ließe sich jährlich weltweit eine Menge von 4,48 Mio Tonnen Treibstoff einsparen. Das gilt auch für Schiffe: Das Team konnte die Wandreibung in einem Test mit einer Schiffbau-Versuchsanstalt um mehr als fünf Prozent reduzieren. Das bedeutet hochgerechnet auf ein Jahr ein Einsparungspotenzial von 2000 Tonnen Treibstoff für ein großes Containerschiff. Bei dieser Anwendung kommt erschwerend hinzu, dass sich am Rumpf des Schiffs Muscheln oder Algen ansiedeln. Die Forscher arbeiten an zwei Lösungen für das Problem. Yvonne Wilke erläutert: »Eine Möglichkeit besteht darin, den Lack so aufzubauen, dass Fouling-Organismen keinen festen Halt finden und beispielsweise bei höherer Geschwindigkeit einfach wieder abgespült werden. Die Zweite zielt darauf ab, ein Anti-Fouling zu integrieren, das unbedenklich für die Natur ist.«

Von den Treibstoffeinsparungen abgesehen, gibt es noch weitere interessante Anwendungen, zum Beispiel Windenergieanlagen. Auch hier wirkt sich der Luftwiderstand der Rotorblätter negativ aus. Der neue Lack würde den Wirkungsgrad der Anlagen – und damit den Energiegewinn – verbessern.

Media Contact

Yvonne Wilke Fraunhofer Mediendienst

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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