Gold-Oberflächen reparieren sich bei Raumtemperatur von selbst

Die atomaren Prinzipien dahinter sind bisher kaum verstanden. Wissenschaftler am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Kooperation mit Forschern der Universität Münster, Universität Gießen und dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg konnten nun im Atommaßstab zeigen, dass sich Gold-Oberflächen bei Raumtemperatur von alleine glätten. In ihrer Publikation in Physical Review Letters wird deutlich, dass dieser Effekt bei tiefen Temperaturen verloren geht.

Bisher nahm man an, dass perfektes Gleiten umso besser gelingt, je starrer der Untergrund ist. Im Atommaßstab bedeutet das, die Gitterschwingungen im Kristallgitter bei tiefen Temperaturen unter -100°C einzufrieren; dann bewegen sich Atome kaum noch. Wider Erwarten ist ein Gleiten auf Gold-Oberflächen bei diesen Temperaturen nicht gut möglich, bei Raumtemperatur hingegen schon. Die Forscher erklären sich dieses Phänomen mit der Diffusion der Gold-Atome: wenn sie auf der Oberfläche frei beweglich sind, wandern die Gold-Atome in die Lücken an den Oberflächen und gleichen so die Unebenheiten aus. Unter -100°C erlahmt die Diffusion.

„Stellen Sie sich einen Plattenspieler vor, der mit einer Nadel aus Radiergummi über eine Wachsplatte fährt. Wenn das Wachs hart ist, kratzen Sie einzelne Wachsstückchen heraus und die Nadel schiebt irgendwann einen ganzen Wachsberg vor sich her, den sie nur überwinden kann, wenn sie sich dabei stark verbiegt“ erklärt Roland Bennewitz, Leiter des Programmbereichs „Nanotribologie“. Wenn die Temperatur steigt, wird das Wachs flüssig und die Nadel hinterlässt keine Kratzspur mehr im Wachs. Vielmehr gleicht das flüssige Wachs die Unebenheiten sofort wieder aus und die Nadel gleitet gleichmäßig hindurch.

Ähnlich verhält es sich auch mit den Gold-Oberflächen. Zwar werden diese bei Raumtemperatur nicht flüssig. Jedoch ist die Diffusion der Goldatome an der Oberfläche so stark, dass kleinste Unebenheiten im Nanometerbereich sofort ausgeglichen werden. Die gleichmäßige Struktur der Oberfläche bleibt erhalten.

Die Messungen dazu erfolgten über Rasterkraft-Mikroskopie. Darin fährt eine feine Nadel auf der Goldoberfläche Stück um Stück hin und her. Das Mess-Signal zeigt, wie stark sich die Nadel beim Kontakt verbiegt. Bei einer gleichmäßigen Oberfläche „hüpft“ die Nadel gleichmäßig von Atomgruppe zu Atomgruppe – die Forscher messen ein gleichmäßiges so genanntes stick-slip Muster. Bei Störungen, wie zum Beispiel den „angesammelten“ Gold-Atomen, verbiegt sich die Nadel stärker, das stick-slip-Muster wird durchbrochen.

Die Wissenschaftler griffen bei Ihren Forschungen auch auf Modellierungen am Computer zurück. Damit konnten sie die stick-slip Muster für das Abtasten der Gold-Oberfläche mit einer Gold- sowie einer Nickel-Nadel nachahmen. Mit einer 3D– Simulation konnten sie ebenfalls zeigen, wie sich die Gold Atome bei tiefen Temperaturen anhäufen. Danach werden die angesammelten Gold-Atome von der Nadel „angesogen“ wie Flüssigkeit in einer Kapillare.

Originalpublikation:
Nitya Nand Gosvami, Michael Feldmann, Joël Peguiron, Michael Moseler, André Schirmeisen, and Roland Bennewitz:
„Ageing of a Microscopic Sliding Gold Contact at Low Temperatures“
Physical Review Letters 107, 144303 (2011)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.107.144303
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Roland Bennewitz
INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien gGmbH
Tel.: (+49) 681 9300 213
Roland.bennewitz@inm-gmbh.de
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Das INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien gGmbH mit Sitz in Saarbrücken ist ein international sichtbares Zentrum für Materialforschung. Es kooperiert wissenschaftlich mit nationalen und internationalen Instituten und entwickelt für Unternehmen in aller Welt. Das INM ist ein Institut der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. und beschäftigt rund 190 Mitarbeiter. Seine Forschung gliedert sich in die drei Felder Chemische Nanotechnologie, Grenzflächenmaterialien und Materialien in der Biologie.

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Dr. Carola Jung idw

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