Geschüttelt oder gerührt?

Die Simulation hilft bei der Herstellung von Bauteilen: Sie errechnet die beste Methode, um eine gleichmäßige Dichte des Pulvers in der formgebenden Matrize zu erzielen. © Fraunhofer IWM <br>

Es geht rasend schnell: Der Füllschuh, eine Art Karton ohne Boden, schiebt sich über eine Fläche, in der eine Mulde die Form des gewünschten Bauteils bildet. In diese Matrize rieselt das feinkörnige Metallpulver aus dem Füllschuh hinein.

Dann pressen Stempel die losen Pulverkörner mit einem Druck von einigen hundert Megapascal zusammen – fertig ist der „Grünling“. Dieser sieht zwar schon wie das fertige Bauteil aus, doch erst das Sintern im Ofen bei einer Temperatur unter dem Schmelzpunkt des Werkstoffs sorgt dafür, dass die gepressten Kornstrukturen sich weiter verdichten und aushärten.

Trockenpressen und Sintern sind in der Industrie gängige Prozesse. Sie liefern formgenaue Bauteile mit einer hohen mechanischen Belastbarkeit. Doch Fraunhofer-Forscher wollen das Verfahren perfektionieren und kostenintensiven Ausschuss vermeiden. „Das Befüllen der Matrize ist ein kritischer Schritt beim Trockenpressen“, sagt Dr. Claas Bierwisch vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg. „Das Metallpulver verteilt sich nicht hundertprozentig gleichmäßig in der Form.“

Diese inhomogenen Dichteverteilungen könnten jedoch zu Verzügen oder gar Rissen führen und die Belastbarkeit, Präzision und Langlebigkeit des Bauteils beeinflussen, erklärt der Projektleiter. Bisher musste man für das Befüllen kostspielige Versuch- und Irrtumexperimente in Kauf nehmen. Um diese zu umgehen, haben die Forscher eine Simulation entwickelt, mit deren Hilfe sie den Füllprozess optimieren können. „Bei der numerischen Beschreibung des Pulvers erfassen wir quasi jedes einzelne Korn“, erklärt Bierwisch.

Dabei berücksichtigen die Forscher die physikalischen Eigenschaften, Größe und Form der Körner sowie die Form der Matrize. Dann berechnen sie, wie und wohin die Pulverkörner in die Matrize fließen und wie die Dichteverteilung nach dem Befüllen ist. Erstmals lässt sich die Herstellung dreidimensionaler Bauteile realitätsnah simulieren – wie Zahnräder in Getrieben oder Dichtscheiben in Einhand-Mischbatterien am Waschbecken.

Zudem können die Forscher Rückschlüsse auf den Füllvorgang ziehen. Wie groß muss die Geschwindigkeit des Füllschuhs sein? Wie muss er sich bewegen? In manchen Fällen reicht es aus, wenn er vor und zurück fährt. Für andere Bauteile muss die Matrize zusätzlich oszillieren. Die Wissenschaftler simulieren die Vorgänge beim Sintern bis hin zum fertigen Bauteil und bilden so die gesamte Prozesskette ab. Derzeit optimieren sie die Herstellung von weichmagnetischen Spulenkernen in Radnabenmotoren, die für Elektrofahrzeuge künftig eine wichtige Rolle spielen könnten.

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Claas Bierwisch Fraunhofer Gesellschaft

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