Flittergrat: Forscher untersuchen erstmals, wie er sich vermeiden lässt

Störender Flittergrat: An diesem Testbauteil ist der dünne Rand aus überschüssigem Material gut zu erkennen. Foto: Susann Reichert / IPH

Wenn beim Schmieden heißes Metall in Form gepresst wird, entweicht fast immer überschüssiges Material zu den Seiten – ähnlich wie bei einem Waffeleisen, in das zu viel Teig gefüllt wird. An den Schmiedeteilen entsteht dadurch ein Rand, der später entfernt werden muss: der sogenannte Grat.

Schmiedeunternehmen versuchen seit Jahren, den Grat zu reduzieren, um Material und Energie zu sparen. Inzwischen lässt sich der grobe, seitliche Grat schon recht gut vermeiden – auch dank der Forschung des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH), das unter anderem das gratlose Präzisionsschmieden und das mehrdirektionale Umformen erprobt.

Nicht vermeiden lässt sich bisher der sogenannte Flittergrat. Er entsteht selbst beim Präzisionsschmieden, wenn Material in den dünnen Spalt zwischen Stempel und Gesenk kriecht. Dabei wird zwar nicht viel Material verschwendet – der Flittergrat ist sehr dünn – aber der zarte Metallkranz erschwert dennoch die Weiterverarbeitung.

Entsteht der Flittergrat beispielsweise schon in einem der ersten Schmiedeschritte, kann er später umklappen und eingeschmiedet werden – die Qualität des Bauteils leidet. Auch auf die anschließende spanende Nachbearbeitung wirkt sich der Flittergrat negativ aus. Weil er sich bei jedem Schmiedeteil unterschiedlich stark ausformt, lässt sich die Nachbearbeitung nur schwer automatisieren. Zudem führt der Flittergrat dazu, dass die Werkzeuge zur spanenden Nachbearbeitung schneller verschleißen.

Bisher ist nicht erforscht, unter welchen Bedingungen Flittergrat entsteht und wie er sich vermeiden lässt. Das IPH will diese Frage jetzt erstmals wissenschaftlich untersuchen – und zwar speziell für Bauteile aus Aluminium. Dieser Leichtbau-Werkstoff wird in der Autoindustrie verstärkt eingesetzt, um Gewicht zu sparen und damit Fahrzeuge herzustellen, die weniger Sprit verbrauchen. Wegen seiner Fließeigenschaften neigt Aluminium allerdings stärker zur Flittergratbildung als Stahl.

Die Herausforderung für die Forscher: Flittergrat ist unberechenbar. Im Gegensatz zu dem groben Grat, der seitlich am Bauteil entsteht, lässt er sich bisher nicht mit der Finite Elemente Methode (FEM) darstellen. Weil der Grat so dünn ist, ist eine sehr detaillierte Simulation nötig, die noch vor wenigen Jahren an der Leistungsfähigkeit der Rechner scheiterte.

Das IPH will nun erstmals Flittergrat am Computer simulieren und damit vorhersagen, unter welchen Bedingungen er entsteht. Die Forscher wollen beispielsweise untersuchen, welchen Einfluss die Temperatur des Werkstoffs, die Umformgeschwindigkeit oder die Breite des Spalts zwischen Stempel und Gesenk hat – um anschließend die Parameter so zu verändern, dass möglichst wenig Flittergrat entsteht. Um zu überprüfen, ob die FEM-Simulation der Realität entspricht, sollen Testbauteile geschmiedet werden: Der tatsächlich entstandene Flittergrat kann dann mit der Simulation verglichen werden. So können die Forscher die Prozessgrenzen für möglichst flittergratfreies Schmieden ausloten.

Das Forschungsprojekt „ProGrAl – Flittergratvermeidung beim Präzisionsschmieden von Aluminium entlang der Prozesskette“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und läuft bis Januar 2017. Gegen Ende des Forschungsprojekts will das IPH eine komplette Stadienfolge auslegen, um Langteile wie Querlenker oder Kurbelwellen sowohl gratlos als auch flittergratfrei herzustellen – und damit die Qualität von Leichtbau-Schmiedeteilen deutlich zu verbessern.

Weitere Informationen:

http://www.iph-hannover.de

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Susann Reichert IPH - Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH

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