Fest wie Stahl, aber formbar wie Kunststoff: Metallische Gläser gehen in Produktion

In einem Lichtbogenofen werden die einzelnen Metalle bei Temperaturen bis zu 3000 Grad Celsius zu einer glasartigen Legierung zusammengeschmolzen. Foto: Uwe Bellhäuser

„Glas ist nichts anderes als gefrorene Flüssigkeit“, sagt Ralf Busch, Professor für metallische Werkstoffe. Schon vor über 3000 Jahren haben die Menschen auf diesen Werkstoff gesetzt. Das Verfahren, das bereits damals zum Einsatz kam, ist nach wie vor aktuell: Beim Abkühlen wird die Schmelze aus Quarz (Siliziumoxid) und anderen Zusätzen immer zähflüssiger. Dies nutzen etwa Glasbläser, um aus dieser Masse Flaschen zu formen. Kühlt die Schmelze jedoch weiter ab, „gefriert“ sie zu Quarzglas. „Hierbei liegen die Atome amorph, also ungeordnet, vor. Bei sehr langsamer Abkühlung wird die Schmelze dagegen zu Quarzkristall, in dem sich die Bausteine zu einem regelmäßigen Gitter angeordnet haben“, erklärt Busch.

Aber nicht nur aus Quarz lässt sich Glas herstellen, sondern auch aus Metallen. Diese Metallschmelzen sind das Spezialgebiet von Busch. „Seit über 50 Jahren sind metallische Gläser bekannt. Um sie herzustellen, wurden die Schmelzen allerdings sehr hohen Abkühlraten von bis zu einer Million Grad pro Sekunde unterzogen“, sagt Busch. „Aus ihnen konnte man nur dünne Folien herstellen, wie man sie etwa in Kaufhäusern für Magnetstreifen in Diebstahlsicherungen verwendet.“

In der Zwischenzeit haben Forscher herausgefunden, dass Mischungen aus großen und kleinen Metallatomen für die Glasbildung besser geeignet sind. Sie sind zähflüssig und kristallisieren viel langsamer. „Die Schmelze muss nicht mehr so lange abkühlen, um metallische Gläser zu bilden“, so Busch weiter. „Auf diese Weise lassen sich massive Gläser herstellen, die als Konstruktionswerkstoff bestens geeignet sind. Sie sind fest wie Stahl, gleichzeitig aber elastisch.“ Verarbeitet werden kann das Material genauso wie Silikatschmelzen und Kunststoff. Es kann direkt in Endformen gegossen werden, ohne dass eine Nachbearbeitung notwendig ist.

Die Saarbrücker Wissenschaftler erforschen die optimale Zusammensetzung dieser Metallmischungen. Sie entstehen aus drei bis fünf Elementen des Periodensystems, etwa Titan, Kupfer und Nickel. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Doktoranden Jochen Heinrich hat Busch in den vergangenen Jahren eine Zirkon-Niob-Legierung entwickelt, die auch Aluminium und Kupfer enthält. „Im Vergleich zu vielen anderen Mischungen enthält diese kein Allergie auslösendes Nickel oder giftiges Beryllium“, so der Professor. Zum Einsatz kommen könnte sie etwa in Bauteilen von Smartphones oder Tablets, als mechanische Feder oder als Zahnrad in Getrieben.

Die Patentverwertungsagentur der saarländischen Hochschulen (PVA) hat diese Verbindung in mehreren Ländern zum Patent angemeldet. Der hessische Technologiekonzern Heraeus hat nun die Lizenz erworben. Die Aktivitäten von Heraeus sind auf die Märkte Chemie und Metall, Energie und Umwelt, Kommunikation und Elektronik, Gesundheit, Mobilität sowie Industrieanwendungen ausgerichtet. Das global agierende Familienunternehmen blickt auf eine über 160 Jahre lange Geschichte zurück und beschäftigt weltweit circa 12.500 Mitarbeiter.

Für die Legierung hat das Europäische Patentamt ein Patent mit der Veröffentlichungsnummer EP2597166 erteilt.

Fragen beantworten:
Prof. Dr. Ralf Busch
Lehrstuhl für metallische Werkstoffe
E-Mail: r.busch(at)mx.uni-saarland.de
Tel.: 0681 302-3208

Dr. Frank Döbrich
Wissens- und Technologietransfer GmbH
E-Mail: f.doebrich(at)univw.uni-saarland.de
Tel.: 0681 302-3508

Dr. Jörg Wetterau
Unternehmenskommunikation Heraeus
Tel.: 06181 35-5706
E-Mail: joerg.wetterau(at)heraeus.com

Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Sie können Telefoninterviews in Studioqualität mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes führen, über Rundfunk-Codec (IP-Verbindung mit Direktanwahl oder über ARD-Sternpunkt 106813020001). Interviewwünsche bitte an die Pressestelle (0681/302-2601).

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Melanie Löw Universität des Saarlandes

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