Erste Sekunden im Leben eines Bauwerkes

Ob Massivhaus, ob Tiefbau oder Hochbau, unsere moderne Architektur kommt nicht ohne Beton aus. Wesentlicher Bestandteil von Beton ist Zement, der als Bindemittel die anderen Bestandteile zusammenhält. Um die Eigenschaften von Beton maßgeschneidert einstellen zu können, ist wichtig zu wissen, was während des Abbindens passiert. Deutschen Wissenschaftlern ist es nun gelungen, die ersten „Geburtssekunden“ von Beton per Röntgenbeugung zu verfolgen. In der Zeitschrift Angewandte Chemie erklären sie die Wirkungsweise von Beton-Fließmitteln.

Beton besteht aus Sand, Kies, Additiven, Wasser und Zement. Der so genannte Portlandzement ist ein kompliziertes Stoffgemisch aus feingemahlenem Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz – hauptsächlich Calciumsilicat mit Anteilen an Aluminium- und Eisen-Verbindungen sowie Sulfaten. Beim Anrühren mit Wasser setzen chemische Reaktionen der Zementbestandteile ein, er erstarrt, erhärtet und bleibt danach auch unter Wasser fest und raumbeständig. Was dem Beton seine enorme Festigkeit verleiht, sind Kristallnadeln, die bei diesem Prozess entstehen und fest ineinander verzahnen. Um die Eigenschaften des Betons zu optimieren, werden verschiedene Additive zugegeben. Eine solche Klasse sind Fließmittel auf Polycarboxylat-Basis (PCE). Sie machen den Beton fließfähiger und damit leichter zu gießen. Der Wassergehalt kann gesenkt werden, der Beton wird dichter und druckfester.

„Ein detaillierter Einblick in die verschiedenen Zeitstufen der Hydratationsprozesse ist grundlegend für ein profundes Verständnis, inwiefern diese Prozesse effektiv beeinflusst werden können“, erläutert Franziska Emmerling von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin. „Besonders die Entwicklung des Phasenbestands im Frühstadium der Hydratation wurde bisher nicht vollständig verstanden.“ Entscheidend scheint insbesondere die sehr rasch eintretende Reaktion der Zementklinkerphase C3A (Ca3Al2O6) mit Sulfat (SO42–) zu Ettringit (Ca6Al2(SO4)3(OH)12•26H2O).
Emmerlings Team gelang jetzt mithilfe hochauflösender Röntgenbeugungsexperimente, diese Reaktion mit einer Millisekunden-Zeitauflösung zu verfolgen. Anhand der Beugung, die Röntgenstrahlen in einem Material erfahren, können Rückschlüsse auf deren Kristallstruktur gezogen werden. Damit kein Trägermaterial den Vorgang verfälscht, wird die Probe während der Untersuchung in einer akustischen Schwebevorrichtung von Schallwellen frei in der Schwebe gehalten.

So ließ sich auch die Wirkungsweise von PCE-Fließmitteln aufklären. Emmerling: „Direkt nach dem Wasser-Zement-Kontakt adsorbiert das PCE an der Oberfläche des Klinkers C3A, die Teilchen bleiben suspendiert, weil sie sich nun abstoßen. Das PCE wird dann nach und nach erst durch Sulfationen ersetzt. Die anfängliche Ettringit-Kristallisation wird so verzögert. Dadurch bleibt mehr freies Wasser im System zurück, kristalline Phasen werden vermehrt gelöst – der entstehende Beton bleibt länger fließfähig und wird dichter.“

Angewandte Chemie: Presseinfo 14/2012

Autor: Franziska Emmerling, BAM Federal Institute of Materials Research and Testing, Berlin (Germany), http://www.bam.de/de/kompetenzen/fachabteilungen/abteilung_1/fg13/fg13_ag1.htm

Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201200993

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