Eiweißen bei der Oberflächenbesiedlung zuschauen

Ob Spinnenseide, Hühnerei oder als Bestandteil des Blutes: Eiweiße, sogenannte Proteine, sind die Hauptbausteine alles Lebendigen. Die Natur versteht es, mit diesen universellen Materialien komplexe Strukturen und Funktionen aufzubauen.

Aber auch dort, wo künstliche (synthetische) Materialien mit biologischen Systemen in Kontakt kommen, spielen Eiweiße eine Schlüsselrolle. Angelagerte (adsorbierte) Eiweiße bestimmen beispielsweise an Implantatoberflächen ganz wesentlich die Reaktion des Körpers und damit den Erfolg des Implantats.

In der Lebensmittelindustrie, bei Biogasanlagen für die Erzeugung regenerativer Energien oder bei der Trinkwasserverteilung sind Eiweiße auf Materialoberflächen ebenfalls von großer Bedeutung – allerdings als Problem. In diesen Anwendungen können sich beispielsweise Bakterien mittels Eiweißen an Materialoberflächen wie Wasserleitungen aus Kunststoff anheften, was z. B. – wie im vergangenen Sommer – zur Verbreitung von Coli-Bakterien in Trinkwasserverteilungssystemen führen kann.

„Das Verständnis und die Steuerung von Eiweiß-Adsorptionsprozessen an Materialoberflächen ist eine der zentralen Fragen der modernen Materialwissenschaft und der Biophysik”, ist Prof. Dr. Klaus D. Jandt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena überzeugt. Um diese Adsorptionsprozesse besser zu verstehen und zu steuern, gehen der Inhaber des Lehrstuhls für Materialwissenschaft und sein Team neue Wege: Sie nutzen nanostrukturierte Materialoberflächen zur kontrollierten Anlagerung der Eiweiße.

Durch die winzigen Strukturen kann die Anordnung der Eiweiße auf den Materialoberflächen gezielt gesteuert und individuell beeinflusst werden. Die Vision der Jenaer Materialexperten: die Anlagerung der Eiweiße durch die Nanostrukturen so zu beeinflussen, dass weniger Bakterien an ihnen haften bleiben oder sich Körperzellen verstärkt – z. B. an Implantatoberflächen – ansiedeln. Für innovative Arbeiten zu diesem Themenkomplex ist Prof. Dr. Klaus D. Jandt und Dr. Thomas Keller im vergangenen Jahr der Thüringer Forschungspreis für angewandte Forschung verliehen worden.

Jetzt wollen die Jenaer Materialwissenschaftler noch einen Schritt weitergehen: „Um die Bewegung der Eiweiße auf den nanostrukturieren Materialoberflächen sichtbar zu machen, sind raffinierte biophotonische Methoden nötig,“ erläutert Prof. Jandt. Auf der Suche nach solchen Methoden sind die Jenaer Forscher an der University of Boulder im US-Bundesstadt Colorado fündig geworden. Dort wurde in der Gruppe von Prof. Daniel Schwartz die sogenannte MAPT (Mapping using Accumulated Probe Trajectories) entwickelt. Das ist eine biophotonische Methode, die die Anlagerungsprozesse der Eiweiße mit Licht-Fluoreszenz in ihrem zeitlichen Ablauf sichtbar macht. „Ein wesentliches Ergebnis unserer neuen Kooperation mit der University of Boulder ist, dass die Eiweiße sich auf der nanostrukturierten Materialoberfläche bewegen und dabei bestimmte Richtungen bevorzugen. Diese Erkenntnis wurde durch die MAPT-Methode ermöglicht“, sagt Prof. Jandt.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat der Gruppe von Prof. Jandt nun ein neues Vorhaben bewilligt, das er mit mehr als 11.000 Euro fördert. Der projektbezogene Personenaustausch mit den USA (PPP-USA) vertieft die weitere Kooperation mit der University of Boulder und beginnt bereits in diesen Tagen. „Von diesem Projekt sollen vor allem unsere jungen Doktoranden profitieren, die sich bald auf den Weg in die USA machen werden“, sagt Prof. Jandt.

Kontakt:
Prof. Dr. Klaus D. Jandt
Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie der Universität Jena
Löbdergraben 32, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 947730
E-Mail: k.jandt[at]uni-jena.de

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Axel Burchardt idw

Weitere Informationen:

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