Borosulfate: eine neue Materialklasse mit dem Zeug zum Quecksilberersatz

Veranschaulichung der Kristallstruktur des Kaliumborosulfats: graue Kugeln repräsentieren Kalium, blaue Tetraeder Borat und gelbe Tetraeder Sulfat. Grafik: H. Höppe<br>

Mit dem Stoff Kaliumborosulfat haben Augsburger Festkörperchemiker gemeinsam mit Kollegen der Universität Freiburg in der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ das erste Beispiel einer von ihnen entdeckten völlig neuen Materialklasse vorgestellt.

„Diese neue Materialklasse hat das Potential, eventuell sogar giftiges Quecksilber in Energiesparlampen überflüssig zu machen“, so Prof. Dr. Henning Höppe, der Leiter der Forschungsgruppe, der vor knapp zwei Jahren von der Universität Freiburg als Professor für Festkörperchemie
/ Materialwissenschaften ans Institut für Physik der Universität Augsburg gewechselt ist.

„Die Darstellung des Kaliumborosulfats gelang uns durch eine spezielle Reaktion von Borsäure, Schwefelsäure und Kaliumsulfat – dreier Chemikalien also, die allesamt großtechnisch verfügbar sind“, erläutert Höppe. Die wissenschaftliche Bedeutung der Entdeckung liege in der ungewöhnlichen Kombination. Borosulfate bestehen nämlich aus unterschiedlich geladenen Baueinheiten mit recht unterschiedlichen chemischen Eigenschaften.

Ähnliche Strukturen wie Silicate

Strukturell ähneln die neuen Verbindungen den Tausenden natürlich vorkommender Silicate, bei denen aber im Gegensatz zu den Borosulfaten alle Bausteine gleich sind. Silicate – Gesteine also – haben einen Anteil von über 90 Prozent an der Erdrinde und kommen in vielfältigsten Strukturen vor. Zu ihnen gehören so unterschiedliche Stoffe wie Quarz mit dreidimensional vernetzte Baueinheiten oder Glimmer mit schichtartig zweidimensional vernetzte Baueinheiten oder Orthosilicate, in denen isolierte Baueinheiten vorliegen.

Hervorragend für technische Nutzungen maßzuschneidern

Höppe und seine Kollegen gehen nun davon aus, mit den Borosulfaten eine Strukturfamilie begründet zu haben, die mindestens ebenso groß ist wie diejenige der Silicate. „Wir erwarten darüber hinaus“, so Höppe, „dass sich die Eigenschaften der Borosulfate aufgrund ihrer chemisch unterschiedlichen Bausteine im Sinne ihrer technischen Nutzbarkeit noch besser maßschneidern lassen werden als diejenigen der Silicate.“

Potential für quecksilberfreie Leuchtstoffe
Die Entdeckung der Borosulfate entspringt reiner Grundlagenforschung. Gleichwohl liegen nach Einschätzung der Arbeitsgruppe künftige Anwendungsmöglichkeiten der neuen Materialklasse aber insbesondere in der Katalyse als Festkörpersäure und bei Leuchtstoffen. Bei solchen katalysierten Prozessen entstehen unzählige Stoffe des Alltags wie Kunststoffe, Wirkstoffe in Medikamenten oder Treibstoffe. Aus der Verbindung von Borosulfaten mit Seltenerdmetallen könnten sich nach Höppes Überzeugung u. U. etwa neuartige Leuchtstoffe entwickeln lassen, die den Einsatz von giftigem Quecksilber überflüssig machen, ohne das konventionelle Leuchtstoffe in Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren keine Leuchtkraft entwickeln können.

Originalbeitrag:

H. A. Höppe, K. Kazmierczak, M. Daub, K. Förg, F. Fuchs und H. Hillebrecht, Das erste Borosulfat K5[B(SO4)4], Angew. Chem. (2012) – http://dx.doi.org/10.1002/anie.201109237
Ansprechpartner:

Prof. Dr. Henning Höppe
Institut für Physik der Universität Augsburg
D-86135 Augsburg
Telefon +49(0)821-598-3033
henning.hoeppe@physik.uni-augsburg.de

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