Materialien unter Beschuss: Schnelle Elektronen verbessern Werkstoffe

Neue Anwendungsmöglichkeiten des Elektronenbeschleunigers kristallisieren sich im Bayerischen Forschungsverbund Materialwissenschaften (FORMAT) für die Medizin-, Kunststoff- und Sensortechnik sowie für Keramikhersteller heraus.

Die Ergebnisse aus dem Wissenschaftsprojekt „Elektronenstrahlbehandlung von Werkstoffen“ am Elektronenbeschleuniger der BGS BETA-GAMMA-SERVICE GmbH & Co. KG (BGS) lassen Saal an der Donau hoffen, dass sich die Stadt als High-Tech-Region für Elektronenstrahlbehandlung profilieren und in kurzer Zeit neue Unternehmen ansiedeln kann.

Konkurrenz für Japan

Professor Dr.-Ing. Günter Ziegler und seine Mitarbeiter an der Universität Bayreuth gelang es, keramische Fasern aus Silizium, Kohlenstoff und Stickstoff durch Elektronenbestrahlung zu härten. Diese Verbundwerkstoffe sind sehr spröde, bieten aber durch ihre hervorragende thermische und chemische Beständigkeit den bisher üblichen Kohlefaserverbundwerkstoffen Paroli. Mögliche Anwendungen liegen in der Luft- und Raumfahrt und vor allem in der Elektrotechnik. Gegenüber den japanischen Forschern haben die Bayreuther die Nase vorn: Sie benötigen nur ein Zehntel der Bestrahlungsdosis der fernöstlichen Konkurrenz und sind damit energieschonender, kostengünstiger und umweltfreundlicher.

Sensoren für besondere Aufgaben

Handelsübliche Aluminiumoxidkeramiken sind gleichzeitig Wärmeleiter und sehr gute elektrische Isolatoren. Mit Elektronen bestrahlte Keramik dient Dr. Udo Bogner von der Universität Regensburg als Sensor für Temperatur und elektrische Feldstärke. Die Fluoreszenzthermographie zeigt bei bestrahlten Bauteilen die Temperaturverteilung im Betrieb sogar noch nach dem Abkühlen. Wichtig ist das beim Design von Leistungselektronik oder in der Qualitätssicherung elektronischer Bauteile, um die Belastung bei Betriebstemperaturen von immerhin bis zu 250ºC zu erkennen. Die Fluoreszenzspektroskopie macht die aktuell wirksame elektrische Feldstärke in Bauteilen sichtbar; so wird zum Beispiel die Qualität von Isolatoren in der Elektrotechnik geprüft.

Hoffnung für kaputte Kniegelenke

Die Arbeitsgruppe von Professor Michael Nerlich entwickelt am Klinikum der Universität Regensburg ein biologisch abbaubares Gerüst für Stammzellen, die Knorpelmasse wieder aufbauen können, zum Beispiel im Meniskus,. Die Elektronenbestrahlung verleiht diesem Trägermaterial die notwendige Stabilität, denn die „Ersatzteile“ sollen nach der Operation sofort belastbar sein.

Einen interessanten Nebeneffekt ergaben die Untersuchungen von Dr. Behr (ebenfalls Klinikum der Universität Regensburg): Die Elektronenbestrahlung der Rohstoffe vor Zusammenfügen des Verbundwerkstoffes verbessert diese Werkstoffe nachhaltig.

Optimierung von Kunststoffen ohne Nebenwirkungen

Elektronenstrahlen können Polymere „kalt“ vernetzen ohne dass die Langzeitbeständigkeit der Kunststoffe darunter leidet – allen Befürchtungen zum Trotz. Wissenschaftler am Lehrstuhl für Kunststofftechnik der Universität Erlangen-Nürnberg bei Professor Gottfried Ehrenstein bestrahlten so genannte funktionsgefüllte Kunststoffe. Zugegebene Füllstoffe verleihen ihnen besondere Eigenschaften wie zum Beispiel elektrische Leitfähigkeit. Die Bestrahlung mit Elektronen verstärkt diesen Effekt noch.

Der Elektronenbeschleuniger Saal a. D.

Die BGS GmbH betreibt in Saal an der Donau (Landkreis Kelheim) einen der leistungsstärksten Elektronenbeschleuniger weltweit. Energiereiche Elektronen verändern die Eigenschaften des „beschossenen“ Materials: Zum Beispiel entstehen Lochstrukturen oder die Materie wird dichter und härter. Im Rahmen der High-Tech-Offensive Bayern fördert die Bezirksregierung Niederbayern Forschungsvorhaben am Elektronenbeschleuniger mit mehr als 1 Mio. Euro. BGS-Geschäftsführer Dr. Alfred Zyball ist zuversichtlich: „Daraus sollen neue Verfahren entstehen, die aus der Region Kelheim ein Kompetenzzentrum auf dem Gebiet Elektronenstrahlbehandlung machen“. Er erwartet vielseitige Anwendungen im Bereich der Automobil- und Luftfahrtindustrie.

Media Contact

Dipl.-Chem. Christine Kortenbruc idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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