Saarbrücker Werkstoffwissenschaftler optimieren Titanimplantate


Neue Erkenntnisse in der Forschung zur Herstellung maßgeschneiderter Titanimplantate ziehen erneute DFG-Förderung nach sich

Das neue, von der DFG genehmigte Schwerpunktprogramm 1100 zum Thema „Grenzflächen zwischen Werkstoff und Biosystem“ wurde von Professor Dr. Jürgen Breme, Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe, Universität des Saarlandes, mitinitiiert. Die DFG unterstützt im Rahmen dieses Schwerpunktprogramms zwei neue Projekte der Saar-Uni. Sie schließen direkt an das Projekt „Einfluss der Oberflächenzusammensetzung und -struktur auf die Wechselwirkung lebende/tote Materie bei Titanwerkstoffen“ an, das von April 1997 bis Juli 2000 durch die DFG gefördert wurde und erfolgreich zum Abschluss kam.

In diesem ersteren interdisziplinären Projekt sollten vor allem klinische Probleme bei Werkstoffen für Langzeitimplantate, wie etwa Gefäßprothesen, Zahnimplantate oder Hüftgelenksprothesen, durch nachhaltige Verbesserung gelöst werden. Als besonders gut geeigneter Werkstoff hat sich das biokompatible Titan herausgestellt. An die Titan-Implantate werden in der Praxis unterschiedliche Anforderungen gestellt. Körperzellen müssen sich entweder fest an den Werkstoff anlagern und mit ihm „verwachsen“ (Zahnimplantate, Hüftgelenksprothesen) oder aber vom Werkstoff „Abstand halten“ wie bei Gefäßprothesen, die dauerhaft in Adern eingepflanzt werden, um diese offen zu halten und Ablagerungen zu vermeiden.
Dem Saarbrücker Forscherteam um Professor Dr. Breme ist der Nachweis gelungen, dass diese unterschiedlichen Reaktionen von menschlichen Zellen durch das nur wenige Nanometer dünne Oberflächenoxid der Titanwerkstoffe verursacht werden. Titan reagiert sofort im Kontakt mit Sauerstoff und bildet eine sehr gleichmäßige und geschlossene Schicht aus Titanoxid. Eine aufgerauhte Struktur mit Rillen fördert die Zellanlagerung – die Zellen strecken sich regelrecht aus und verankern sich fest mit dem Werkstoff.

Innerhalb des neu anlaufenden Schwerpunktprogramms „Grenzflächen zwischen Werkstoff und Biosystem“, das auf eine Laufzeit von 6 Jahren ausgelegt ist, wurden dem Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe zwei weitere Projekte mit einer Gesamtsumme von DM 468.000,- für das 1. Jahr genehmigt. Nun eröffnet sich den Saarbrücker Forschern die Möglichkeit, ihr Wissen über den oberflächennahen Bereich von Biomaterialien im Kontakt mit unterschiedlichen Körpermedien (Körperflüssigkeit, Blut) zu vertiefen. Neue Erkenntnisse können dann zur Herstellung maßgeschneiderter Titan-Implantatwerkstoffe mit besonderen Zellreaktionen genutzt werden.

Das eine Projekt „Entwicklung eines Verbundwerkstoffes mit funktionellen Oberflächen-Strukturen (Lotuseffekt) in Kombination mit funktionellen Beschichtungen zur Optimierung der hämokompatiblen bzw. thrombogenen Eigenschaften“ wird feder-führend von Dr. Volker Biehl (Lehrstuhl Prof. Breme, Metallische Werkstoffe) geleitet. Ziel ist es, die in Wechselwirkung zum Blut stehenden Oberflächen so zu optimieren, dass je nach Anwendung entweder eine Blutgerinnung (Thrombenbildung) vermieden wird (hämokompatible Stents als Gefäßprothesen) oder ein thrombogenes (klumpenbildendes) Verhalten erreicht werden kann. Die Titanoxidschicht wird beispielsweise hinsichtlich ihrer elektrischen Leitfähigkeit verändert, und die dann auftretenden Zellreaktionen charakterisiert. Die Werkstoffe mit den entsprechenden gezielt hergestellten Oberflächenflächenstrukturen und/oder -zusammensetzungen werden vom Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe zur Verfügung gestellt. Die hämokompatiblen bzw. thrombogenen Eigenschaften werden von Professor Dr. Ulrich Theo Seyfert, Abteilung für klinische Haemostaseologie und Transfusionsmedizin der Universität des Saarlandes, bestimmt.

Das andere Projekt „Struktur und modifikationsabhängige Einstellung der Grenzflächen an Titanbasiswerkstoffen zum Hartgewebe“ wird federführend von Dr. Eva Eisenbarth (Lehrstuhl Prof. Breme, Metallische Werkstoffe) geleitet. Die Werkstoffoberfläche soll in diesem Projekt im makroskopischen, mikroskopischen und im Nanobereich strukturiert werden. Beschichtungen auf Titanoxidbasis zur Variation der Oberflächenzusammensetzung sollen mit Hilfe von verschiedenen Methoden (MOCVD-, PVD-, Sol-Gel-Verfahren) erfolgen. Ziel des Projektes wird die Definition biologisch relevanter Charakteristika der Grenz-Fläche sein, die mit den unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften und Oberflächenparametern in Zusammenhang stehen.

Da das Schwerpunktprogramm interdisziplinär angelegt ist, werden beide Projekte in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Experimentelle Zahnmedizin (Professor Dr. R. Thull) der Universität Würzburg bearbeitet.

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Tamara Weise idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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