Alles eine Frage der "Stärke"

Auch wenn man in der jetzigen Jahreszeit jeden Sonnenstrahl ausgiebig genießen mag – wer in den Sommermonaten beispielsweise in einem Bürogebäude mit großen Fensterflächen arbeiten muss, der wird der Sonne weit weniger abgewinnen können.

„Gerade im Sommer heizen sich Räume mit großen Glasflächen enorm auf“, sagt Prof. Dr. Thomas Heinze von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Da helfen bislang nur Jalousien“. Der Professor für Organische Chemie arbeitet mit seinem Team nun aber an einer anderen Lösung für dieses Problem: Fensterglas, das sich selbstständig – je nach Lichteinstrahlung – verdunkelt, das ist das Ziel des neuen Forschungsverbunds, welches auf einer Entwicklung der Chemiker der Universität Jena basiert.

Das Projekt ist eine Kooperation mit dem Jenaer INNOVENT e. V., dem Hermsdorfer Institut für Technische Keramik e. V., dem Institut für Baukonstruktion an der TU Dresden, der Ostthüringer Materialprüfgesellschaft mbH sowie zwei mittelständischen Industriepartnern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das Gemeinschaftsprojekt wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) in den kommenden zwei Jahren mit rund einer Million Euro gefördert.

Grundlage der neuartigen Verbund-Gläser ist ein Klebstoff auf der Basis von Kartoffelstärke. „Dieser nachwachsende Rohstoff bietet eine Reihe von Vorteilen“, erläutert Prof. Heinze, der seit 2002 das Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung der Universität Jena leitet. Nicht nur, dass man Stärke in großer Menge preisgünstig gewinnen kann, das Polymer ist auch ein sehr interessanter Ausgangsstoff für eine Vielzahl von Produkten. „Durch eine spezielle Reaktion mit Fettsäuren, die 12 bis 18 Kohlenstoffatome tragen, lässt sich aus ihr ein schmelzbarer, transparenter Klebstoff herstellen“, ergänzt Dr. Tim Liebert vom Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung. Diesen Kleber haben die Jenaer Chemiker ursprünglich für medizinische Anwendungen entwickelt und mittlerweile weltweit patentieren lassen.

„Zwischen zwei Glasscheiben ist der an sich farblose Kleber nahezu unsichtbar – und damit ideal für Verbundglas geeignet“, macht Dr. Andreas Heft von INNOVENT deutlich. Erste kleine Verbundgläser liegen bereits vor. „Im Rahmen des Projektes geht es nun darum, den Klebstoff mit einem photosensiblen Farbstoff zu versehen“, so Heft. Trifft kurzwelliges Licht des Sonnenspektrums mit einer bestimmten Intensität auf den Farbstoff, wird der zuvor farblose Kleber blau und lässt dadurch weniger Licht passieren.

Ein solches automatisches Verschattungssystem wäre deutlich preiswerter als bereits existierende elektrochrome Systeme, was ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten erwarten lässt. Erste Prototypen einer lichtschaltbaren Fensterglasscheibe sollen Anfang 2012 vorliegen.

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Heinze/Dr. Tim Liebert
Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Humboldtstraße 10, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948270, 948264
E-Mail: thomas.heinze[at]uni-jena.de, tim.liebert[at]uni-jena.de

Media Contact

Dr. Ute Schönfelder idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

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