Weiterentwicklung des 4-Takt Motorprinzips – ein Spritsparer auf dem Weg zur Serie?

Dipl.-Ing. Andreas Roß an seinem Prototyp Foto: Pressestelle FH Lübeck

Angefangen hat alles damit, dass sich Roß in seiner Freizeit mit der Erhaltung eines PKW Oldtimers beschäftigt. Als Maschinenbauer und aus Liebe zu alten Autos ging es ihm dabei insbesondere um die Frage, wie der Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors auf eine andere Weise als die zurzeit vom Automobilbau angewandten Prinzipien gesteigert werden kann, kurzum wie kann der Benzinverbrauch reduziert werden.
Ross verfolgte fortan das Ziel, des Wirkungsgrad des Kreisprozesses zu steigern.

Gemeinsam mit Studierenden des Maschinenbaus hat er die Idee von einem „Kolben im Kolben-Modell“ bis zu einem Prototypen umgesetzt.

Weithin hörbar rattert und knattert es wie bei einem alten Lanz Bulldog, wenn der Diplomingenieur den Prototypen in der Metallwerkstatt der Fachhochschule Lübeck startet und das Prinzip seiner Entwicklung bei laufendem Motor erläutert.

„Bei einem herkömmlichen Viertakt – Verbrennungskraftmotor (Hubkolbenmotor) arbeitet der Kreisprozess im Rhythmus: Ansaugen – verdichten – arbeiten – ausstoßen. Bedingt durch die konstante Kolbenfläche und dem Öffnen des Auslassventils vor dem unteren Totpunkt des Kolbenhubes im Arbeitstakt verlassen noch unter Druck stehende Arbeitsgase ungenutzt den Zylinderraum. Aktuell wird diese noch vorhandene Energie teilweise mittels eines Turboladers ausgenutzt.“

Roß‘ Überlegungen gehen dahin, durch einen „Inline Doppelkolbenmotor“ den Ansaug- und Verdichtungstakt vom Arbeits- und Ausstoßtakt zu trennen. 

Der dazu entwickelte Arbeitskolben besteht aus zwei ineinander liegenden Kolben. Im Ansaugtakt saugt der Innenkolben das Gemisch an, der äußere Hülsenkolben wird im oberen Totpunkt gehalten. Die Verdichtung erfolgt wiederum durch den Innenkolben. Bei dem folgenden Arbeitstakt wird der Hülsenkolben so entriegelt, dass das Kolbenpaar gemeinsam mit seiner größeren Kolbenfläche zur Umwandlung von Druck- auf Bewegungsenergie genutzt werden kann. Die Kolbenfläche kann durch dieses Verfahren so angepasst werden, dass der Restdruck beim Öffnen des Auslassventils wesentlich geringer als beim herkömmlichen Verfahren gehalten werden kann.

„Die Energieausbeute des Kraftstoffes wird durch die umschriebene Fläche des Kreisprozesses im pv-Diagramm dargestellt. Um den Energieinhalt des Kraftstoffes besser auszunutzen, musste nach der Theorie diese umschriebene Fläche vergrößert werden. Diese Grundidee haben wir mit einer studentischen Projektgruppe im Rahmen von Praktika stark verfeinert und die Steigerung des Kreisprozess-Wirkungsgrades durch mehrere Simulationsrechnungen belegt“ erläutert Roß seine theoretischen Überlegungen.

Neben der grundlegenden Idee war die Realisierung der Kolbensteuerung Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung. Der Hülsenkolben erhält am Umfang eine Kulissenbahn und eine Führungsbahn. Die Führungsbahn verläuft in Achsrichtung des Kolbens und steht mit einer im Zylinder befestigten Kurvenrolle im Eingriff. Hierdurch wird nur die axiale Bewegung des Hülsenkolbens zugelassen. Die Kulissenbahn läuft am Umfang um und steht mit einer an einem Zahnkranz montierten Kurvenrolle im Eingriff, wobei sich der Zahnkranz um den Hülsenkolben dreht. Angetrieben wird der Zahnkranz mittels eines Ritzels welches mechanisch mit der Kurbelwelle verbunden ist.

In der auskonstruierten Version läuft der Zahnkranz mit halber Kurbelwellendrehzahl um, so dass eine Umfangshälfte des Hülsenkolbens für die Auf- und Abbewegung des Hülsenkolbens freigegeben werden kann. Die andere Umfangshälfte wird als Verriegelungsstrecke genutzt. Diese Zwangssteuerung stellt sicher, dass alle Bauteile Kurbelwelle, Hülsenkolben, Innenkolben und auch die Nockenwelle, mittels mechanischer Verbindung, in jedem Betriebspunkt in ihrer Stellung zueinander eindeutig festgelegt sind.

Im Arbeits- und Auslasstakt läuft die Kurvenrolle unbelastet in der Kulissenbahn. Der Hülsenkolben stützt sich auf dem Innenkolben ab. Während des Ansaug- und Verdichtungstaktes liegt die Kurvenrolle zur Kolbenunterseite in der Verriegelungsstrecke der Kulissenbahn an und verhindert so eine axiale Bewegung des Hülsenkolbens.

Nach dem Grad eines möglichen Einsparpotenzials befragt, hält sich der Entwickler noch bedeckt. Angaben dazu macht er nur auf der Basis mehrere vorausgegangener Simulationsrechnungen und verweist auf die Rechenmodelle.

„Danach“ so Roß weiter, „lassen sich folgende Aussagen treffen, die durch reale Versuche noch bewiesen werden müssen: Die Steigerung des thermischen Kreisprozess-Wirkungsgrads liegt zwischen 6% -14% – je nach Berechnungsverfahren, der Spitzendruck wird um ca. 30% vermindert, die Spitzentemperatur wird geringfügig um ca. 5% gesenkt, wobei eine erhöhte Reibung nicht zu erwarten ist, da jeweils nur ein Kolben in Funktion ist. Auch ist mit geringerem Verschleiß zu rechnen, da mögliche Verschleiße auf unterschiedliche Teilflächen aufgeteilt sind“, fasst er die berechneten vorläufigen Ergebnisse zusammen.

„Der Arbeitsdruck, sowohl beim Referenz- als auch beim Inlinedoppelkolbenmotor, kann gleich hoch angesetzt werden, wobei der Durchmesser des neuen Arbeitskolbens 50% größer ist als beim Kolben des vergleichbaren Referenzmotors, was letztendlich eine immense Steigerung des Drehmomentes bedeutet.“

Damit sagt Roß einiges zur Verwertbarkeit und über die mögliche Nutzung seiner Entwicklung. Der Inline-Doppelkolbenmotor, der mittlerweile zwei europäische Patente eingebracht hat, ist bestens für Motoren mit geringer Drehzahl geeignet, bspw. in Schiffen oder Baufahrzeugen.

http://www.fh-luebeck.de

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Frank Mindt idw - Informationsdienst Wissenschaft

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